Israel: Generalstreik für sofortigen Geiseldeal begonnen
Viele Städte und Gemeinden schlossen sich dem Protest an, andere verweigerten dies, weil sie eher der rechtsreligiösen Regierung von Benjamin Netanyahu nahestehen. Anders als angekündigt lief der Flugverkehr auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv aber zunächst weitgehend normal.
Größte Massenproteste seit Beginn des Gaza-Kriegs
Der Gewerkschaftsdachverband hatte am Sonntag angekündigt, er wolle das Land einen Tag lang zum Stillstand bringen. Ziel ist es, den Druck auf Regierungschef Netanyahu zu erhöhen, damit er einem Deal zur Freilassung der verbliebenen Geiseln zustimmt. In vielen Städten blieben unter anderem Kindergärten, Banken und Behörden geschlossen. Auch der öffentliche Verkehr war betroffen. Bereits am Sonntag hatten Hunderttausende bei den größten Massenprotesten seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast elf Monaten ein sofortiges Abkommen mit der islamistischen Terrororganisation Hamas gefordert.
Netanyahu zwischen den Stühlen
Finanzminister Bezalel Smotrich wollte den Generalstreik per einstweiliger Verfügung verhindern, mit der Begründung, es handle sich um einen "politischen Streik". Smotrich lehnt ebenso wie der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben Gvir Zugeständnisse an die Hamas ab und drohte Ministerpräsident Netanyahu mehrfach mit dem Platzen der Regierung.
Sechs Hamas-Geiseln tot in Tunnel aufgefunden
Die israelische Armee hatte am Sonntagmorgen bekanntgegeben, dass kurz zuvor sechs Leichen von Hamas-Geiseln in einem unterirdischen Tunnel im Süden des Gazastreifens entdeckt worden waren. Das israelische Gesundheitsministerium teilte nach Medienberichten mit, die Geiseln seien etwa 48 bis 72 Stunden vor der Autopsie der Leichen aus nächster Nähe erschossen worden. Ein Sprecher der militanten Palästinenser-Organisation Hamas sagte dagegen, die Geiseln seien durch israelisches Bombardement ums Leben gekommen.
Die sechs tot aufgefundenen Geiseln
Bei den toten Geiseln handelt es sich um vier Männer - Hersh Goldberg-Polin (23), Alexander Lobanov (32), Almog Sarusi (27) und Ori Danino (25) - sowie zwei Frauen - Carmel Gat (40) und Eden Jerushalmi (24). Dem Forum der Angehörigen der Entführten zufolge waren fünf von ihnen am 7. Oktober vom Nova-Musikfestival in der Negev-Wüste nahe des Gazastreifens entführt worden.
US-Amerikaner unter den Toten
Die Eltern von Goldberg-Polin, der auch US-Staatsbürger ist, hatten sich unermüdlich für seine Freilassung eingesetzt. Erst im vergangenen Monat rührten sie die Teilnehmer eines Parteitags der US-Demokraten mit der Geschichte ihres Sohnes, der bei der Entführung einen Arm verloren hatte, zu Tränen. Am Donnerstag nahmen sie gemeinsam mit anderen Geisel-Angehörigen an einem Protest an der Gaza-Grenze teil. "Hersh, hier ist Mama", rief Rachel Goldberg-Polin mit einem Megafon in den Gazastreifen. "Ich liebe dich, bleib stark, überlebe!"

In einer im April veröffentlichten Aufnahme ist der 23-jährige Hersh Goldberg-Polin mit einem roten Hemd bekleidet und auf einem Plastikstuhl sitzend zu sehen, sein linker Arm ist amputiert. "Ich wollte mit meinen Freunden abhängen und fand mich stattdessen mit schweren Verletzungen am ganzen Körper um mein Leben kämpfend wieder", sagt er darin.
Am 7. Oktober 2023 verschleppt
Die Geiseln waren bei dem überraschenden Überfall der Hamas und Kämpfer des verbündeten islamischen Jihad auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt worden. Nach israelischen Angaben töteten die Extremisten dabei 1.200 Menschen und verschleppten mehr als 250 Geiseln in den Gazastreifen. Bei den darauf folgenden israelischen Angriffen auf den Gazastreifen wurden nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde bisher mehr als 40.600 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet und fast 94.000 verletzt.
Im Laufe einer einwöchigen Waffenruhe Ende November ließ die Hamas 105 Geiseln frei. Im Gegenzug entließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen. Vereinzelt konnten Geiseln von der israelischen Armee befreit werden - teils unter hohem Blutzoll für die palästinensische Zivilbevölkerung bei diesen Militäreinsätzen, für die Israel international in der Kritik steht. Wie viele der im Gazastreifen verbliebenen Geiseln noch am Leben sind, ist nicht bekannt.
"So werden keine lebenden Geiseln mehr übrig bleiben, die man retten könnte"
Der Angehörige einer weiterhin vermissten Geisel sagte dem israelischen TV-Sender Channel 13: "Wenn wir warten, bis wir auch den letzten Hamas-Kämpfer gefangen haben, werden keine lebenden Geiseln mehr übrig bleiben, die man retten könnte." Der Fund der Leichen sei ein trauriger Beweis dafür. "Netanyahu kann einen Deal zu ihrer Befreiung erzielen. Natürlich ist es die Hamas, die die Geiseln entführt und ermordet hat, daran hat niemand einen Zweifel, aber der Regierungschef kann sie retten - aber er tut es nicht, er lässt sie im Stich."
(APA)
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