Irak: Verhandlungen gehen weiter
Der Zeitplan für die Ausarbeitung einer neuen irakischen Verfassung konnte nicht eingehalten werden. Die konstituierende Nationalversammlung in Bagdad hat in der Nacht auf Dienstag die Frist um eine Woche bis zum 22. August verlängert. Umstritten sind nach wie vor der Umfang der Vollmachten der einzelnen Regionen, die Aufteilung der Öleinnahmen und die Rolle der islamischen Religion im Staatsgefüge. Vertreter der Kurden gaben den Sunniten die Hauptschuld am Scheitern der Gespräche über einen definitiven Verfassungsentwurf.
Die sunnitischen Araber hätten die von den Schiiten und den Kurden vorgeschlagene Formel für eine föderale Staatsordnung abgelehnt, hieß es. Während die Sunniten für eine starke Zentralgewalt in einem Einheitsstaat sind, wollen sich die Kurden im Norden und die Schiiten im Süden Eigenständigkeit sichern und einen lockeren Föderalismus festschreiben. Die Kurden hatten ursprünglich Anspruch auf die alleinige Verfügungsgewalt über die Bodenschätze in ihrer Region erhoben. Die vom Chef der größten Schiitenpartei SCIRI (Oberster Rat für die Islamische Revolution im Irak), Abdel Aziz al-Hakim, erhobene Forderung nach einem schiitischen Teilstaat war bei den Sunniten auf entschiedene Ablehnung gestoßen.
Die konstituierende Nationalversammlung war Ende Jänner gewählt worden. Den Sieg hatte die konservativ-religiöse Schiiten-Allianz unter der Autorität von Großayatollah Ali al-Sistani davongetragen. Von den Sunniten waren die Wahlen mehrheitlich boykottiert worden.
Die USA hoben trotz Nichteinhaltung der selbst gesetzten Frist die Fortschritte bei der Ausarbeitung der Verfassung heraus. Präsident George W. Bush erklärte am Montag (Ortszeit), er spende den heldenhaften Bemühungen der irakischen Verhandlungspartner Beifall. Ihre Anstrengungen seien ein Beispiel dafür, dass schwierige Probleme friedlich durch Verhandlungen und Kompromisse gelöst werden könnten. US-Außenministerin Condoleeza Rice sagte, das irakische Parlament brauchte ein wenig mehr Zeit, um Kompromisse zu finden. Es gebe schon substanzielle Fortschritte. Angesichts der Entwicklung im Irak ist die US-Regierung laut einem Bericht der Washington Post von ihren ursprünglichen Zielen für das Land abgerückt. Washington strebe nicht mehr eine modellhafte Demokratie an, berichtete die Zeitung unter Berufung auf ungenannte Regierungsvertreter in Washington und Bagdad. Die Probleme bei der Ausarbeitung der Verfassung machten die Lücke zwischen den US-Erwartungen und der Realität deutlich.
Über die bestehenden Hindernisse gab es unterschiedliche Angaben. Von schiitischer Seite hieß es, Probleme gebe es wegen Frauenrechten sowie mit einem möglichen Recht der Kurden, sich vom irakischen Staat loszusagen. Ministerpräsident Ibrahim al-Jaafari nannte die Verteilung der Einnahmen aus Ölexporten und den Föderalismus, womit auch er kurdische Autonomiebestrebungen gemeint haben dürfte.
Die katholischen Bischöfe der USA haben Garantien für die Religionsfreiheit in der künftigen irakischen Verfassung eingemahnt. Die US-Regierung müsse die irakische Führung dazu bewegen, auch den Minderheitsreligionen Besitzrechte und Vereinigungsfreiheit für gemeinnützige Zwecke und Bildung zu garantieren, heißt es laut Kathpress in einem Brief der römisch-katholischen Bischofskonferenz an US-Außenministerin Condoleezza Rice und Sicherheitsberater Stephen Hadley. Es sei unstrittig, dass der Islam heute die prägende Religion im Land sei. Gleichwohl müsse verhindert werden, dass er zur Staatsreligion oder zur einzigen Quelle des Rechts erhoben werde, betonte die Bischofskonferenz. Im Irak lebten vor dem Krieg annähernd eine Million Christen, die teilweise unter dem laizistischen Baath-Regime Vorteile genossen. Ihre Sicherheitslage hat sich dramatisch verschlechtert.
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