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Josefstadt scheitert an Bergman

Mit der österreichischen Erstaufführung der Bühnenfassung des Ingmar Bergman-Klassikers "Aus dem Leben der Marionetten" hat sich das Theater in der Josefstadt viel zugetraut.

“Aus dem Leben der Marionetten”, 1979/80 gedreht, war Ingmar Bergmans einziger auf Deutsch gedrehter Film. Der 2007 im Alter von 89 Jahren gestorbene schwedische Regisseur hielt ihn für einen seiner besten. Der Besucher der Österreichischen Erstaufführung der Bühnenfassung, die gestern, Donnerstag, Abend im Wiener Theater in der Josefstadt stattgefunden hat, kann dies nur mit Mühe nachvollziehen. Die Inszenierung von Philip Tiedemann jedenfalls erwies sich als langatmig, spannungslos und verzichtbar.

Die Ankündigung von eindreiviertel Stunden pausenlosem Theater ließ eine zügige, straffe Inszenierung erwarten. Doch auch diese Zeit kann einem sehr lang werden, vor allem dann, wenn meist die Drehbühne (Bühnenbild: Etienne Pluss) das einzige ist, was in Bewegung ist. Verbissene Seelen-Zerfleischung erinnert daran, dass Peter und Katarina, das Protagonisten-Paar, Überreste von Bergmans berühmten “Szenen einer Ehe” sind. Tiraden und Grübeleien versuchen jener unerklärlichen Tat auf den Grund zu kommen, die am Anfang und Ende des Stücks steht, und von dem sonst so geschmackssicheren Regisseur mit Stroboskop-Licht zerhackt höchst unbeholfen auf die Bühne gebracht wird: Ein erfolgreicher, scheinbar glücklich verheirateter und gut situierter Mann vergewaltigt und erwürgt eine Prostituierte.

Bernhard Schir, 2007 für seine Rolle des Christian in dem ebenfalls von einem Film ins Theater transponierten “Fest” von Thomas Vinterberg mit dem Nestroypreis ausgezeichnet, spielt diesen erfolgreichen und angepassten Peter Egerman, der aus dem Nichts zum Mörder wird. Doch anders als damals, als ebenfalls Tiedemann Regie führte, bekommt Schir seine Rolle diesmal nicht in den Griff, kann keine Identifikation aufbauen. Dadurch wird der Zuschauer nicht mit einer Tragödie konfrontiert, in die jeder verwickelt sein könnte. Auch seine moderne, offene Ehe mit der Mode-Lady Katarina (Maria Köstlinger), die nach dem Motto “sie zanken und sie lieben sich” als unaufhörlicher Stellungskrieg zwischen Bett und Bar geführt wird, lässt einen kalt.

Der Kriminalpolizist (Peter Moucka) und der befreundete Psychiater (Alexander Strobele), die Mutter (Marianne Nentwich) und der schwule Vielleicht-Möchtegern-Freund (Sylvester Groth) fragen sich “Wie konnte das passieren?” und machen viele Worte darum. Träume werden erzählt, Mordfantasien und Handgreiflichkeiten gegenüber der Ehefrau enthüllt, unheilvolle Schattenspiele veranstaltet, doch letztlich wird nichts erhellt. War Peter impotent? Latent schwul? Mutterfixiert? Eine Marionette seiner Prägungen, seiner Erziehung, seines sozialen Umfeldes? Die Antworten bleiben offen, interessieren aber auch nicht wirklich: So what, könnte man fragen.

Nach Abschluss der Dreharbeiten zu “Aus dem Leben der Marionetten” hatte Bergman einst seinen erhöhten Blutdruck in sein Tagebuch notiert: 155/90. An etwaigen erhöhten Blutdruckwerten der Josefstadt-Besucher dürfte die Inszenierung keine Schuld haben. Der Schlussapplaus fiel jedenfalls eher matt aus.

Ingmar Bergman: “Aus dem Leben der Marionetten”
Österreichische Erstaufführung im Theater der Josefstadt
Regie: Philip Tiedemann, Bühnenbild: Etienne Pluss, Kostüme: Stephan von Wedel, Musik: Ole Schmidt.
Nächste Vorstellungen: 6., 9., 16., 17., 18.3., 19.30 Uhr
Karten: 01 / 42700-300. http://www.josefstadt.org

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