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Kanaren erleben neue Flüchtlings-Welle

Die spanische Regierung schien die Lage längst im Griff zu haben und das Ende des Flüchtlingsansturms auf die Kanaren nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die Europäische Union hatte den Spaniern großzügige Hilfe im Kampf gegen die illegale Zuwanderer zugesagt.

Die EU wollte eine Flotte von Flugzeugen, Hubschraubern und Patrouille-Schiffe aufbieten, um dem Zustrom afrikanischer Bootsflüchtlinge Einhalt zu gebieten.

Spanien startete seinerseits eine groß angelegte diplomatische Initiative in Westafrika, um die Herkunftsstaaten der Flüchtlinge in den Kampf gegen die Schleppermafias einzubinden. Aber all dies zeigte bis heute kaum Wirkung. Im Gegenteil:©Die Kanarischen Inseln erleben in diesem Wochen eine neue Flüchtlings-Welle. Praktisch täglich gelangen zwei oder drei Holzboote mit mehr als 200 Afrikanern auf die Inseln.

Seit Jahresbeginn erreichten über 15.000 Bootsflüchtlinge das Ferienparadies, drei Mal so viele wie im gesamten Jahr 2005. Die in Aussicht gestellte EU-Flotte droht zu einer Blamage zu werden. Sie lässt nicht nur auf sich warten, sondern wird auch immer kleiner. Die Flotte soll nach spanischen Medienberichten jetzt nur noch aus zwei Schiffen sowie einem Flugzeug aus Italien und Portugal bestehen. Ihr Einsatz soll nur ein paar Wochen dauern.

Unter den Verantwortlichen in Madrid scheint sich Ratlosigkeit breit zu machen. Ministerpräsident José Luis Rodróguez Zapatero, der gerade auf Lanzarote seinen Urlaub verbringt, bekommt auf den Kanaren zunehmend Kritik zu hören. „Es muss unbedingt etwas geschehen, denn täglich kommen Menschen bei den gefährlichen Überfahrten ums Leben“, sagte Luis Padilla, Generaldirektor für Afrika-Politik in der kanarischen Regionalregierung. „Man darf nicht länger wegschauen.“ Der Parteichef der kanarischen Regierungspartei CC, Paulino Rivero, ergänzte: „Wir haben genug von guten Worten. Wir brauchen Taten.“

Madrid hatte erst kürzlich verkündet, dass alle Zuwanderer, die illegal nach Spanien gelangten, in die Heimat zurückgeschickt würden. Bei den Bootsflüchtlingen auf den Kanaren gilt dies nach Angaben der Zeitung „Diario de Avisos“ bisher nicht einmal für zehn Prozent.

Auf Teneriffa kommt es immer häufiger vor, dass Badetouristen ankommenden Bootsflüchtlingen Erste Hilfe leisten, zuletzt drei Mal in einer Woche. In der Nacht zum©Sonntag erreichte ein Boot mit 97 Afrikanern den Strand El Confital im Süden der Insel, auf dem sich etwa 20 Camper niedergelassen hatten. „Als wir anrückten, hatten die Camper sich bereits um die halb erfrorenen Bootsflüchtlinge gekümmert“, berichtete Osvaldo Lemos vom Roten Kreuz. „Sie gaben den© Ankömmlingen Kleider und Lebensmittel.“

Drei Tage zuvor hatten Badeurlauber auf dem©Strand La Tejita 88 Flüchtlinge aus einem Boot gezogen und an Land gebracht. „Die Afrikaner waren nach der tagelangen Überfahrt so geschwächt, dass sie sich nicht rühren konnten und in den Wellen zu ertrinken drohten“, erinnerte sich der 30-jährige José. Allerdings seien nicht alle Badegäste hilfsbereit gewesen. „Einige betrachteten das Ganze als ein Spektakel und machten Fotos von den Ankömmlingen.“

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