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Interview mit Senekowitsch

Interview mit dem ehemaligen österreichischen Fussball-Teamchef Helmut Senekowitsch.

NEUE: Wie beurteilen Sie als Ex-Teamchef den ersten Kader des
nunmehrigen Teamchefs Hans Krankl?
Helmut Senekowitsch: Er beweist Mut, weil er auf einige Spieler
verzichtet, die jetzt zu Recht nicht mehr dabei sind. Dass ein
Österreicher Teamchef geworden ist, freut mich besonders. Aber leicht
hat er’s nicht. Denn er hat nicht das Spielerpotenzial zur Verfügung,
das ich damals hatte mit Krankl, Prohaska, Hattenberger oder Pezzey.
Ich hoffe nur, dass Krankl jetzt Glück hat, denn es ist schwierig.
Warum ist Österreich im Fußball international nicht mehr konkurrenzfähig?
Das größte Problem ist, dass es uns zu gut geht. Wir haben ein
Wohlstandsproblem. Die Armut in Südamerika und Afrika bringt dort die
vielen guten Fußballer hervor.
Weil Fußball als Leiter für den sozialen Aufstieg dient.
Genau. Dafür eignet sich Fußball, weil man dafür am Anfang keine
Ausrüstung braucht, nicht einmal Schuhe. Auf den schlechten Plätzen
lernt man, den Ball zu behandeln, dass er wie Kaugummi an den Füßen
klebt. Zu unserer Zeit waren die Wiesen auch keine Tische. Da hat man
gelernt, zuerst Grasbüschel zu überspielen und dann Gegner. Aber
mittlerweile ist alles anders, und sogar Deutschland hat große
Probleme. Die einzigen in Europa, die ganz vorne sind, sind die
Franzosen, weil ihre Jugendarbeit, wie auch in Holland, hervorragend
ist. Dort muss jeder Oberhausklub eine Nachwuchs-Akademie betreiben.
Davon sind wir weit entfernt.
Wir kicken also deshalb so schlecht, weil es uns zu gut geht und die
Nachwuchsarbeit mangelhaft ist.
Ja, wir haben uns zwar ein bisschen was von den Franzosen abgeschaut
und betreiben Leistungszentren und zwei Nachwuchs-Akademien, aber das
ist viel zu wenig. Man müsste noch viel mehr tun. Der Nachwuchs wird
zwar nach außen hin propagiert, aber es gibt zu viele, die dann doch
nicht genug dafür tun. Ein weiteres Problem ist das Bosman-Urteil –
eine Katastrophe.
Das Bosman-Urteil war ja mit guten Absichten verbunden – es brachte
mehr Freiheiten für Spieler. Aber die Folgen sind problematisch.
Viele kleine Vereine lebten davor vom Verkauf guter Spieler, das
fällt jetzt bei Vertragsende weg. Nun gibt es auch im Fußball das
Problem der Globalisierung – die Reichen werden immer reicher und die
Armen immer ärmer.

Die Generation, die 1978 für den bislang letzten großen Höhepunkt
fürs Österreichs Team sorgte, hatte diese Probleme nicht.
Den Spielern der 50er-Jahrgänge ging es noch nicht so gut, dass sie
statt Fußball auch Golf spielen hätten können. Bruno Pezzey war
Jahrgang 1955 und konnte damals seine Schultasche in eine Ecke werfen
und auf Wiesen Fußball spielen. Mittlerweile ist der Wohlstand
ausgebrochen und das Angebot an Sportarten und anderen
Freizeitaktivitäten viel größer geworden.
Spiegelt die Nationalmannschaft die gesellschaftlichen Verhältnisse
wider? Wenn es unserem Nationalteam schlecht geht, geht es uns sozial
gut?
So ist es. Wir waren daheim acht Kinder und hatten keinen Ball und
keine Fußballschuhe. Erst bei meinem ersten Verein, Hertha Graz, habe
ich meine ersten Schuhe bekommen.
Und irgendwann wurden Sie Nationalspieler.
Ich habe 19mal für Österreich gespielt und war bei zwei
Weltmeisterschaften dabei, 1958 in Schweden als Aktiver, 1978 als
Teamchef.
Wann wird Österreich wieder einmal, so wie zuletzt 1978 unter Ihrer
Leitung, bei einer WM den siebenten Platz belegen?
Ich werde das leider nicht mehr erleben, da müsste schon ein Wunder
geschehen. Mein größter Wunsch wäre, dass wir erstmals bei einer EM
dabei sein könnten.

Auch deshalb bewirbt sich Österreich ja mit der Schweiz um die
Austragung der EM-Endrunde 2008.
Ich hoffe, dass wir die EM bekommen. Das würde unserem Fußball
guttun, Geld und Ansehen bringen. Wir bekämen schöne, größere Stadien.
Teure Stadien, die für die Bundesliga zu groß wären.
Man sosllte sich das Verhältnis der öffentlichen Ausgaben zwischen
Sport und Kultur ansehen – 1:5. Ich mag Theater gern, aber Sport ist
wichtig für die Gesundheit und wichtiger als Theater. Es kann doch
nicht sein, dass in der Kultur Placido Domingo für einen Abend um
eine Million Schilling aus Steuergeldern verpflichtet werden kann,
und im Fußball soll die Wirtschaft zahlen.
Fußball ist doch auch eine Form von Theater und wird subventioniert.
Schon, aber wie lange dauern im Jahr die Bregenzer Festspiele – und
wie hoch werden sie subventioniert? Das steht doch in keinem
Verhältnis zur viel geringeren Sportförderung. Zumal durch Fußball ja
auch wieder viel mehr Geld hereinkommt als im Theater.
Schlusspfiff im überharten Match zwischen Sport und Kultur: Haben Sie
1997 bei der Vienna ihre Trainerlaufbahn beendet?
Ja, wir haben damals das Cupfinale gegen Sturm Graz 1:2 verloren. Auf
den Schiedsrichter bin ich heute noch bös’.
Als Klubtrainer waren Sie international tätig – in Griechenland,
Zypern, Spanien, Mexiko, Deutschland und Österreich. Welche
Erinnerungen haben Sie etwa an Eintracht Frankfurt?
Dort war ich 1982 für zehn Monate. Wir hatten kein Geld, und der
Präsident war der Faschingsprinz. Einige der besten Spieler waren
verkauft worden, und Bruno Pezzey war mit einem Bändereinriss am
Knöchel verletzt. Werner Lorant war einer meiner Spieler. Er war
schon damals beinhart, auch zu sich selbst. Wer steht, der liegt, war
sein Motto.

Welches Bild hatten Sie vom Menschen und Fußballer Bruno Pezzey?
Er war großartig, als Spieler und als Mensch. Mit ihm hatte ich nie
ein Problem. Als Trainer kann man sich keinen Besseren wünschen. Er
hat immer sein Bestes gegeben und hielt die Mannschaft zusammen.
Bruno war hochintelligent und liebenswert. Auf ihn hast du dich
verlassen können.
War das Nationalteam von 1978 so gut, oder wird es nostalgisch verklärt?
Es war so gut. Es hätte sogar noch ein bisschen mehr erreichen
können. Aber manche Spieler waren sich gar nicht bewusst, wie gut sie
waren. Ich habe geglaubt, dass Österreich bei der nächsten WM mit dem
Stamm von 1978 noch besser abschneiden müsste, was aber leider nicht
der Fall war. 1978 hätten wir unter die besten Vier kommen können,
wenn wir gegen Italien nicht 0:1 verloren hätten, und dieses Spiel
wäre zu gewinnen gewesen. Aber leider haben Strasser und Koncilia
einen spielentscheidenden Fehler gemacht, den der kleine Italiener
genützt hat.
Paolo Rossi.
Ja, genau der.

So träumt Fußball-Österreich weiterhin von Cordoba und damit von
vergangenen besseren Zeiten.
Österreich hatte davor Deutschland ja noch in keinem Bewerbsspiel
schlagen können. Wir haben das aber mit dem 3:2 geschafft und damit
die Deutschen aus dem WM-Turnier geschossen. Das tut uns heute noch
gut. Es ist nicht zu glauben, welche Erinnerungen die Leute haben,
wenn sie meinen Namen hören. Das passiert mir selbst in Deutschland
immer noch: “Sie sind doch der, der uns damals in Cordoba geschlagen
hat.”

Damals war SW Bregenz nicht im nationalen Oberhaus vertreten. Welche
Perspektiven sehen Sie nun für den Vorarlberger Klub?
Was wird aus Bregenz werden? Das frage ich mich auch. Wie lange kann
ein Klub mithalten, der im Vergleich zu anderen kein Geld hat?
Bregenz hat offenbar einen Präsidenten, der viel Geld in den Verein
steckt. Aber im Gegensatz zum Theater pumpt im Fußball der Chef
eigenes Geld hinein und wird möglicherweise von der Finanz auch noch
bestraft, wenn er erwischt wird.
Das Interview führte Seff Dünser.

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