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Kafka im Club: "Strafkolonie" im Volx/Margareten

Sören Kneidl gestaltete die Kafka-Erzählung "In der Strafkolonie" als Live-Hörspiel.
Sören Kneidl gestaltete die Kafka-Erzählung "In der Strafkolonie" als Live-Hörspiel. ©Christine Miess / Volkstheater
Sören Kneidl vermischt mit seiner Adaption des Kafka-Stücks "In der Strafkolonier Performance mit Clubbing. Das Live-Hörspiel begeistert im Volx/Margareten.

Das Volx/Margareten, die am Gürtel gelegene Nebenspielstätte des Wiener Volkstheaters, geht einer ungewissen Zukunft entgegen. Der designierte Direktor Kay Voges weiß noch nicht, ob er sich den teuren Weiterbetrieb leisten kann. Ein deutliches Zeichen für Wichtigkeit und Lebendigkeit dieses Theaterraums gab es gestern, als Sören Kneidl in Kafkas "Strafkolonie" entführte.

Kafka-Stück umgemodelt

Der deutsche Schauspieler, der im Oktober 2018 in der Roten Bar des Volkstheaters mit einer im Rahmen seines Studiums an der Musikuni Wien entstandenen Live-Hörspiel-Version von Mary Shelleys "Frankenstein" begeisterte, hat nun die 1919 erschienene Erzählung "In der Strafkolonie" von Franz Kafka zu einer Text-und-Sound-Performance umgearbeitet. Doch das Gruseln lehrt er das Publikum diesmal nicht. Die Hinrichtungs-Maschine, die dem auf sie geschnallten Verurteilten, in zwölfstündiger Todesmarter das Urteil buchstäblich unter die Haut schreibt, bleibt sehr abstrakt, und auch sonst gleicht die rund 75-minütige Aufführung mehr einem Konzert als einer Folter.

Dafür verantwortlich sind Schlagzeuger Lukas Böck und Bassist Robin Gadermaier, die mit ihren musikalischen Einlagen für die Höhepunkte des Abends sorgen. Vor ihnen werkt Kneidl an einem mit Mikrofonen, Reglern, Mischpulten und Geräuschquellen vollgepackten Arbeitstisch wie ein Berserker. In der gemeinsam mit Michael Isenberg und Edwin Vanecek erarbeiteten Textversion werden Anklänge an Heiner Müllers "Der Auftrag" und Joseph Conrads "Herz der Finsternis" deutlich. Der Auftrag eines Berichterstatters wird zur im Schiffbruch endenden abenteuerlichen Exkursion auf eine tropische Insel.

Mischung aus Club-Abend und Performance

Kneidl rasselt mit Ketten, raschelt mit Blattwerk, plätschert mit Wasserflaschen und mischt das Ganze zu einem kunstvollen Soundtrack, mit dem er seine mit sich selbst gesprochenen Dialoge untermalt. Statt der grausamen Kälte einer unerbittlich Richtung Tod arbeitenden Folter-Maschine herrscht die hitzige Atmosphäre eines Abenteuerurlaubs. Nicht erst, wenn schließlich am Hundsturm (wie die in einem ehemaligen Eisenbahnerheim gelegene Spielstätte früher nach einer alten Ortsbezeichnung genannt wurde) die Affen los sind, ist die Stimmung bestens.

"In der Strafkolonie" ist als Mischung aus Club-Abend und Performance ein wichtiges Zusatzangebot, wie es jedes Theater von der Größe des Volkstheaters braucht, und wurde vom jungen Publikum bei der gestrigen Premiere auch mit Begeisterung angenommen. Der Besuch einer der nächsten Vorstellungen müsste für den selbst sehr musikaffinen künftigen Volkstheater-Chef Pflicht sein. Und wenn das Volx/Margareten künftig zu teuer und zu weit vom Haupthaus entfernt sein sollte: Das Bellaria-Kino direkt hinter dem Volkstheater ist gerade frei geworden.

(APA/red)

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