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Kiesabbau bei der Kanisfluh und Landesgrünzone: Online-Petitionen sind nahezu beliebig manipulierbar

Die Landesgrünzone in Weiler.
Die Landesgrünzone in Weiler. ©Philipp Steurer
Egal ob Online-Petition für Erhalt der Landesgrünzone oder gegen den Kiesabbau bei der Kanisfluh: Die Zahl der Unterschriften kann über erfundene Email-Adressen uneingeschränkt erhöht werden - Initiatoren sind überrascht oder sich der Problematik bewusst.

Online-Petitionen im Internet für oder gegen eine Sache oder ein Projekt beziehungsweise ein politisches Vorhaben sprießen wie Schwammerln aus dem Boden. Ihre Ergebnisse werden mit viel medialer Begleitmusik der Politik oder den Entscheidungsträgern überreicht. In Vorarlberg traf und trifft es heuer gleich zwei größere Wirtschaftsprojekte von regionalen Unternehmen. So sah sich der Dornbirner Lebensmittelhersteller Ölz unter anderem mit einer Online-Petition für den Erhalt der Landesgrünzone konfrontiert, als seine Pläne zur Errichtung eines zusätzlichen Werkes in Weiler bekannt wurden. Rund 1.800 Unterzeichner haben sich auf der Plattform für den Erhalt der Landesgrünzone und damit gegen die Ansiedlung von Ölz entschieden. Die entsprechenden Unterschriften wurden medienwirksam an die Landespolitik übergeben.

Ähnlich ergeht es derzeit dem Bregenzerwälder Kies- und Transportunternehmen Rüf in Au. Nachdem Rüf nach längerer Suche und Widerstand gegen geplante Kiesabbauvorhaben einen möglichen Kiesabbau am nördlichen Wandfuß der Kanisfluh ins Auge fasste, formiert sich im Bregenzerwald erneut Widerstand gegen das Projekt. Mit dabei ist auch hier wieder eine Online-Petition auf der Plattform “Üsa Kanis”. Am Mittwochvormittag (5.7.) wurden bislang 922 Unterschriften gegen das Projekt gezählt – allerdings gefühlt beinahe die Hälfte ohne Nennung des wirklichen Namens. Nach Erreichen der geplanten 2.000 Unterzeichner wird auch diese Petition voraussichtlich medienwirksam den politischen Entscheidungsträgern übergeben werden.

Keine Kontrolle – der Manipulation ist Tür und Tor geöffnet

Im Zuge der medialen Berichterstattung wird bei solchen Online-Petitionen – ob bewusst oder unbewusst – oftmals der Eindruck erweckt, als handle es sich bei Online-Petitionen um so etwas ähnliches wie eine regionale oder lokale Volksbefragung oder ein Volksbegehren. Dabei zeigt ein aktueller Selbstversuch der wpa-Redaktion, dass man die Zahl der Unterzeichner von solchen Online-Petitionen mit einfach zu erfindenden Email-Adressen von fiktiven Personen problemlos in die Höhe treiben kann. Ihre Aussagekraft ist damit sehr eingeschränkt.

Fiktive Personen

So hat die Redaktion gemeinsam mit einem externen Bekannten auf der Online-Petition für den Erhalt der Landesgrünzone vier fiktive Personen mit den Namen Wunderkind und Hotzenplotz aus Algerien, Ungarn, Argentinien und Aserbaidschan als Unterstützer auf die Liste gesetzt. Der Zähler der Online-Petition sprang um vier Unterschriften nach oben. Die Eintragung erfolgte ohne jeden Gegencheck des Systems. Sehr ähnlich die Situation bei der noch laufenden Online-Petition von “Üsa Kanis”. Herr Wunderkind aus Dresden, ebenfalls eine fiktive und von der Redaktion erfundene Person, hat ohne Probleme gegen den Kiesabbau unterzeichnet. Einziger Unterschied zur Grünzonen-Petition: Bei “Üsa Kanis” musste vorab eine Email-Adresse eingerichtet werden, in diesem Fall eine beliebige Email-Adresse bei yahoo. Und schon sprang der Zähler wieder um eine Stelle nach oben. Bemerkenswert: Bei dieser Petition kann man mit einer Email-Adresse bis zu fünf Unterschriften abgeben.

“Üsa Kanis” bestätigt Manipulierbarkeit der Petition

Der Manipulation von solchen Online-Petitionen ist also Tür und Tor geöffnet, es gibt offenbar keine Kontrolle. Das bestätigte schlussendlich auch der IT-Experte Lothar Kündig, Technik- und Petitionsverantwortlicher bei “Üsa Kanis”, auf Anfrage der Wirtschaftspresseagentur.com. Es sei richtig, dass Online-Petitionen immer wieder Probleme mit doppelten oder nicht stimmigen Daten hätten. Allerdings sei es einem Initiator einer solchen Petition aus datenschutzrechtlichen Gründen gar nicht gestattet, die Identität der Unterzeichner zweifelsfrei zu klären, selbst wenn man das wollte. “Wir sind aufgrund des Datenschutzes nicht in der Lage, einen möglichen Missbrauch dieser Petition zu verhindern.” Man habe sich extra für den Petitionsplattform-Anbieter “openpetition.eu” entschieden, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Da man sich der Problematik bewusst sei, gebe es auch reale Unterschriftslisten auf dem Papier, die in der Region um die Kanisfluh aufgelegt werden. Bis dato habe man rund 200 Unterschriften gesammelt. Das sind allerdings deutlich weniger Unterzeichner wie bei der dazugehörenden Online-Petition.

Grünzonen-Initiatoren überrascht von leichter Manipulierbarkeit

Bei der Landesgrünzonen-Petition zeigt sich Nina Fritsche, ein Mitglied der Initiatorengemeinschaft, überrascht über die leichte Manipulierbarkeit von Online-Petitionen. Dieses Problem sei den Initiatoren vorab nicht bewusst gewesen. “Wir haben uns auf das Tool von AVAAZ.org verlassen, weil es in der NGO-Szene häufig verwendet wird.” Man habe in bestem Wissen und Gewissen darauf vertraut, dass solche Petitionen seriös ausgestaltet seien. Eine Nachfrage bei AVAAZ habe zwar ergeben, dass Email-Adressen im Laufe mehrere Tage auf ihre tatsächliche Existenz hin überprüft würden. Allerdings könne man auch das leicht über Einrichtung etwa von gmx- oder yahoo-Adressen umgehen, so die Information. Jetzt sei man froh, auf diese Problematik für die Zukunft aufmerksam gemacht worden zu sein. Fritsche verknüpft mit dieser Erkenntnis auch gleich die Forderung an die Politik, dass ein manipulationssicheres Tool für solche Petitionen eigentlich von der öffentlichen Hand bereitgestellt werden müsste. (WPA/gübi)

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