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Katalonien: 3/4-Mehrheit für Autonomie

Zwischen 74 und 77 Prozent der wahlberechtigten Katalanen haben Wählerbefragungen zufolge beim Referendum über das neue Autonomiestatut der nordostspanischen Region mit Ja gestimmt.

Das berichtet die spanische Zeitung „El Mundo“ Sonntag abend in ihrer Internet-Ausgabe unter Berufung auf Umfrageinstitute. Die Wahlbeteiligung war offenbar niedrig, bis 18.00 Uhr gaben nur rund 35 Prozent ihre Stimme ab.

Das neue Autonomiestatut entspricht in etwa der Verfassung eines Bundeslandes in Deutschland und gewährt Spaniens wirtschaftlich stärkster Region mit ihrer Hauptstadt Barcelona eine größere politische und finanzielle Autonomie gegenüber der Zentralregierung in Madrid. Die in Madrid und Barcelona regierenden Sozialisten (PSOE) sowie die gemäßigten katalanischen Nationalisten (CiU) unterstützen die Reform. Die konservative Volkspartei (PP) sieht durch das Statut dagegen die Einheit Spaniens gefährdet und lehnt es daher ab. Für das Nein warben aber auch die katalanischen Linksrepublikaner (ERC). Sie treten für die Unabhängigkeit Kataloniens ein, die Reform geht ihnen nicht weit genug.

Der neue Status würde der Region im Nordosten Spaniens weit reichende Rechte bei Finanz- und Steuerfragen gegenüber dem spanischen Zentralstaat geben, die nur noch vom Baskenland übertroffen würden. Bei dem Entwurf, der den mehr als 5,3 Millionen Wählern vorlag, wurde ausdrücklich auf die Anerkennung Kataloniens als „Nation“ verzichtet. Mit Teilergebnissen wurde ab 21.30 Uhr MESZ gerechnet.

Nach den ersten vier Stunden zeichnete sich in den Wahllokalen eine Beteiligung von fast 21 Prozent ab. Die Abstimmung wurde von mehr als 9.000 Polizisten überwacht. Die Katalanen werden bei einem Ja unter anderem auf den Gebieten Sicherheit und Justiz unabhängiger: So dürften sie Einwanderern eine Arbeitserlaubnis ausstellen und Außenbeziehungen aufnehmen. Sie hätten das Sagen über Häfen und Flughäfen – außer über solche von nationalem Interesse wie Barcelona.

In der Finanzpolitik bekämen die Katalanen allerdings nicht soviel Autonomie wie das Baskenland und die benachbarte Region Navarra, die ein vollkommen autonomes Steuersystem haben. Schließlich wird die katalanische Sprache als „normal und bevorzugt“ in Medien, Handel, Justiz, Schule und Verwaltung festgeschrieben. Katalonien mit der Regionalhauptstadt Barcelona macht nur ein Sechzehntel der spanischen Landesfläche aus, steht aber für ein Fünftel der Wirtschaftskraft. In der Region leben 6,8 Millionen Menschen.

Spaniens Regierungschef José Luis Rodróguez Zapatero hatte sich im Vorfeld persönlich an der Ausarbeitung eines Kompromisstextes beteiligt. Die Reform des Autonomie-Status von 1979 war vom katalanischen Regionalparlament im September befürwortet worden, wurde dann aber noch vom spanischen Parlament in Madrid abgeändert. Dabei schwächte das Parlament unter anderem die Einstufung als „Nation“ ab.

Für die Annahme der erweiterten Autonomie-Regelung setzt sich die Sozialistische Partei des katalanischen Regierungschefs Pasqual Maragall ebenso ein wie das Bündnis von Grünen und Kommunisten, das in der Iniciativa per Catalunya zusammengeschlossen ist, und die christdemokratische Convergencia i Unio (CiU).

Gegen die Ausweitung der Autonomie-Rechte ist die konservative Volkspartei (PP), die bis vor zwei Jahren in Madrid regierte. Sie hat eine Verfassungsklage gegen den Text angekündigt, durch den sie die Einheit Spaniens bedroht sieht. Auf der entgegengesetzten Seite des Parteienspektrums lehnt die nach Unabhängigkeit vom spanischen Zentralstaat strebende Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) das Projekt ab, weil sich der spanische Zentralstaat weiterhin die Kontrolle über die Häfen und Flughäfen von nationalem Interesse vorbehalte.

Auch die nordwestspanische Region Galicien erhob am Wochenende Anspruch auf eine größere Autonomie. Die dort regierende Koalition aus Sozialisten und Nationalisten forderte, den „nationalen Charakter“ des 2,7 Millionen Einwohner zählenden Landesteils anzuerkennen und die galicische Sprache zu stärken.

In Pamplona in der nördlichen Region Navarra demonstrierten am Samstagabend mehrere tausend Menschen für eine Unabhängigkeit des Baskenlandes. Die Zeitung „El Paós“ berichtete, Gespräche zwischen der Regierung und der baskischen Untergrundorganisation ETA, die im März einen dauerhaften Waffenstillstand angekündigt hatte, sollten „ohne Verzögerung“ beginnen. In den nächsten zehn Tagen werde Zapatero das Parlament darüber informieren, dass eine neue Etappe des Friedensprozesses beginne. Direkt danach würden dann die ETA-Gespräche anfangen. Die baskische Untergrundorganisation kämpft seit 1968 für eine Unabhängigkeit des Baskenlandes.

Stichwort: Die spanische Region Katalonien

Katalonien ist die wirtschaftsstärkste Region Spaniens. Flächenmäßig ist sie etwa so groß wie Belgien und hat mit 6,8 Millionen mehr Einwohner als Dänemark oder Finnland. Die autonome Region im Nordosten der Iberischen Halbinsel liegt zwischen den Pyrenäen und der Mittelmeerküste. Als der Landesteil 1979 eine weit reichende Autonomie erhielt, wurde in der gesamten Region Katalanisch neben Spanisch zur zweiten Amtssprache. Katalanisch wird in regionalen Dialekten außerdem noch in der Region Valencia und auf den Balearen gesprochen.

Hauptstadt Kataloniens ist Barcelona, die zweitgrößte Metropole Spaniens. Sie gilt als Finanz- und Medienzentrum des Landes, ihr Hafen ist der wichtigste Spaniens. Viele große Industriebetriebe haben sich im Umland angesiedelt. Von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für die Heimat von Salvador Daló (1904-1989) sind auch Landwirtschaft und Fremdenverkehr. Der Weinanbau ließ Katalonien zu einem der bedeutendsten Sektproduzenten („Cava“) werden. Die Strände der Costa Brava und der Costa Dorada sind beliebte Ferienziele.

Wie auch die Basken, wurden die Katalanen unter dem Franco-Regime (1939-1975) unterdrückt, ihre Sprache wurde verboten. Erst nach dem Ende der Diktatur erhielt die Region wieder eine autonome Regierung. An deren Spitze standen mehr als 20 Jahre lang die gemäßigten Nationalisten (CiU).

Nach den Regionalwahlen Ende 2003 wurden sie von einer Koalition aus Sozialisten (PSOE), Linksrepublikanern (ERC) und Ex-Kommunisten (ICV) abgelöst. Neuer Regierungschef wurde Barcelonas sozialistischer Ex-Bürgermeister Pasqual Maragall. Im Streit über die Reform des Autonomie-Statuts entließ er die Linksrepublikaner aus der Regierung, im Herbst sind Neuwahlen geplant.

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