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Keine Scheu vor dem Arzt

Wolfurt - Über 2200 Eingriffe führen die Chirurgen im Krankenhaus Dornbirn jedes Jahr durch. Aber nur 150, das entspricht sieben Prozent, betreffen einen Bereich, der sogar von der Medizin noch als Tabuzone bezeichnet wird, nämlich jenen rund um den After.
Der Vortrag als Video

„Dabei haben 70 Prozent der über 50-Jährigen mit Leiden wie Hämorrhoiden, Fisteln und Fissuren zu tun“, verdeutlichte Primar Univ. Prof. Dr. Franz Stoß die Diskrepanz. Sein Appell an die Besucher des letzten Mini Med-Vortrages in diesem Jahr: „Blutungen aus dem After sollten immer abgeklärt werden. Denn es kann auch ein Tumor dahinterstecken.“

Verständnis wecken

Zuerst jedoch gab es vom Leiter der Chirurgie im KH Dornbirn großes Lob für das ungebrochene Interesse der Mini Med-Studenten an den Veranstaltungen. „Auf diese Weise lässt sich Verständnis für die Medizin wecken“, meinte Stoß. Das wünscht er sich auch für anale Erkrankungen. Doch: „Die Leute gehen diesbezüglich nicht gerne zum Arzt.“ Das belegt auch der Umstand, dass in österreichischen Apotheken  jährlich um mehrere 100.000 Euro kassenfreie Hämorrhoiden-Präparate gekauft werden.

Frage des Lebensstils

Hämorrhoiden zählen zu den häufigsten Erkrankungen in den Industrienationen. Was laut Stoß vor allem mit einer zu ballaststoffarmen Ernährung zusammenhängt. Ungünstige Stuhlgewohnheiten mit Verstopfung oder Durchfall, Übergewicht, Mangel an Bewegung und eine genetische Veranlagung sind weitere Risikofaktoren. Hämorrhoiden treten auf, wenn die Regulation der Gefäßpolster, die ringförmig unter der Schleimhaut des Enddarms liegen und wichtig für die Kontinenz sind, gestört ist.

Die Medizin teilt Hämorrhoiden in vier Kategorien. Vor einer Operation, die nötig wird, wenn sich ausgetretene Gefäßpolster nicht mehr zurückschieben lassen, ist laut aber Stoß jeder konservative Therapieversuch gerechtfertigt. Das heißt: Stuhlregulierung, ballaststoffreiche Kost und ausreichend Bewegung. „Ballaststoffe müssen jedoch quellen, daher reichlich trinken“, mahnte Franz Stoß. Dazu kommen Sitzbäder, wobei die Reinigung der Afterregion ohne Seife erfolgen muss, um den Säureschutzmantel nicht zu zerstören. Die Sitzbäder sollten angenehm wamr sein. Zu kalt oder zu heiß führen sie zu einer Verkrampfung des Schließmuskels. Auch Salben und Zäpfchen sorgen für Linderung. Weiters ist es möglich, Hämorrhoiden zu veröden oder abzubinden.

Verschiedene Techniken

Im Falle eines Eingriffs wird dem Stadium der Hämorrhoiden entsprechend vorgegangen. Dafür stehen verschiedene Techniken zur Verfügung. Die besten Langzeitergebnisse bringt die Entfernung. Allerdings bedeutet das auch 2 bis 3 Wochen eine offene Wunde und unter ungünstigen Umständen narbige Engstellen. Weniger Belastungen beschert dem Patienten das Abbinden. Die Erfolgsrate ist jedoch nicht so hoch.

Herausforderung

Analfisteln wiederum sind abnorme röhrenförmige, vom After ausgehende Gänge, die durch Entzündungen entstehen und kaum spontan abheilen. Verlaufen sie kompliziert, und das tun sie zuweilen, was Primar Franz Stoß anhand von Bildern darlegte, stellen sie auch erfahrene Chirurgen vor Probleme. Denn geht die Therapie daneben, können irreparable Schäden am Schließmuskel, vor allem Inkontinenz auftreten. Aber Analfisteln müssen meist operativ behandelt werden. Typische Symptome sind Schmerz, Rötung, Schwellung, Ausfluss von Sekret, Nässen und Juckreiz. Wichtig bei der Diagnostik ist das Gespräch mit dem Patienten. Stoß: „Ich sage meinen Assistenzärzten immer, hört den Leuten gut zu, da erfährt man schon sehr viel.“ Im Rahmen einer Operation werden Fisteln ausgekratzt oder ausgeschält. Der Heilungsprozess kann sich über Wochen ziehen. Dafür ist die Heilungsrate mit 90 bis 95 Prozent hoch. Präventionsmöglichkeiten gibt es kaum. Wie bei Hämorrhoiden gehört zur Behandlung aber auch die Beseitigung der Ursachen, die ähnlich gelagert sind.

Gefahr der Chronifizierung

Harmlos, jedoch lästig, sind Einrisse der oberflächlichen Schleimhaut im Analkanal. Leitsymptom ist der Schmerz während und nach der Stuhlentleerung. Fissuren entstehen meist durch lokale Verletzungen wie harter Stuhl, Entzündungen oder besondere Sexualpraktiken sowie das Einführen von Gegenständen. Unbehandelt wird eine akute Analfissur im Laufe von 6 bis 8 Wochen chronisch. Die Therapie konzentriert sich auf die Regulation der Stuhlkonsistenz, die Behandlung der oft starken Schmerzen mithilfe warmer Sitzbäder, Salben und vorsichtiger Dehnung des Analkanals. Bei einer eingetretenen Chronifizierung können Fissuren auch operativ entfernt werden. Die Prognose insgesamt ist wenig erfreulich: Analfissuren haben eine hohe Rezidivrate, kommen also häufig wieder.

Zum Schluss des Vortrages dann noch einmal die Mahnung von Primar Stoß „Haben Sie keine Scheu, gehen Sie bei solchen Schmerzen zum Arzt.“

 

Fragen aus dem Publikum:


Ich habe Angst vor einer Darmuntersuchung. Wird man da betäubt?

Stoß: Man hört diesbezüglich leider immer noch Gräuelgeschichten. Aber bei einer Koloskopie erhält der Patient ein Schlaf- und Schmerzmittel. Zudem sind auch die Geräte viel besser geworden.

Wie sieht es mit Kapseluntersuchungen aus?

Stoß: Die erden nur bei bestimmten Indikationen durchgeführt, etwa zum Aufspüren von Blutungsquellen im Dünndarm. Die Kapsel, die geschluckt werden muss, macht zwar pausenlos Fotos, man kann damit aber nur diagnostizieren und nicht therapieren. Bei einer endoskopischen Untersuchung kann ich vorhandene Polypen gleich abtragen.

Nach zwei Schwangerschaften hatte ich zwei Analthrombosen. Die eine wurde operiert, die andere ließ ich ausheilen. Was ist richtig?

Stoß: Das hängt vom Leidensdruck ab. Analthrombosen können sich spontan zurückbilden, das braucht jedoch Geduld. Wenn sie aufbrechen, müssen sie operiert werden. Es sind also beide Wege möglich.

Meine Analfissuren wurden konservativ behandelt. Es hat sich auch gebessert, trotzdem spüre ich sporadisch immer noch etwas. Soll ich das nochmals anschauen lassen?

Stoß: Wenn sie lästig werden, empfiehlt sich eine nochmalige Abklärung und eine Behandlung mit einer speziellen Salbe. Mit Eingriffen sind wir zurückhaltend. Aber es geht auch darum, bei Blutungen aus dem After andere Erkrankungen auszuschließen. Bei Tumoren sind wir nämlich immer nur zweiter Sieger.

Können kalte Sitzunterlagen Hämorrhoiden verursachen?

Stoß: Das kann es geben, denn Kälte verändert sich die Regulation der Gefäßpolster.

Ist das auch bei längerem schwerem Heben möglich?

Stoß: Bei schwerem Heben und Pressen kommt es zu einer Druckerhöhung in den Venen, das Blut kann nicht mehr richtig abfließen, es bilden sich Hämorrhoiden, die aber wieder verschwinden.

Sind Sprinkel-WC’s zu empfehlen?

Stoß: Ich bin kein großer Freund davon, weil ich sie für Bakterienschleudern halte. Ich halte Klopapier und ein neutrales Feuchtigkeitstuch für die sinnvollere Analhygiene.

Wie lange dauert der Aufenthalt im Spital bei einem operativen Eingriff und kann ich danach gleich wieder normal essen?

Stoß: Leichte Eingriffe können tageschirurgisch gemacht werden, bei anderen bleiben die Patienten eine Nacht. Handelt es sich um eine offene OP, sind drei bis vier Tage angezeigt. Danach kann der Patient sofort wieder normale Nahrung zu sich nehmen.

Ist Leinöl für den Darm zu empfehlen?

Stoß: Ja, ebenfalls gut für die Stuhlregulierung sind Leinsamen und Flohsamen. Aber beides muss gut quellen, daher viel dazu trinken.

 

Der Vortrag als Video:

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