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Kickl legt Regierungsauftrag zurück

FPÖ-Chef bedauert - Stellungnahme Van der Bellens erwartet
FPÖ-Chef bedauert - Stellungnahme Van der Bellens erwartet ©APA
Die blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen sind geplatzt. FPÖ-Obmann Herbert Kickl hat am Nachmittag in der Hofburg den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgelegt, wie er in einer Aussendung mitteilte.
Diese Szenarien kommen in Frage

FPÖ-Obmann Herbert Kickl hat am Nachmittag in der Hofburg den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgelegt, wie er in einer Aussendung mitteilte. Dem vorausgegangen war ein letztes persönliches Treffen mit VP-Obmann Christian Stocker.

Dem vorausgegangen war ein letztes persönliches Treffen mit VP-Obmann Christian Stocker. Kickl machte die ÖVP für das Scheitern verantwortlich, sei man dieser doch in vielen Punkten entgegengekommen. Die Volkspartei sah einen "Machtrausch" des FPÖ-Chefs.

"Fehlendes Vertrauen führte zum Scheitern":

Das Scheitern hatte sich spätestens seit Wochenbeginn abgezeichnet. Letzte Versuche, bei der Ressortverteilung zu einer Einigung zu kommen, waren seit heute früh medial ausgetragen worden, was die Chancen auf eine Verständigung nicht unbedingt erhöhte.

Nach einem Telefonat der beiden Parteichefs gab es zu Mittag dann auf Vermittlung des Bundespräsidenten noch ein persönliches Treffen. Doch auch dieses dauerte weniger als eine Stunde und brachte keinen Durchbruch mehr.

Kickl will nicht mit SPÖ

Kickl fuhr daraufhin in die Hofburg und übergab dem Bundespräsidenten "nicht ohne Bedauern" ein Schreiben, in dem er begründete, warum er den Auftrag zur Regierungsbildung zurücklegt, wiewohl rechnerisch auch eine Koalition mit der SPÖ möglich wäre. Die Vorgespräche mit SP-Chef Andreas Babler hätten gezeigt, dass nicht nur die Positionen in entscheidenden Punkten weit auseinander lägen, sondern die SPÖ auch grundsätzlich eine ablehnende Position zu jedweder Zusammenarbeit mit der FPÖ einnehme.

Der FPÖ-Chef betonte, dass man mit der ÖVP das Gespräch gesucht habe mit der Absicht, nach einem straffen Zeitplan schnell zu einer leistungsfähigen Bundesregierung zu kommen. Gemeinsam habe man Österreich zurück an die Spitze Europas führen wollen - "wirtschaftlich stark, sozial verantwortungsbewusst und mit einer Migrationspolitik, die die Interessen unseres Landes und seiner Menschen schützt".

"So nah ist Kickl der Kanzlerschaft nie gekommen":

Ehe jedoch die noch die strittigen Punkte auf Chefverhandler-Ebene geklärt werden konnten, habe die ÖVP darauf bestanden die Ressortverteilung zu klären. Am 4. Februar hätten die Freiheitlichen einen entsprechenden Entwurf vorgelegt: "Obwohl wir in den darauffolgenden Gesprächen der ÖVP in vielen Punkten entgegengekommen sind, waren die Verhandlungen zu unserem Bedauern letztlich nicht von Erfolg gekrönt."

Näher will sich Kickl um 20.15 Uhr in einem Pressestatement äußern. Schon davor rückte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker zu einem Angriff auf die ÖVP aus. Dieser sei es zuletzt nur um "Machtfragen" und Posten gegangen, hieß es bei einer Pressekonferenz. Sie habe sämtliche zentrale Sicherheitsbereiche besetzen wollen. Nun müsse es schleunigst zu Neuwahlen kommen, betonte er. Keinesfalls dürfe nun ein "chaotisches Verliererbündnis" aus ÖVP, SPÖ, NEOS oder Grünen die Regierungsverantwortung bekommen.

Statement von FPÖ-Generalsekretär Hafenecker:

ÖVP sieht Machtrausch Kickls

Völlig anders sieht die Sache die ÖVP. Bundesparteiobmann Christian Stocker warf Kickl vor, nicht aus der Rolle als Oppositionspolitiker in jene eines Regierungspolitikers gewechselt zu sein. Die ÖVP habe die Verhandlungen ehrlich und konstruktiv geführt und sei in vielen Bereichen über ihren eigenen Schatten gesprungen, betonte Stocker bei einer Pressekonferenz in der Bundesparteizentrale. Jedoch habe sich im Verlauf der Verhandlungen gezeigt, dass keine Einigung mit der FPÖ über die von der ÖVP vor Beginn der Verhandlungen festgelegten Grundlinien zu finden war.

Es sei zudem nicht infrage gekommen, "die Sicherheit des Landes auf Spiel zu setzen", sagte er in Bezug auf die Forderung der FPÖ nach dem Innenministerium. Über seine Präferenz, wie es nun weitergehen soll, wollte sich Stocker nicht äußern. Nun sei der Bundespräsident am Wort, aber die ÖVP sei auch weiterhin bereit, Verantwortung zu tragen. Einen Rücktritt als Bundesparteichef nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen schloss Stocker aus. "Diese Frage stellt sich für mich und uns in dieser Situation nicht", schließlich habe nicht die ÖVP den Auftrag zur Regierungsbildung gehabt, sondern die FPÖ, daher sei das Scheitern auch nicht die Verantwortlichkeit der Volkspartei. Für den Abend ist ein Bundesparteivorstand der ÖVP geplant.

Zuvor war bereit ÖVP-Generalsekretär Alexander Pröll mit einer Aussendung ausgerückt und hatte erklärt, die Regierungsbildung sei "am Machtrausch und der Kompromisslosigkeit von Herbert Kickl gescheitert". Kickl selbst habe sich in die Regierungsverhandlungen kaum eingebracht: "In fünf Wochen saß Kickl insgesamt sieben Stunden am Verhandlungstisch." Kompromisse und eine Partnerschaft auf Augenhöhe einzugehen, sei er nicht bereit gewesen. Kickl habe seinen Regierungsbildungsauftrag nicht erfüllt und damit die Chance für eine Mitte-rechts-Regierung vergeben. Es bleibe die Frage, ob sich Kickl der Verantwortung überhaupt je stellen habe wollen, schreibt Pröll.

Geplant ist heute noch eine Stellungnahme des Bundespräsidenten darüber, wie es nun weiter geht, nachdem nach dem vormaligen ÖVP-Obmann Karl Nehammer nun auch Kickl mit der Regierungsbildung gescheitert ist. Möglich wäre ein neuerlicher Versuch einer Dreier-Koalition, eine Minderheitsregierung oder eine Übergangsregierung bis zu einer Neuwahl, die noch vor dem Sommer stattfinden könnte.

Liveblog nach Ende der Koalitionsgespräche

Expertenregierung, Neuwahl oder Schwarz-Rot als Optionen

Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP gibt es mehrere Wege zu einer neuen Regierung. So könnte der Bundespräsident eine Expertenregierung einsetzen oder der Nationalrat die Bürgerinnen und Bürger erneut zu den Urnen schreiten lassen. Auch wäre möglich, dass ÖVP und SPÖ es erneut miteinander versuchen - zu zweit oder mit einer der Kleinparteien. Dagegen spricht, dass auch die Verhandlungen für eine schwarz-rot-pinke Dreierkoalition geplatzt sind.

Expertenregierung

Schon nach dem Platzen von Türkis-Blau infolge der Ibiza-Affäre hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen eine Expertenregierung eingesetzt - damals unter der Führung der mittlerweile verstorbenen Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein. Wie jede andere Regierung bräuchte eine Expertenregierung allerdings den Rückhalt im Nationalrat, um nicht per Misstrauensvotum wieder aus dem Amt zu fliegen. Politische Reformen lassen sich ohne stabile Mehrheit nur schwer umsetzen, eine Expertenregierung wäre deshalb auch nur als Übergangslösung vorstellbar. Auch Bierleins Kabinett, das etwa ein halbes Jahr lang regierte, blieb eher als Verwalter denn als Gestalter in Erinnerung. Erschwert wird die Situation dadurch, dass das Bundesbudget saniert werden muss.

Neuwahlen wohl erst ab Juni möglich

Für eine vorgezogene Neuwahl muss der Nationalrat seine Auflösung mit einfacher Mehrheit beschließen. Theoretisch kann er auch durch den Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung aufgelöst werden, was in der Zweiten Republik jedoch noch nie vorgekommen ist. Der Nationalrat kommt am 26. Februar zu seiner nächsten geplanten Sitzung zusammen, freilich könnte aber bereits davor eine Sondersitzung einberufen werden. Aufgrund parlamentarischer Prozesse und diverser Fristen dauert es vom Neuwahlbeschluss bis zur Wahl rund drei Monate, ein Wahltag vor Juni ist deshalb nur schwer möglich.

FPÖ-Chef Herbert Kickl hatte betont, kein Problem mit Neuwahlen zu haben - seine Partei liegt im APA-Wahltrend, der die Umfragen der jeweils letzten fünf Wochen berücksichtigt, bei rund 35 Prozent. ÖVP und SPÖ sind im Gegensatz zu den übrigen Parteien schon verschuldet ins Wahljahr 2024 gegangen, eine Neuwahl würde den Parteien nochmals teuer zu stehen kommen.

Erneute Koalitionsverhandlungen abseits der FPÖ

Freilich könnte die ÖVP es erneut mit der SPÖ versuchen. Eine solche Mehrheit wäre allerdings nur knapp - mit einem Mandat Überhang - im Nationalrat abgesichert. Möglich wäre auch, dass die beiden früheren Großparteien noch eine der kleineren - Grüne oder NEOS - mit ins Boot holen. Ob sich die Parteien erneut gemeinsam an einen Tisch setzen würden, nachdem auch die Dreierkoalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS zu keinem Ergebnis führten, bleibt allerdings fraglich.

Zuletzt hatte vor allem Grünen-Chef Werner Kogler an den politischen Mitbewerb abseits der FPÖ appelliert, wieder miteinander zu verhandeln. Auch SPÖ-Chef Andreas Babler plädierte für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ. Die NEOS boten ebenfalls neuerliche Gespräche an.

Minderheitsregierung

Auch bestünde die Möglichkeit einer Minderheitsregierung, sprich einer Konstellation, bei der die regierenden Parteien weniger als die Hälfte der Nationalratsmandate besitzen. Diese ist aber äußerst unsicher, da zumindest Teile der Opposition Gesetzesbeschlüsse unterstützen müssten, bzw. die Regierung jederzeit von der Opposition abgesetzt werden könnte. Minderheitsregierungen haben in Österreich keine Tradition, auch Van der Bellen betont stets, wie wichtig eine "verlässliche Mehrheit" für eine Regierung sei. NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger hatte eine schwarz-pinke Variante zuletzt ins Spiel gebracht.

(APA)

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