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Iren stimmten für EU-Vertrag: Blicke richten sich auf Tschechien

Mit überwältigender Mehrheit haben die Iren in einem zweiten Referendum dem EU-Reformvertrag von Lissabon zugestimmt.
Iren entscheiden über Reform-Vertrag
Irland sagt "Ja" zum Lissabon-Vertrag
Drittes Referendum ausgeschlossen

Damit ist zwar eine neue Krise der Europäischen Union auf dem Weg zu einer umfassenden Reform abgewendet. Alle Blicke richten sich nun aber auf Tschechien und Polen. Dort müssen noch die jeweiligen Präsidenten zustimmen. Vor allem in Tschechien zeichnet sich eine neue Zitterpartie ab. Dort ziert sich Staatschef Vaclav Klaus weiter, den Lissabonner Vertrag schnell zu ratifizieren.

Während der polnische Präsident Lech Kaczynski nach der Zustimmung der Iren seine Unterschrift nicht länger verweigern möchte, drückt Klaus weiter auf die Bremse. Er werde erst ein Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts abwarten, bevor er über seine Unterschrift nachdenke, sagte der Präsident. Seine Unterschrift sei nicht “die Frage von heute”. Dem Lissabon-Vertrag müssen alle 27 EU-Länder zustimmen, bevor er in Kraft treten kann. Das Abkommen soll die EU demokratischer machen und ihr in der Welt mehr Gewicht geben. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso kündigte für Mittwoch ein Spitzentreffen mit der tschechischen Regierung in Brüssel an.

Zunächst machte sich jedoch Erleichterung breit: Beim zweiten Anlauf segneten die Iren den Vertrag mit deutlicher Mehrheit ab: 67,1 Prozent stimmten bei dem Referendum am Freitag für den Vertrag, das Nein-Lager kam auf 32,9 Prozent. Das ist ein massiver Umschwung im Vergleich zum ersten Referendum im Juni 2008. Damals kamen die Nein-Sager noch auf 53,4 Prozent. Auch die Wahlbeteiligung lag dieses Mal mit 58 Prozent über der vom vergangenen Jahr.

“Die Iren haben mit klarer Stimme gesprochen. Es ist ein guter Tag für Irland und ein guter Tag für Europa”, sagte der irische Premier Brian Cowen am Samstag in Dublin. Mit dem Votum zeigten die Iren, dass sie “im Herzen Europas bleiben wollen”. Das Ja ist auch eine große Erleichterung für die irische Regierung: Sie wäre bei einem neuerlichen Nein bedenklich ins Wanken geraten.

Bei der Abstimmung der Iren spielte Beobachtern zufolge weniger die europäische Reform als wirtschaftliche Sorgen eine Rolle. Da Irland so tief wie kaum ein anderes Land in der EU in der Krise steckt, erhoffen sich viele Menschen Hilfe aus Brüssel. Zudem hatte die irische Regierung von der EU Zusagen verlangt – zum Beispiel, dass das Abtreibungsverbot nicht untergraben wird und Irland einen eigenen EU-Kommissar behält. Vertragsgegner wie der irische Millionär Declan Ganley, dessen Libertas-Bewegung gegen den Vertrag mobil gemacht hatte, warfen der Regierung eine Einschüchterung der Wähler vor.

Unterdessen gratulierten den Iren Staats- und Regierungschefs aus ganz Europa, unter ihnen der amtierende EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt, der britische Premierminister Gordon Brown, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.

In Österreich erklärte Bundespräsident Heinz Fischer, das europäische Projekt habe durch das irische “Ja” eine “wichtige und wertvolle Unterstützung” erhalten. Bundeskanzler Werner Faymann (S) sagte gegenüber dem ORF, man sei noch nicht soweit, sagen zu können, dass der Lissabon-Vertrag gelte, aber die Zustimmung der Iren sei ein “wesentlicher Schritt”. Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll (V) sprach von einem “klaren Bekenntnis zu einem gestärkten Europa”. Außenminister Michael Spindelegger (V) sah in dem irischen Ja einen “deutlichen Vertrauensbeweis für die EU“.

Der Außenpolitische Sprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen, begrüßte das irische Votum ebenfalls. Enttäuscht zeigten sich hingegen die FPÖ und die Liste Martin. Der FPÖ-Europaabgeordnete Andreas Mölzer beklagte, dass die irischen Bürger “plump bedroht” und “gekauft” worden seien, Hans-Peter Martin sprach von einem “Pyrrhussieg für die gegenwärtige EU“. BZÖ-Generalsekretär Stefan Petzner wertete die zweite Abstimmung zum EU-Vertrag in Irland und deren Ergebnis als eine “folgenschwere Niederlage für die Demokratie”.

Der Lissabon-Vertrag folgt der EU-Verfassung nach, die Franzosen und Niederländer in Volksabstimmungen 2005 abgeschmettert hatten. Europa müht sich seit acht Jahren um eine Reform und hofft nun, dass der Vertrag endgültig in Kraft treten kann. Barroso rief deshalb Tschechien und Polen zu schnellem Handeln auf. Bei dem Treffen mit EU-Ratspräsident Reinfeldt und dem tschechischen Premier Jan Fischer soll das weitere Vorgehen beraten werden.

Parlament und Senat in Prag haben den Vertrag bereits gebilligt. Premier Fischer sagte, er sei “überzeugt, dass der Ratifizierungsprozess in einer Weise abgeschlossen werden kann, die es dem Lissabon-Vertrag erlaubt, bis Ende 2009 in Kraft zu treten”. Allerdings ist noch eine Klage gegen den Vertrag vor dem Verfassungsgericht in Brünn anhängig.

Medienberichten zufolge wird der tschechische Präsident Klaus bei seiner Verzögerungstaktik von den britischen Konservativen unterstützt, die im kommenden Jahr auf einen Wahlsieg hoffen und dann die Diskussion über den Vertrag von neuem beginnen wollen. Der britische Oppositionsführer David Cameron bekräftigte nach dem Ja der Iren seine Ablehnung des Vertragswerks. “Wir wollen ein Referendum haben”, sagte er am Sonntag gegenüber der BBC. In Umfragen liegen die Tories weit vor der regierenden Labour-Partei von Premier Gordon Brown.

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