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"Keine Steuern mehr abliefern"

Junge Leute müssten viel mehr Einsatz zeigen, meint Niki Lauda: „Ich wäre mit dem Minimum nicht weit gekommen.“
Junge Leute müssten viel mehr Einsatz zeigen, meint Niki Lauda: „Ich wäre mit dem Minimum nicht weit gekommen.“ ©dapd
Niki Lauda schäumt, wenn er an die Schuldenkrise und das Versagen der Politik denkt. Der Druck müsse erhöht werden, meint er und verrät im VN-Interview seine Ideen.

Herr Lauda, Sie haben „Fly Niki“ zur Gänze an „Air Berlin“ übergeben. Welches Projekt planen Sie als nächstes? Werden Sie ein neues Unternehmen gründen?

Moment: Für mich hat sich wenig geändert. Ich bin ins operative Board der „Air Berlin“ eingezogen. Hartmut Mehdorn (Vorstand) hat mich gebeten, Impulse einzubringen. Also sitze ich weiter im Büro und fliege im Übrigen, wenn es möglich ist.

Sie wollen wirklich nichts Neues angehen?

Nein, weil die Fliegerei nach wie vor eine Vollbeschäftigung darstellt. Und so lange das so ist, denke ich nicht über andere Dinge nach.

Warum haben Sie die „Fly Niki“-Anteile abgegeben? Waren die düsteren Konjunkturaussichten ausschlaggebend?

Nein. „Air Berlin“ verliert im Moment Geld. Daher stellte sich die Frage: Sollen wir enger zusammenzuarbeiten und ich mich persönlich einbringen? Das tue ich jetzt; das hätte nicht funktioniert, wenn ich meine Anteile nicht übergeben hätte.

Die Luftfahrt steht vor schwierigen Zeiten …

… Airlines reagieren sehr sensibel auf jede wirtschaftliche Veränderung. Das fängt beim Dollar an, geht über den Ölpreis bis zur Kaufkraft der Passagiere. Die Zukunft wird sicher nicht einfach.

Was ist zu erwarten? Wird Fliegen teurer, werden Airlines sterben?

Uns alle müssen die Entwicklungen in Europa insgesamt beunruhigen. Unser Hauptproblem ist, dass wir nur hören, welches Land wie viel Schulden macht. Keiner spürt etwas Positives. Der Mensch reagiert dann ganz normal: Er geht in Deckung und wartet ab.

Die Politik tut sich schwer …

Das ist der helle Wahnsinn. Wenn ich als Unternehmer ein Problem habe, mache ich zwei, drei Korrekturen, die das Problem lösen müssen. In der Schuldenkrise werden die Probleme immer größer. Niemand entwickelt eine Strategie, dauernd werden nur irgendwelche Kompromisse gesucht.

Die EU mit 27 Mitgliedsländern und komplizierten Entscheidungsstrukturen ist nicht vergleichbar mit einem Unternehmen.

Die EU ist für ein Krisenmanagement vollkommen ungeeignet. Sämtliche Verträge können nur einstimmig weiterentwickelt werden. Das geht in einer Krise nicht, da braucht man Mehrheitsentscheidungen. Immer gibt es irgendwo Politiker, die Wahlen gewinnen wollen oder auf Volksbegehren aus sind. Also meine Hoffnung ist nicht sehr groß, dass man die Probleme lösen wird.

Sie befürchten einen Flächenbrand mit mehreren schweren Jahren?

Ja. Schauen Sie sich Österreich an: Wir sind stolz darauf, dass wir in dem ganzen Debakel am besten dastehen. Doch auch wir sind nicht in der Lage, die Verschuldung zu stoppen. Wenn sich Rechnungshofpräsident Josef Moser hinsetzt und 599 Vorschläge macht, dann frage ich mich, warum das nicht sofort umgesetzt wird. Ohne zu diskutieren. Es wird nur von Steuererhöhungen gesprochen, von Reichensteuern und anderen Belastungen. Das ist unverständlich, zumal in unserem Staat nachweislich Geld zum Fenster hinausgeschmissen wird. Wenn ich eine Airline habe, die Geld verliert, dann muss ich schauen, dass meine Kostenstrukturen so sind, dass ich den Marktverhältnissen entsprechend fliegen kann. Natürlich kann ich dem Vertrieb in den Hintern treten, damit er mehr Einnahmen bringt. Aber wenn das nicht mehr möglich ist, dann habe ich ein Problem. Genauso ist das in unserem Staat: Der hat zu hohe Kosten. Und die Steuern kann er nicht mehr erhöhen, weil er dann die Kaufkraft schwächen würde. Das ganze Werkel funktioniert nicht mehr.

Sind Sie als Betroffener gegen Vermögenssteuern?

Man muss die 599 Vorschläge des Herrn Moser umsetzen. Und wenn dann noch etwa zu tun ist, kann man über neue Steuern reden. Viel wird dann aber nicht mehr notwendig sein.

Haben Sie schon daran gedacht, in die Politik zu gehen?

Nein, sicher nicht. Aber wenn die Regierung nicht in der Lage ist, die Kosten zu senken, dann werde ich irgendwann einmal vorschlagen, dass man keine Steuern mehr abliefert.

Sie rufen zum Boykott auf?

Das ist jetzt einmal ein Hinweis. Wenn die Bevölkerung einsieht, dass die Kosten nicht heruntergefahren werden, sie aber mehr Steuern zahlen soll, dann ist es notwendig, Druck auf die Politik auszubauen.

Stehen Sie als Kopf einer solchen Bewegung bereit?

Nein, nein, nein. Ich denke nur darüber nach, wie man den Druck erhöhen könnte. Warum sagen Faymann und Spindelegger nicht, dass der Moser recht hat?

Gibt es einen Politiker in Österreich, dem Sie das Notwendige zutrauen?

Nein, gibt es nicht. Weil alle so sehr verbandelt sind, dass sie nicht zu radikalen Schritten fähig sind.

Der Durchschnittsösterreicher Ihres Alters (62) ist in Pension. Sie sind junger Vater von Zwillingen und wollen weiter im Geschäft bleiben. Sind Sie ein Vorbild?

Ich weiß nicht, ob andere das auch so machen wollen. Ich kann nur sagen, dass ich bis jetzt gemacht habe, was ich gerne machen wollte.

Sie sind außerdem der bekannteste Österreicher. Nicht nur Ihre Formel-1-Karriere hat dazu beigetragen, vor allem Ihre Art und Weise hat Sie bekannt gemacht. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund. Warum gibt es nicht mehr Leute wie Sie?

Ich tue mit meinem bisschen Wissen nicht mehr, als mich auszudrücken und es logisch umzusetzen. Aber natürlich kann ich jedem nur empfehlen, sich zu Wort zu melden und Inputs zu geben. Wenn man nichts macht und nur zuschaut, dann macht man weder etwas Positives noch etwas Negatives. Und das ist das Ärgste. Immer nur in einer Neutralität zu verharren, bringt überhaupt nichts. Man muss für oder gegen etwas sein, das ist unsere Hauptaufgabe.

Auch jungen Leuten wird vorgeworfen, dass sie zu brav sind. Wenn Sie als Unternehmer einen Mitarbeiter einstellen, worauf achten Sie dann? Wer hat die besten Chancen? Jemand, der in Mindestzeit studiert und lauter Einser erreicht hat?

In erster Linie geht es darum, dass man sich aus dem Mittelmaß herausbewegt. Es gibt sehr viele junge Menschen, die das Minimum tun; also nur das, was sie unbedingt müssen. Das ist vielleicht der größte Unterschied zu meiner Generation: Ich wäre mit dem Minimum nicht weit gekommen. Der, der richtig und schnell agiert, hat die Nase vorne. So einfach ist das. Man muss den Jungen schon sagen, dass sie mehr Einsatz bringen müssen. Und dass sie nicht so der Sozialstaats-Vorstellung anhängen dürfen, dass irgendwer für sie sorgt; aber das wird ohnehin schon schwieriger.

Hat sich dieser Zugang in der Formel 1 auch geändert? Musste man zur Ihren Zeiten als junger Fahrer noch viel mehr kämpfen?

Nein, in der Formel 1 ist alles gleich geblieben: Der Kampf ist heute der gleiche. Die guten Typen wie der Vettel und wie sie alle heißen, sind ganz eindeutig außerordentliche Leistungsträger. Das ist überhaupt keine Frage. Aber natürlich ist es in der Formel 1 wie überfall: Es gibt sehr Gute; das sind wenige. Dann gibt es das große Mittelfeld und schließlich viele Nachzügler. In Europa haben wir im Moment ausschließlich Nachzügler. Keiner hat einen Sieger vor sich, an dem er sich orientieren kann. Wir sind allgemein Nachzügler.

Wohin steuert die Formel 1 unter diesen Umständen? Wird auch sie durch eine neue Wirtschaftskrise geschwächt?

Die Formel 1 stört das sehr wenig. Denn der Ecclestone wandert überall dorthin aus, wo das Interesse an der Formel 1 groß und die Mittel hoch genug sind, dass man es sich leisten kann, einen Grand Prix zu veranstalten. Das Problem ist: Ein Grand Prix selber rechnet sich ja selten. Es gibt nur wenige, die von den Eintrittsgeldern leben können. Wer einen Grand Prix veranstaltet, tut dies, um Werbung für sein Land oder seine Stadt zu machen. Und da gibt es auf der Welt noch viele, die das wollen.

Aber in unseren Breiten wird die Zahl wohl sinken. Ist zu befürchten, dass in ein paar Jahren gar kein Grand Prix mehr in Europa stattfindet?

Schon heute gibt es Grands Prix in China und in Indien; entscheidend sind Angebot und Nachfrage.

Werden sich letztlich auch Europäer, geschweige denn Österreicher, schwertun, Formel-1-Fahrer zu werden?

Nein, für die Fahrer ändert sich nichts: Die guten kommen rein. Die Teams bleiben ja, wo sie sind.

Sie haben in diesem Gespräch deutlich gemacht, das Sie nicht an die Pension denken. Aber wie schaut Ihre weitere Lebensplanung aus?

Für mich hat sich wie gesagt nichts geändert. Ich bin weiterhin aktiv, vielleicht werde ich in Zukunft halt mehr in Berlin sitzen.

Und zwischendurch auch einmal in Vorarlberg vorbeischauen?

Im Moment steht diesbezüglich nichts auf dem Plan. Aber ich werde bald einmal beginnen, mit meinen Kindern Ski zu fahren. Das muss ich ihnen unbedingt beibringen. Das werde ich in Lech oder Zug machen.

Das wird wohl nicht mehr lange dauern.

Ja, bald gehts los.

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