Ein fulminantes Wiedererstehen des “orangen Traumpaares” steht aber nicht ins Haus: Zu viel ist seit Ende 2004 zwischen Julia Timoschenko und Präsident Viktor Juschtschenko geschehen, zu unterschiedlich sind ihre Interessen heute.
Den Vorwurf des Populismus einiger Kritiker hat die gekonnte Selbstvermarktung mit dem zu ihrem Markenzeichen gewordenen blonden Folklore-Zopfkranz, roten Herzen als Wahllogo und einem Massengebet “für die Ukraine” vor der Wahl vor der Kiewer Sofien-Kathedrale ganz offensichtlich übertüncht. Der BJuT legte am Sonntag um mehr als zehn Prozent zu.
Bei Timoschenko ist trotz der weniger von Ideologien denn von Interessengruppen geprägten ukrainischen Parteinlandschaft eine wirtschaftspolitische Linksorientierung erkennbar: Mehr als ihre Mitbewerber fordert sie Eingriffe des Staates in den ökonomischen Prozess. Neben Korruptionsvorwürfen war es ihre Forderung, sämtliche Privatisierungen der 90er Jahre zu überprüfen, die dazu beitrug, dass die ukrainische Wirtschaft nach der Orangen Revolution kurzfristig einbrach, und dazu führte, dass sie Juschtschenko vor zwei Jahren im Streit als Regierungschefin entließ.
Zugleich verkörpert aber kaum jemand die Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaftsoligarchen in der Ukraine besser als Timoschenko. Genauso wie bei Janukowitsch und Juschtschenko stehen auch hinter der Wahlsiegerin mächtige Unternehmer. Die am 27. November 1960 im ostukrainischen Dnepropetrowsk geborene Wirtschaftsexpertin Timoschenko selbst leitete als “Gasprinzessin” einen Energiekonzern, ehe sie 1998 in die Politik ging.
Als Vize-Ministerpräsidentin neben dem zunächst als reformorientiert geltenden Janukowitsch als Premier von 1999 bis 2001 fiel sie beim damaligen Staatschef Leonid Kutschma in Ungnade: Sie wollte Oligarchen Steuerschlupflöcher verbauen. In der Folge wurden sie, ihr Mann und ihr Schwiegervater wegen “Schleichhandels mit Gas” inhaftiert. Die Justiz beschäftige eine Zeit lang auch Vorwürfe der Steuerhinterziehung gegen die Managerin, die sich über ihr Vermögen gerne ausschweigt. Seither bekämpfte sie das politische Establishment in Kiew.
Die große Stunde Timoschenkos schlug dann an der Seite von Juschtschenko, als Wahlfälschungen bei der Präsidenten-Stichwahl Ende 2004 die Massen auf die Straße trieb. Juschtschenko besiegte Janukowitsch und machte seine Mitstreiterin zur Regierungschefin. Diese personelle Konstellation in der ukrainischen Führung dürfte nun wieder kommen: Aus der Sicht des geschwächten Präsidenten Juschtschenko wäre eine erneute zwangsweise Zusammenarbeit mit Janukowitsch, wie sie schon einmal gescheitert ist, wohl das politische Ende. So kommt ist ein Zusammengehen des BJuT mit Juschtschenkos “Unsere Ukraine” als Juniorpartner zu einem Zweckbündnisses am wahrscheinlichsten.
Von einer Neuauflage der Orangen Revolution, die den Ukrainern zwar eine erstarkte Zivilgesellschaft und freie Medien brachte aber auch die bleibende Enttäuschung über die Polit-Kaste, kann man nicht sprechen. Timoschenko hat bei der Regierungsbildung nun als Wahlsiegerin jetzt das Heft in der Hand. Offen verfolgt sie das Ziel, Juschtschenko 2009 als Präsidentin abzulösen. In diesem Zusammenhang wird vor allem von Interesse sein, wie sich eine Personenkonstellation Juschtschenko-Timoschenko auf die nötige Verfassungsreform auswirkt: Die unklare Aufteilung der Kompetenzen zwischen Präsident und Regierung bot den Hintergrund für die monatelange Staatskrise und die Neuwahl.
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