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Ist die Gewaltbereitschaft im Ländle-Nightlife angestiegen?

Patrick Fessler (Hangover), Mücke (Taxi Mücke), Arno Dalpra (Ifs), Katrin Lins (Barkeeperin K-Shake)
Patrick Fessler (Hangover), Mücke (Taxi Mücke), Arno Dalpra (Ifs), Katrin Lins (Barkeeperin K-Shake) ©Güfel, Kraft, Grabher
Immer wieder schocken Schlagzeilen von Körperverletzungen bei bzw. nach Disco-Besuchen.Von Taxifahrer und Barfrau über Se­­­­curity und Club-Besitzer bis zum Psychotherapeuten – alle sprechen darüber, wie sie die Situation im Ländle sehen.
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„Schlug Nase blutig“

Patrik Fessler, Chef des Hangover Club in Altach: „Meiner Meinung nach fehlt der Respekt bei den Jugendlichen völlig. Ich merke das fast jeden Tag. Letztes Wochenende gab es einen speziellen Vorfall bei uns in der Diskothek. Ich habe beobachtet, wie ein Mann einen anderen angerempelt hat. Daraufhin hat ihm dieser die Nase blutig geschlagen. Er wurde von uns sofort ins Krankenhaus gebracht. Solchen Gästen erteilen wir sofort Hausverbot. Derartige Vorfälle kann man leider nie ganz ausschließen. Wenn Alkohol im Spiel ist, sind immer wieder brenzlige Situationen möglich. Man weiß nie, ob einer gleich das Messer zückt. Man muss jemanden nur schräg anschauen, da werden viele schon aggressiv. Das kann aber durchaus auch bei Frauen der Fall sein. Ich hatte einmal einen Vorfall, bei dem sich ein paar Mädels gegenseitig verprügelt haben. Wir tun unser Bestes, solchen Situationen entgegenzuwirken. Damit die Betrunkenen sicher nach Hause kommen, organisieren wir Taxis, die die Leute dann kostenlos nach Hause bringen. Mittlerweile haben wir auch Überwachungskameras ­installiert.“

„Ich bring‘ dich um!“

Mücke, Taxi „Mücke“ Feldkirch: „Ich bin bereits seit 17 Jahren Taxifahrerund habe schon einiges erlebt. Eines Abends weigerte sich ein betrunkener Fahrgast zu zahlen. Als ich ihn wiederholt dazu aufforderte, ging er auf mich los und wollte mich verprügeln. Dass die Leute nicht zahlen wollen, ist schon sehr oft vorgekommen. Ein Fahrgast gab einmal vor, dass ihm schlecht sei und da habe ich natürlich angehalten, weil ich nicht wollte, dass er mir in den Wagen kotzt. Ich konnte aber gar nicht schnell genug reagieren, sprangen auch schon alle Türen auf und die Jugendlichen suchten das Weite. Ein weiterer Gast, den ich auffordern musste zu zahlen, drohte mir sogar mit den Worten: ,Ich bring‘ dich um!‘ In solchen Situationen passe ich besonders gut auf, denn man weiß nie, was als Nächstes kommt. Ich merke, dass die Jugend von heute immer schlimmer wird, da einfach der Respekt vor älteren Leuten fehlt und jeder zeigen will, wer der Stärkere ist. Der stetig steigende Alkoholund Drogenkonsum trägt sicherlich dazu bei. Meiner Meinung nach liegt ein großer Teil der Schuld auch bei den Eltern, da sich viele nicht mehr um ihre Kinder kümmern können, weil sie vielleicht berufsbedingt zu wenig Zeit haben. Viele Eltern wissen nicht einmal mehr, wo sich ihre Kinder in der Nacht herumtreiben und das finde ich sehr bedenklich.“

„Situation verbessert“

Katrin Lins, Barkeeperin K-Shake Röthis: „Die meisten benehmen sich freundlich und höflich an der Bar. Ab und zu kommt es vor, dass jemand ungeduldig ist oder sich benachteiligt fühlt, weil er glaubt, man nimmt ihn absichtlich als Letzten dran. Dann kommen manchmal blöde Sprüche. Wenn etwas passiert, was aber eher selten der Fall ist, treten Probleme meist beim jüngeren Publikum auf – also bei den 16-bis 18-Jährigen. Alkohol spielt natürlich auch eine große Rolle. Alkoholisierte Personen geraten durch Missverständnisse in Streit. Eine dritte Person will dann schlichten und gerät in die Situation hinein, Freunde mischen sich in den Streit ein und so schaukelt sich das Ganze hoch. Sowas dauert aber nie lange, da eine Minute später das Security-Personal die Situation entschärft. In der Folge müssen dann die beiden Beteiligten das Lokal für diesen Abend verlassen, da es schwierig ist, einen Schuldigen zu finden. Meiner Meinung nach hat sich die Lage eher verbessert als verschlimmert.“

„Aggression auf 100!“

Christian Loitz, Security und Ausbildner im ÜAZ Rankweil: „Meiner Ansicht nach steigt die Gewaltbereitschaft bei jungen Menschen stark an – kein Vergleich zu früher. Heute haben viele kaum mehr eine Hemmschwelle, die Fäuste sprechen zu lassen. Die Aggression ist sofort auf 100. Gerade im Nachtleben gibt es häufig Ärger. Das richtet sich nicht nur gegen Sicherheitspersonal, sondern auch Jugendliche untereinander agieren so und hauen sich gegenseitig Flaschen über den Kopf. Das fängt schon auf dem Schulweg an und setzt sich am Abend fort. Es betrifft durch die Bank alle – Mädchen und Jungs, in jeder Schicht. Als Türsteher kann dir alles passieren, du weißt nie, mit wem du es zu tun kriegst. Ich trage nun z.B. öfters Stichwesten und habe sie bereits mehrfach gebraucht.”

„Vorfälle gingen dieses Jahr zurück“

Andi Bauer, Betriebsleiter K-Shake Röthis: „Im Vergleich zum Jahr 2011 gingen die Vorfälle mit Gewaltbereitschaft zurück. Wenn etwas passiert, dann meistens vor dem Lokal beim Heimgehen. Aber auch dann greift unser Security-Personal ein. Wir achten zudem darauf, dass wir auch gutes Personal haben. Deshalb halten sich solche Situationen bei uns in Grenzen.“

„Gewalt gehört nach wie vor zum Alltag“

Arno Dalpra, IfS-Gewaltberatung: „In meiner Arbeit als Psychotherapeut und Gewaltberater bin ich auch mit gewalttätigen Jugendlichen konfrontiert. Für mich ist nicht erkennbar, dass sich das Gewaltpotenzial erhöht hat – die angewandte Brutalität hingegen schon! Für Gewalt gibt es keine schlüssigen Motive, die die Tat rechtfertigen. Hingegen werden Ausreden, wie z.B. Alkoholkonsum, Provokationen, Beleidigungen von Freundin oder Mutter, gebraucht. Gewalt entsteht in erster Linie dadurch, dass die eigenen Probleme ignoriert werden und man sich machtlos dagegen und deshalb wertlos fühlt. Jugendliche leben ihre Gewalttätigkeit häufig offener aus als Erwachsene. Gewalt lebt vom Schweigen und Wegschauen. Gewalt ist männlich – 90 Prozent aller Gewalttaten werden von Männern ausgeführt, davon richtet sich ein Drittel gegen Frauen, zwei Drittel gegen Männer selbst. Gewalt gehört nach wie vor zum Alltag. Noch heute scheuen sich bis zu 60 Prozent der Eltern nicht, in der Erziehung ihre Kinder zu schlagen – bis in die 70er Jahre galt die ,gesunde Watschen‘ als legale Erziehungsmaßnahme, heute ist sie gesetzlich verboten. Bei Tätern ist es grundsätzlich notwendig, sie zeitnah zur Tat mit ihrem Tun zu konfrontieren. Viele Täter flüchten sich in Ausreden – ohne sich mit ihren Taten auseinanderzusetzen, viele haben einen langen Weg der Übertretungen hinter sich, bis wir Erwachsene endlich auf ihr Verhalten reagieren. Auffälliges Verhalten sind Hinweise für uns Erwachsene, genauer hinzusehen und nachzufragen, statt wegzusehen und diese Verhalten zu ignorieren. Aus Rückmeldungen von Jugendlichen wissen wir, dass sie es mehr schätzen, wegen ihrer Art geachtet zu werden, als aufgrund ihrer Gewalttaten gefürchtet zu sein.“

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