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Israel erwägt Wirtschaftssanktionen

Wenige Tage vor der konstituierenden Sitzung des neuen palästinensischen Parlaments bereitet sich Israel auf die Verhängung von Wirtschaftssanktionen vor.

Hohe Regierungsvertreter hätten darüber beraten, alle Zahlungen an die palästinensische Selbstverwaltung einzustellen, humanitären Organisationen aber weiterhin die Arbeit zu ermöglichen, berichtete der Militärrundfunk am Donnerstag unter Berufung auf Regierungskreise in Jerusalem.

Israel erwägt demnach einen vollständigen Einreisestopp für palästinensische Arbeiter sowie ein Einfuhrverbot für palästinensische Waren nach der Hamas-Regierungsübernahme. Der Armeesender meldete, bei einer Beratung mit Außenministerin Tzipi Livni sei die Einstellung des durch die Oslo-Verträge geregelten Transfers von Steuergeldern an die Palästinenser vereinbart worden. Humanitäre Hilfsgelder sollten aber weiter fließen. „Es ist wie bei einer Diät“, sagte nach diesen Angaben der israelische Premier-Berater Dov Weissglass. „Wir wollen, dass sie viel dünner werden, aber nicht sterben.“

Der 43-jährige Hamas-Politiker Ismail Haniyeh hat nach Angaben aus Führungskreisen die größten Chancen, neuer palästinensischer Premier zu werden. Haniyeh gilt als Pragmatiker. Er spielte eine Schlüsselrolle bei der Vereinbarung der Waffenruhe („Hudna“) gegenüber Israel im Februar 2005. Zum Fraktionsvorsitzenden haben die Hamas-Abgeordneten den 62-jährigen Chirurgen Mahmoud al-Zahar gewählt, der als Vertreter einer harten Linie gilt. Parlamentspräsident wird Aziz Dweik aus dem Westjordanland. Er würde damit Übergangspräsident, sollte Präsident Mahmoud Abbas sein Amt nicht ausüben können. Das Parlament wird am Samstag zu seiner ersten Sitzung zusammentreten.

Der Chef des Hamas-Politbüros, Khaled Mechaal (Mashaal), ist am Donnerstag zu Gesprächen mit türkischen Regierungsvertretern in Ankara eingetroffen. Die Türkei ist Israels engster Verbündeter in der islamischen Welt. Die Hamas-Delegation sei nicht auf Einladung der Regierung, sondern der islamisch geprägten Regierungspartei AKP (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei) nach Ankara gekommen, hieß es in Regierungskreisen. Doch seien auch Kontakte im Außenministerium geplant. Mechaal, gegen den der israelische Geheimdienst Mossad 1997 in Amman einen Mordversuch unternommen hatte, erhielt auch Einladungen nach Jordanien und Saudiarabien.

Die Hamas hat unterdessen eine offizielle Einladung aus Russland erhalten. Das Schreiben sei an Politbürochef Mechaal gesandt worden, erklärte ein Hamas-Vertreter im Gaza-Streifen. Das genaue Datum würde später fixiert werden. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Hamas nach deren Wahlsieg Ende Jänner aufgerufen, das Existenzrecht Israels anzuerkennen und sich auf einen friedlichen Dialog einzulassen. Russland habe – anders als die USA und die EU – die Hamas nie als terroristische Organisation bezeichnet, sagte der Präsident. Russland ist Mitglied des so genannten Nahost-Quartetts, zu dem auch die UNO, die USA und die EU gehören.

Das US-Repräsentantenhaus hat eine symbolische Resolution verabschiedet, mit der der Kurs der US-Regierung gegen die Hamas unterstützt wird. Die US-Regierung macht eine weitere Unterstützung der Palästinenser davon abhängig, dass die Hamas ihre antiisraelische Politik aufgibt. Washington sieht, was die Zukunft der Beziehungen zwischen der künftigen palästinensischen Führung und den USA sowie der internationalen Gemeinschaft betrifft, die Hamas am Ball. „Die Hamas ist in der Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit wir sie unterstützen“, sagte Scott Carpenter vom Nahost-Büro des US-Außenministeriums am Donnerstag in Wien vor Journalisten. Der Unterstaatssekretär bekräftigte die Forderungen der USA an die radikale islamische Bewegung, die von Washington, aber auch von der EU als Terrororganisation eingestuft wird: Die Anerkennung des Existenzrechts Israels, den Gewaltverzicht und das Bekenntnis zu bestehenden israelisch-palästinensischen Vereinbarungen. Dies entspreche der Linie des gesamten Nahost-Quartetts.

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