Die Mode ist nicht für die Magersucht verantwortlich, hieß es als Kommentar am Donnerstagabend aus dem Hause Chanel in Paris.
Tatsache bleibt aber, dass die Mädchen auf den Laufstegen und in den Gazetten seit vierzig Jahren immer dünner werden. Doch Schuld am Magerkult der jungen Frauen sei die Mode deshalb noch lange nicht, betont der Chef des französischen Modeverbandes, Didier Grumbach:
Die Mode ist Folge der gesellschaftlichen Veränderungen, nicht ihre Ursache.
Diese gesellschaftlichen Veränderungen haben mittlerweile für viele junge Frauen fatale Folgen. So sind in Frankreich Experten zufolge ungefähr vier Prozent der Bevölkerung essgestört, leiden also unter Magersucht oder Bulimie – das sind immerhin 40.000 bis 50.000 Menschen. Neun von zehn Betroffenen sind Frauen oder Mädchen, von denen zehn Prozent, ohne es zu wollen, daran sterben werden, sagt der Pariser Experte für Essstörungen, Philippe Jeammet. Die Anorexie ist ein echtes gesellschaftliches Problem, räumt auch Chanel ein.
Allerdings sei die Mode nicht der einzige Faktor, der junge Frauen heutzutage zu extremer Magerkeit anstachle, meint Grumbach. Alles in unserer Gesellschaft ermutigt heute die jungen Mädchen zum Abnehmen, ereifert sich der Modemann, was soll es da helfen, nur einen einzigen Berufsstand herauszugreifen und zu reglementieren. Wenn man einen Beruf reglementiert, löst man doch das sehr viel umfangreichere Problem nicht.
Die Mutter des toten Models sieht das etwas anders. Ich hoffe, ihre Geschichte wird anderen eine Lehre sein, sagte die 58-Jährige der Tageszeitung O Globo tränenüberströmt. Ana Carolina hatte die Arbeit an einem Armani-Katalog in Japan kurz vor ihrer Erkrankung aufgeben müssen, weil sie mit 40 Kilogramm Körpergewicht bei einer Größe von 1,74 Metern zu dünn und zu schwach war. Die junge Frau hatte sich zuletzt nur noch von Äpfeln und Tomaten ernährt. Eine Blaseninfektion führte dann innerhalb kurzer Zeit zu Nieren- und allgemeinem Organversagen. Die Verantwortlichen in den Agenturen sollten sich fragen, ob sie nicht mehr für ihre Tochter hätten tun können, klagt die Mutter.
Doch die Agenturen verweisen auf die Modeschöpfer, die nach immer dünneren Models verlangten. Der Mitarbeiter einer Pariser Modelagentur bekennt, in den achtziger Jahren habe es noch sinnliche, üppige Frauen in seinen Katalogen gegeben, aber das sei heute vorbei. Der im September in Madrid festgelegte Body-Mass-Index von 18, also 56 Kilogramm bei 1,75 Metern Körpergröße, für Models wird von den Agenturen ebenfalls zurückgewiesen. Sie würden die Mädchen ohnehin nie wiegen, sondern nur den äußeren Eindruck berücksichtigen, betonen sie. Im Nachsatz kommt dann aber schon die Erläuterung, dass der Hüftumfang nicht mehr als 90 Zentimeter betragen dürfe – und das ist bei oft 1,80 Meter großen Frauen wirklich eine Hungerleistung.
Dass nach dem Tod der 21 Jahre alten Ana Carolina ein Ruck durch die Modewelt geht, ist demnach eher unwahrscheinlich. Auch wenn das rundliche Model Velvet dAmour, das bei Modenschauen des Franzosen Jean-Paul Gaultier auftritt, einen Hoffnungsschimmer sieht. Die Entrüstung über ihren Tod könnte die Menschen mobilisieren, in eine neue Zeit einzutreten, sagte sie in einem Zeitungsinterview. Sie selbst habe früher mit 54 Kilo von ihren Agenturen immer noch zu hören bekommen, sie sei zu dick. Als sie bemerkt habe, wie absurd und gefährlich ihre Hungerkuren wurden, habe sie sich andere Vorbilder gesucht. Heute wiegt Velvet dAmour 130 Kilogramm – und macht trotzdem Laufstegkarriere.
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