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Israel bald in Frauenhand?

Zum ersten Mal seit knapp vier Jahrzehnten könnte in Israel wieder eine Frau Regierungschefin werden.

Trotz der von militaristischen Machos bestimmten politischen Kultur und dem Frauen gegenüber reservierten religiösen Establishment hat Außenministerin Zipi Livni die besten Chancen. Im Gegensatz zu Hillary Clinton oder Sarah Palin in den USA redet Livni aber nicht davon, “Glasdecken” zu durchbrechen. Ihr Geschlecht ist für sie kein politisches Thema. Eher wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel versteht sie sich als nüchterne Sachpolitikerin.

Doch ihre Rivalen, durchweg männlich, lassen sich vor der Vorstandswahl der regierenden Kadima-Partei am 17. September so manchen Seitenhieb nicht nehmen. Wenn über “diese Frau” gesprochen wird oder ihr “Schwäche” vorgeworfen wird, dann ist das für die ehemalige Abgeordnete Naomi Chasan schlicht männlicher Chauvinismus. Die Hinweise auf ihre angebliche Schwäche oder Weiblichkeit sollten nur zeigen, “dass sie nicht würdig ist, die Zügel der Macht in Händen zu halten”, schrieb Chasan jüngst in einem Gastbeitrag in der Zeitung “Jerusalem Post”.

Die 50 Jahre alte Außenministerin setzt mehr auf ausgleichende Rhetorik und nüchterne Politik, was Kritiker ihr als Sanftmut auslegen. Zudem lehnt sie die verschwiegenen Runden der Hinterzimmer ab. Erst vor neun Jahren kam sie nach einer kurzen Karriere beim Geheimdienst Mossad als Schützling des früheren Regierungschefs Ariel Sharon in die Politik. Zuvor war die Mutter zweier Kinder erfolgreiche Wirtschaftsanwältin.

Ihr Vater Eitan Livni war ein Held des zionistischen Untergrundkampfs gegen die britische Besatzung Palästinas. Er wollte Israel bis weit in arabische Gebiete hin ausdehnen. Die Außenministerin hat sich von diesem Traum verabschiedet und die Notwendigkeit einer Teilung des Lands mit den Palästinensern anerkannt. Die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern leitet Livni derzeit. Ihr unterliefen dabei bisher keine großen öffentlichen Fehler, spürbare Fortschritte gab es aber auch nicht.

Verteidigungsminister Ehud Barak spart nicht mit Kritik an Livni. Der frühere Regierungschef würde gerne selbst die Nachfolge des wegen der Verwicklung in Korruptionsaffären zurücktretenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert antreten. Unter Anspielung auf einen Wahlkampf-Spot Clintons, der Barack Obama als unerfahren darstellen sollte, sagte Ehud Barak: Die Außenministerin sei angesichts ihres Werdegangs nicht dafür geschaffen, Entscheidungen zu treffen, “nicht um drei Uhr morgens und auch nicht um drei Uhr nachmittags”. Dabei nutzte er die Langfassung von Livnis Vornamen, Zipora (hebräisch für Vogel), den die Ministerin selbst verachtet, wie einer ihrer Mitarbeiter erklärte. Zahlreiche Medien warfen Barak nach seinen Äußerungen Sexismus vor.

Der nächste Rivale ließ nicht lange auf sich warten. Verkehrsminister Shaul Mofas, ein früherer Verteidigungsminister und Armeechef, werden nach Livni die besten Chancen auf den Kadima-Vorsitz eingeräumt. Er profiliert sich gerne als Hardliner und schwadroniert über einen Angriff auf den Iran. Seine Mitarbeiter lancierten der israelischen Presse bereits, Livni habe “eine schwache Persönlichkeit”.

Israels Krieg gegen den Libanon liegt gerade mal zwei Jahre zurück. Das Land fühlt sich immer wieder von arabischen Nachbarn bedroht, die Bedeutung der Streitkräfte in Israel kann daher kaum überschätzt werden. Einige Abgeordnete wehren sich deswegen auch gegen den Vorwurf, Barak und Mofas seien sexistisch. Rhetorik wie “Ich bin stark und du bist schwach” habe schon immer zur politischen Auseinandersetzung gehört, sagt der langjährige Abgeordnete Michael Eitan. Auch Männer sähen sich dieser Kritik ausgesetzt.

Dann muss Livni allerdings noch die den Frauen gegenüber skeptischen Ultra-Orthodoxen überzeugen, die sie als Mehrheitsbeschaffer für die Regierung brauchen könnte. In deren Augen wäre eine Frau an der Macht “nicht anständig”, sagt Professor Menachem Friedman, ein Experte für die Stellung der Religion in der israelischen Gesellschaft. “Aber wenn sie ihnen gibt, was sie wollen, dann werden sie sie akzeptieren”, sagt Friedman. Livni müsse ihnen wohl Geld für ihre Herzensanliegen zusichern und versprechen kein israelisches Land oder den Status Jerusalems preiszugeben.

Zuletzt übernahm in Israel vor knapp 40 Jahren eine Frau das Amt des Regierungschefs, Golda Meir, die von 1969 bis 1973 die Geschicke des Landes lenkte. Umfragen sehen Livni vor Mofas und Barak, sowohl beim Rennen um den Kadima-Vorsitz als auch bei einer möglichen Parlamentswahl. Nur ihr früherer Rivale, der einstige Regierungschef Benjamin Netanyahu, könnte ihr gefährlich werden.

Doch Livnis großer Vorteil ist, dass sie politisch relativ unverbraucht und vor allem in keinerlei Korruptionsfälle verwickelt ist. Danach sehnen sich die Menschen. “Sie hat ein Image der sauberen Hände und das zu einer Zeit, wo wir anständige und ehrliche Leute suchen”, sagt die Abgeordnete Chasan.

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