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Irak: Höchststrafe für US-Soldaten

Im ersten Militärprozess um die Misshandlung irakischer Gefangener im US-Armeegefängnis Abu Ghraib hat das Gericht mit einem Jahr Haft am Mittwoch die Höchststrafe verhängt.

Bei der Erinnerung an die Gefangenenmisshandlungen im Gefängnis von Abu Ghraib verliert der erste angeklagte US-Soldat vor dem Militärgericht in Bagdad schon bald die Fassung. Nach einem zackigen „Yes, Sir“ werden die Sätze während der Verhandlung am Mittwoch erst monoton. Dann schildert der Militärpolizist Jeremy Sivits mit tränenerstickter Stimme und langen Pausen im Einzelnen, wie Häftlinge in dem schon unter Saddam Hussein berüchtigten Gefängnis gequält und sexuell erniedrigt wurden. Obwohl er damit die Erwartungen seiner Rolle als Belastungszeuge erfüllt, verurteilt ihn das Gericht zu einem Jahr Haft, und damit zu der in seinem Fall zulässigen Höchststrafe.

„Ich habe alle hängen lassen. Aber das bin ich nicht“, sagt Sivits dem US-Militärrichter Oberst James Pohl um Gnade bittend. Die breiten Schultern in eine wüstenfarbene Kampfuniform gehüllt, hat er vorher geschildert, wie er am 8. November 2003 zum Mittäter wurde. Am Abend habe er, der gelernte Automechaniker, noch Stromgeneratoren gewartet, als Feldwebel Ivan Frederick ihn gerufen habe. Er habe im Hochsicherheitstrakt einen Häftling abführen sollen. Zum Schluss seien etwa sieben Gefangene und drei Wärter zusammen gewesen. Die folgenden 30 Minuten sollten auch sein Leben verändern.

Mit Leinensäcken über dem Kopf hätten sich die Iraker auf den Boden legen müssen, wo ihnen zunächst auf die Hände getreten worden sei, sagt Sivits. Er selber sei daneben gestanden, als sich die Häftlinge zu einer menschlichen Pyramide stapeln mussten. Sie seien bis zur Bewusstlosigkeit und, in einem Fall, bis zur Herzattacke geschlagen worden. Die Iraker hätten vor Soldaten masturbieren und einen Oralverkehr simulieren müssen. Ein Foto der feixenden Soldatin Lynndie England vor nackten Gefangenen ging um die Welt. Sie habe sich über die Größe der Geschlechtsorgane lustig gemacht, sagt Sivits.

Immer wieder fragt der Richter zur Bestätigung, ob er sich schuldig bekenne. „Schuldig“, antwortet Sivit. Dann legen seine Kameraden gute Worte für ihn ein. Darunter ist auch der Militärpolizist, der als Unbeteiligter den Skandal bemerkt und Vorgesetzen gemeldet hat. „Die Leute um uns schauen auf uns herunter, die Welt sieht auf uns herab“, sagt er jetzt. Irakische Journalisten zeigen sich unwirsch, denn darum geht es ihnen nicht. Ein Misshandelter habe sich vor Scham von seiner Frau getrennt und das Heimatdorf verlassen, sagte eine junge Irakerin. Das Opfer sei ein gebrochener Mann. Die Strafe für Sivit sei dafür lächerlich gering.

Die irakische Öffentlichkeit hatte ausschließlich über Medienvertreter Zugang zu dem Verfahren. Verwandte von Opfern und Menschenrechtsorganisationen durften dem streng überwachten Prozess in der vom US-Militär kontrollierten „Grünen Zone“ von Bagdad nicht folgen. Ein Signal für Gerechtigkeit scheint so bei den Irakern am Mittwoch nicht angekommen. Es gehe vor allem darum, dass Unteroffizier Sivits Gerechtigkeit widerfahre, hatte US-Militärsprecher General Mark Kimmitt dazu vor dem Verfahren gesagt. Und: „Wir wollen keinen Schauprozess veranstalten.“

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