Popstars wie die Dixie Chicks oder Robby Williams beschimpften den Präsidenten schon öfters als Idioten. Michael Moore stellte in Filmen und Büchern mit umstrittenen Mitteln Bush als ausgemachten Volltrottel hin. Und für viele US-Linke wie Noam Chomsky ist Bush ohnehin ein Erfüllungsgehilfe des vom Kapital gelenkten US- Imperialismus. Nun aber – zwei Monate vor den US-Kongresswahlen – debattieren selbst Konservative über den Geisteszustand des mächtigsten Mannes der Welt.
Ist Bush ein Idiot? fragte der republikanische Ex- Kongressabgeordnete John Scarborough in seiner viel gesehenen Talkshow im TV-Sender NBC. Privat fragten auch Konservative und Republikaner, ob die geistigen Schwächen von Bush nicht das Ansehen Amerikas zu Hause und im Ausland beschädigt, meinte Scarborough. Und dann folgte ein Potpourri von Bushismen, den Bush-typischen Sprachpannen. Es scheine, so John Fund (Wall Street Journal), dass Bush täglich neu den Ringkampf mit der englischen Sprache aufnimmt – und nicht selten verliert. Aber das Sprachdefizit sei nicht unbedingt Zeichen mangelnder Intelligenz. Auch Scarborough verneinte die selbst gestellte Frage nach dem Idioten mit einem Natürlich nicht. Es mangle Bush allerdings an intellektueller Neugier.
Den Republikanern kommen die Erörterungen über die intellektuellen Fähigkeiten des Präsidenten höchst ungelegen. Bushs Popularitätswerte sind im Keller. Das Weiße Haus wirkt ratlos. Eine Ende des Desasters im Irak ist nicht absehbar, ebenso wenig ein Rezept, wie iranische Atomwaffen verhindert werden können. All das wirft einen Schatten auf die Erfolgsaussichten seiner Parteifreunde bei den Kongresswahlen am 7. November.
Bush hat die Herausforderung allerdings längst angenommen, betonen Parteifreunde. Nie zuvor hat er sich so oft der Presse und der Öffentlichkeit – auch kritischen Bürgerversammlungen und Studenten – gestellt wie in den vergangenen Monaten. Bush sucht neben seinem stundenlangen Fitness- und Sportprogramm den Dialog mit Intellektuellen. Wissenschaftler, Literaten und Ex-Politiker sind schon immer häufige Gäste im Weißen Haus gewesen. Ex-Mitarbeiter und seriöse Bücher über Bush beschreiben ihn als führungsstark und souverän. Auch Vizepräsident Dick Cheney oder Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ordneten sich trotz ihres großen Einflusses letztendlich Bush unter. Selbst Ex-Präsident Bill Clinton spricht mit ausdrücklichem Respekt über seinen Nachfolger.
Die angebliche Dummheit von US-Präsidenten ist ein uraltes Thema. Zeit-Herausgeber Josef Joffe etwa schildert in seinem neuen Buch Hypermacht, wie schon Dwight Eisenhower als Tölpel in Uniform, Lyndon Johnson als ungehobelter Texaner, Jimmy Carter als Erdnussfarmer und Ronald Reagan als zweitklassiger Schauspieler diffamiert wurden – als ob Amerika vor allem Männer mit moralischen oder geistigen Defiziten wähle. Joffe stellt diese Herabsetzungen mit vielen anderen Vorurteilen über das angeblich kulturell rückständige Amerika in Zusammenhang.
Dennoch nimmt das Weiße Haus die jüngste Welle der Despektierlichkeiten über Bush sichtlich ernst. Bush-Sprecher Tony Snow erzählte kürzlich so ganz nebenbei, dass der Präsident dieses Jahr schon 60 Bücher gelesen habe, darunter auch Der Fremde des französischen Existenzialisten Albert Camus. Wie um alles in der Welt ist dieses Buch in die Hände unseres stolz anti-intellektuellen Präsidenten gelangt?, spottete die New York Times. Offenbar wolle Bush sein Image als intellektuelles Leichtgewicht korrigieren, so die US News & World Report.
Bush muss wie jeder US-Präsident mehr aushalten als Amtskollegen in Europa. Präsidenten, die wegen einer Zeitungssatire eine bilaterale Krise beschwören, oder Regierungschefs, die wegen ihrer Haarfarbe vor Gericht ziehen, hätten in den USA einen schweren Stand. Die US-Medien haben wenig Respekt, zuweilen keine Skrupel. Die seriöse US News berichtete, dass Bush Furz-Witze liebe und erzähle. Die Regenbogenblätter behaupten ohne jeden Beleg, dass die Ehe der Bushs in Trümmern liege und der Präsident eine Liebesaffäre mit Außenministerin Condoleezza Rice habe.
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