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Jüdisches Museum Wien feiert seine Bibliothek

Ausstellung zum Doppeljubiläum bis 7. April 2015
Ausstellung zum Doppeljubiläum bis 7. April 2015
Am 24. November 1994 öffnete die neue Bibliothek des Jüdischen Museums Wien in der Seitenstettengasse ihre Türen, heuer feiert man ihr 20-jähriges Bestehen. Doch ihre Geschichte geht viel weiter zurück: Vor 200 Jahren nahm die Sammlung mit der Schenkung eines hebräischen Druckers an Vertreter der jüdische Gemeinde ihren Anfang. Diesem Doppeljubiläum widmet sich bis 7. April 2015 eine Ausstellung.


“200 und 20 – Die Bibliothek des Jüdischen Museums” im Extrazimmer des Jüdischen Museum versteht sich aber nicht nur als eine Parade von Raritäten der Sammlung, wie Kurator Domagoj Akrap bei der Presseführung am Dienstag erklärte. Vielmehr wolle man auch die Geschichte der Bibliothek beleuchten und wichtige Persönlichkeiten, die eng mit der Sammlung verbunden waren, vorstellen. Einige Kostbarkeiten gibt es natürlich dennoch zu sehen, beispielsweise die erste “Rabbinerbibel”, die Daniel Bomberg 1517 in Venedig druckte.

Die erste der insgesamt sechs Stationen führt zum Anfang der Sammlung: Hebräische Bücher waren selten und teuer, denn für Juden herrschte in der Habsburgermonarchie Druckverbot, auch hebräisch durfte nicht gesetzt werden. Erst Joseph II. lockerte 1789 diese Bestimmungen und erlaubte christlichen Druckern, künftig auch jüdische Korrektoren und Setzer zu beschäftigen und hebräische Werke zu vervielfältigen.

Einer dieser Drucker war Anton Schmid. Im Jahr 1814 überreichte er der jüdischen Gemeinde Wien 133 hebräische Bände und legte so den Grundstein für eine der ältesten jüdischen Gemeindebibliotheken. In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Sammlung beständig – vor allem aufgrund der Verknüpfung mit der ersten jüdischen Religionsschule. Durch Schenkungen, Nachlässe und Ankäufe kam die Bibliothek bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts auf über 10.000 Bücher.

Über die Schulbibliothek war man zu diesem Zeitpunkt schon weit hinausgewachsen: Unter dem Historiker Bernhard Wachstein wurde die Sammlung zur großen Jüdischen Wissenschafts- und Volksbibliothek der Wiener Gemeinde. In Schaukästen, die an aufgeschlagene Bücher erinnern, sind diese unterschiedlichen Epochen repräsentiert – etwa durch eine jiddische Ausgabe von Rudyard Kiplings Erzählungen “Elefandl” oder dem Hauptwerk Wachsteins, in dem er sich mit den Inschriften am Jüdischen Friedhof in der Seegasse beschäftigt. Auch die Religionsschule findet man wieder: Etwa in Person des Schülers Sigmund Freud, dessen Zeugnis ebenfalls ausgestellt ist.

Nach dem “Anschluss” 1938 übernehmen die Nationalsozialisten die Kontrolle über die Bibliothek: Der Zutritt war nur noch einem Bibliothekar und das mit expliziter Genehmigung erlaubt. Etwa zwei Jahre später wurden die Bestände nach Berlin gebracht – während der Luftangriffe fiel ein Teil der Bücher einem Brand zum Opfer. Der Rest wurde nach Schlesien, Böhmen und Mähren transportiert – wo Teile noch heute sind. In Wien verblieb nur eine kleine “Bibliothek des Ältestenrats der Juden in Wien”, mit der “ein Schein von Normalität aufrechterhalten wurde”, wie es Kurator Akrap erklärte.

Nach Kriegsende hatte die verbliebene jüdische Gemeinde wenig Hoffnung auf eine Zukunft: Ein Großteil der zurückgegebenen oder noch vorhandenen Bestände wurde an die Nationalbibliothek des neu gegründeten Staates Israel verschickt. In der Ausstellung wird das durch eine Reisetruhe symbolisiert.

Erst im Jahr 1994 entschied man sich für einen Neubeginn: Die Israelitische Kultusgemeinde übergab ihre inzwischen wieder rund 30.000 Bände umfassende Sammlung an das Jüdische Museum, die Bibliothek in der Seitenstettengasse wurde eingerichtet. In den vergangenen Jahren wurde der Bestand stetig erweitert, wie Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums, erklärte. Die Einrichtung umfasst nun die Sammlung Schlaff, die Sammlung Stern sowie die Sammlung Burg – 2010 wurde das Legat Berger als neuester Großzugang integriert. Zudem gibt es ein Ankaufsbudget.

Die Schwerpunkte der Forschungsbibliothek liegen auf der Geschichte der Jüdischen Gemeinde Wiens sowie in Österreich und den ehemaligen Kronländer. Ergänzt wird der Präsenzbestand durch Standardwerke zu jüdischer Religion und jüdischem Leben. Zusammen mit der Kardinal-König-Stiftung widmet man sich außerdem dem jüdisch-christlichen Dialog.

(S E R V I C E – “200 und 20 – Die Bibliothek des Jüdischen Museums”, 26. November bis 7. April 2015, Jüdisches Museum Wien, Extrazimmer, Dorotheergasse 11, 1010 Wien,, Katalog zur Ausstellung: 104 Seiten, 18 Euro, ISBN: 978-3-901398-77-3)

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