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Jägers Haus

"Jagdhaus als Leistungsschau des modernen Holzbaus – bloß kein Chalet!" (Siegfried Kohler, Bauherr und Errichter)
"Jagdhaus als Leistungsschau des modernen Holzbaus – bloß kein Chalet!" (Siegfried Kohler, Bauherr und Errichter) ©Adolf Bereuter
Egg - Auf sich gestellt, abseits der breiten Wege, hochkonzentriert, plötzlich das Wilde – einerseits; Kenntnis des Terrains, Verantwortung, Sorge um den Bestand, Pflege des Geräts – andererseits. Ab und zu: Geselligkeit unter seinesgleichen, Entspannung bei Geschichten. Da braucht’s besonderen Charakter.
Das Jagdhaus Fohren

Was einst romantisch verklärt war, ist sachlich geworden , eine Dienstleistung der Grund- und Bodenbewirtschaftung – so Siegfried Kohler, der im Gebiet unterhalb der Niedere auf Jagd geht. So sachlich sind auch die Anforderungen, die an ein neues Jagdhaus gestellt wurden: Stellplatz für Gerät, eine Werkstatt, Lager, ein kleiner Schlachtraum, Kühlraum. Ein Wirtschaftsgebäude, täglich genutzt, und im Aussehen so direkt wie ein Stadel.

Doch so sachlich ist die Leidenschaft nicht: Das neue Haus ist Wohnhaus für die Zeiten der Jagd im Frühjahr und Herbst, bietet Platz für Familie und Gäste, liegt am Rand einer Streu-Siedlung direkt am Wald und Hang. Vor allem: Es ist so beschaffen, als berge es ein Geheimnis hinter einem Schleier aus Latten. Die meiste Zeit zeigt es sich als geschlossenes, homogenes Volumen aus Lärche. Wird es benutzt, öffnen sich hier und da Läden, je nach Bedarf.

Doch den Jäger in sich kann Bauherr und Errichter Siegfried Kohler nicht ablegen, wenn er nicht dort droben ist. Mit ähnlicher Leidenschaft betreibt er ein Holzbauunternehmen drunten in Alberschwende, das stetig wächst, seit es der Betriebswirt vor zehn Jahren übernommen hat. Mittlerweile macht er zwei Drittel seines Geschäfts im Ausland. Anspruchsvolle Projekte sind sein Markenzeichen, zuletzt siebengeschoßiger Wohnbau in Berlin.

„Das Jagdhaus bot mir als Holzbauer die Chance zu zeigen, was Holzbau heute leisten kann – technisches Können und zeitgenössische Architektur, minimalistisch. Wenn ich mit Gästen in mein Jagdhaus fahre, genieße ich den A-ha-Effekt, ihr Staunen vor dieser Leistungsschau modernen Holzbaus“, räumt er verschmitzt ein.

Die Schicht aus Lärchenlatten an Wand wie Dach schließt im Wirtschaftsteil direkt mit der tragenden Holzelementfassade ab, während sie beim Wohnteil eine vorgelagerte Zwischenzone umhüllt – einem Laubengang vergleichbar. Von hier, traufseitig, betritt man die Wohnräume mit Schlafräumen und Treppe linkerhand zu Gastzimmern im Obergeschoß. Rechts öffnet sich der Wohnraum über zwei Geschoße mit Küche und Galerie, der bis unter den First den Blick in die Natur freigibt – abweichend von den restlichen drei Seiten ohne Lattenrost. Ab Keller und Kellerdecke in Sichtbeton ist es ein Holzbau, ausgeführt aus vorfabrizierten Rohbauelementen mit vor Ort aufgebrachten Holzoberflächen aus Weißtanne. Den Abschluss bildet ein umgekehrter Dachstuhl aus kraftschlüssig verbundenen Pfetten: Von einer zur anderen Traufe mit vorgefertigten und kraftschlüssig angeschlossenen Holzelementen dazwischen sowie mit einem aufwändigen Dachaufbau der Lattenoptik wegen.

Doch nicht nur Bild und Technik machen den Bau zur Leistungsschau: „Die Bauzeit ist ein Thema – nicht nur in dieser Lage, sondern generell als Kostentreiber beim Bau. Wir haben den Bau von der Rohbaudecke bis zum Einzug in drei Monaten fertiggestellt – Küche und Sauna inbegriffen. Das geht, wenn die Bauabläufe genau durchdacht sind, viel in eigener Werkstatt erbracht wird und man sich auf gute, regionale Partner verlassen kann. Drei Monate – schneller geht’s nicht! Dazu kommt einiges an Eigenarbeit – eine wertvolle Zeit, auch weil ich immer wieder über Betriebsabläufe dazulerne.“

Bauherr, Errichter und Mitplaner – das Projekt lag weitgehend in einer Hand, mit Unterstützung durch Jürgen Hagspiel bei Entwurf und Einreichung. Die Details aus der Hand von Siegfried Kohler und seinen Mitarbeitern lagen ihm besonders am Herzen. Bemerkenswert, wenn er dazu sagt: „Ich wollte keine Konstruktion sehen, alles sollte flächenbündig sein.“ Glatte, durchlaufende Flächen, die nichts verraten außer sich selbst, gefügt zu Volumen, für die dasselbe gilt – ist das eher Bauskulptur als Architektur, die ja Konstruktion, Nutzung und Gestaltung in ein anschauliches Verhältnis bringen soll? Was ist mit dem Ort, dem Charakter der Aufgabe und seiner Darstellung? Wird dagegen die Geometrie aufs Podest gehoben wie hier und anderswo, so werden Opfer fällig? Die Idee Holzhaus, umlaufend in gleiche Latten gehüllt, und der Wunsch nach erfreulichen Aussichten: erfordert hier eine Hilfskonstruktion aus Stahl. Oder die schmalen Laubengänge mit System: Werden diese nach Süd-Westen hin geöffnet, wird die Natur zu einem Frühstücksplatz vor dem Wohnraum ein bisschen unbeschwert, wie’s auch Jäger doch gernhaben …

Daten & Fakten

Objekt: Jagdhaus Fohren, Egg
Eigentümer/Bauherr: Siegfried Kohler
Architektur: Jürgen Hagspiel, Lingenau und Firma oa.sys baut, Alberschwende
Statik: Merz Kley Partner, Dornbirn
Fachplaner: oa.sys baut, Alberschwende
Planung: 1–3/2010
Ausführung: 5–9/2011
Wohnnutzfläche: 130 m²
Keller: 70 m²

Bauweise: Holzrahmenbau, gedämmt 26 cm, Weißtannen – Schalung bzw. offene Lärchenlatten – Fassade; Holzdecke, Foliendach mit offener Lärchenlattenverkleidung; Keller: Ortbeton; Fußböden: Geschliffener Estrich und DreischichtdIelen aus Weißtanne; Heizung: Wärmepumpe, Fußbodenheizung, offener Kamin aus Schwarzachtobler Kalksandstein; Innenwände: Weißtannen-Täfer; Fenster: Dreifachverglasung

Ausführung: Baumeisterarbeiten, Zimmerer, Innenausbau oa.sys baut, Alberschwende; Fenster: oa.sys baut/GMS Glas Metall Salzgeber, Dornbirn; Böden: Vigl & Strolz, Schoppernau; Oberhauser, Egg-Großdorf Heizung/Lüftung: Lukas, Wolfurt; Elektro: pro Strom, Schwarzenberg

Energiekennwert: 35 kWh/m² im Jahr

Quelle: Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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