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Irak: Hohe Wahlbeteiligung trotz Terror

Millionen Iraker haben bei den ersten freien Wahlen dem Terror getrotzt und ihre Stimmen abgegeben. Überschattet wurden die Parlaments- und Regionalwahlen am Sonntag vom Boykott der Sunniten und von blutigen Anschlägen.

Dabei starben über 30 Menschen. Die Wahlbeteiligung gab die zentrale Wahlkommission zunächst mit 72 Prozent an, relativierte dies allerdings später als grobe Schätzung. In Deutschland wurde eine rege Wahlbeteiligung der Auslands-Irakern registriert.

Die US-Regierung reagierte zufrieden auf den Wahlverlauf. Außenministerin Condoleezza Rice erklärte: „Das ist ein großartiger Tag, aber harte Arbeit liegt noch vor uns“. Auch US-Präsident George W. Bush fühle sich „unheimlich ermutigt“ und sei sehr erleichtert, sagte sie am Sonntag dem US-Fernsehsender Fox News. Der UNO-Chefberater für die Wahlen, Carlos Valenzuela, bezeichnete die Berichte über den Wahlverlauf „ermutigend“.

Die Wahlkommission machte am Sonntagabend einen vorsichtigen Rückzieher und betonte, bei den ersten Angaben über eine Wahlbeteiligung von 72 Prozent seien manchmal Zahlen nicht repräsentativer Wahllokale auf den ganzen Distrikt hoch gerechnet worden. Vertreter der Kommission meinten später, dass 8 Millionen der 13 Millionen registrierten Wähler abstimmten – das wären knapp über 60 Prozent. Aber auch dies seien nur grobe Schätzungen. Mit der Auszählung der Stimmen wurde am Abend begonnen, mit Ergebnissen wird frühstens in einer Woche gerechnet.

„Dies ist ein historischer Tag für den Irak, ein Tag, an dem die Iraker erhobenen Hauptes gehen können, weil sie den Terroristen widerstehen und beginnen, ihre Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen“, sagte Ministerpräsident Iyad Allawi bei der Stimmabgabe am Morgen. Auch Bagdads Bürgermeister Alaa al-Tamimi war sichtlich bewegt. „Was ich sehe, ist unbeschreiblich“, sagte er. „Dies ist eine Wahl für die Zukunft, für die Kinder, für den Rechtsstaat, für die Menschlichkeit, für die Liebe.“

In der Hauptstadt verzeichneten vor allem Wahllokale in schiitischen und christlichen Vierteln regen Zulauf. „Heute ist ein Freudentag“, riefen Männer und Frauen in Bagdad. „Dieser Tag markiert ein für alle Mal den Untergang des despotischen Regimes von Saddam Hussein“, sagte ein junger Wähler im Wahda-Viertel. Der frühere Außenminister Adnan Pachachi sagte: „Trotz der Angst wegen der schlechten Sicherheitslage, hat sich eine große Zahl von Menschen entschlossen, ihre demokratische Pflicht zu erfüllen“.

Auch in Deutschland gaben am Sonntag, dem letzten der drei Wahltage für Auslandsiraker, noch einmal Tausende ihre Stimmen ab. Die Organisatoren von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sprachen von einer guten Resonanz bei den Abstimmungen in Berlin, Köln, München und Mannheim. Bundesweit hatten sich 26.416 Wähler – 47 Prozent der hier lebenden Iraker – registrieren lassen. In Österreich lebende Iraker mussten zur Stimmabgabe nach Deutschland fahren.

In den irakischen Städten des so genannten sunnitischen Dreiecks blieb die Wahlbeteiligung wie erwartet sehr niedrig. So waren die Wahllokale in der nördlich von Bagdad gelegenen Stadt Beji völlig leer. Aus Ramadi und dem Süden der einstigen Rebellenhochburg Falluja, in der laut Al-Arabiya nur wenige Tausend Iraker ihre Stimme abgaben, wurden Kämpfe zwischen Rebellen und US-Soldaten gemeldet. In Hit kontrollierten bewaffnete Aufständische die Straßen. In der nördlichen Provinz Salaheddin war die Wahlbeteiligung in allen mehrheitlich sunnitischen Städten extrem niedrig.

In den Schiiten-Städten und im kurdischen Norden bildeten sich dagegen zum Teil Warteschlangen vor den Wahllokalen, während Helfer die Wähler nach Waffen und Sprengstoff abtasteten. In Najaf gaben rund 80 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Die schiitischen Religionsgelehrten hatten die Teilnahme an den Wahlen zur religiösen Pflicht erklärt. Verteidigungsminister Hasim Shaalan wertete die Selbstmordattentate als „vereinzelte Operationen“.

Unklar war zunächst der Hintergrund eines Absturzes einer britischen Transportmaschine nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad. Das britische Verteidigungsministerium bestätigte den Absturz, konnte aber nicht sagen, wie viele Insassen an Bord waren. Nach Angaben des Ministerium handelt es sich um eine Maschine vom Typ Hercules C-130.

Wegen der strengen Sicherheitsvorkehrungen konnten Terroristen die mit Betonmauern und Stacheldraht gesicherten Wahllokale nicht angreifen. Dafür sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter unter anderem in Bagdads Schiiten-Vorstadt Sadr-City in die Luft. Zu mehreren Attentaten bekannte sich die Terrororganisation des Jordaniers Abu Musab al-Zarqawi. Ein Selbstmordattentäter sprengte sich in der Provinz Babylon südlich von Bagdad in einem Kleinbus mit Wählern in die Luft und riss drei Menschen mit in den Tod. Aus allen Landesteilen wurden Mörserangriffe gemeldet.

Bei den ersten weitgehend freien Wahlen seit mehr als 50 Jahren waren die Iraker dazu aufgerufen, die 275 Abgeordnete einer Nationalversammlung zu bestimmen. Zudem wurde über die Zusammensetzung der 18 Provinz- sowie des kurdischen Regionalparlaments abgestimmt.

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