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Internationale Pressestimmen zum Strache-Skandal

Ein Video brachte den ehemaligen Vize-Kanzler zu Fall.
Ein Video brachte den ehemaligen Vize-Kanzler zu Fall. ©AFP / Screenshots
Der Skandal um den kürzlich zurückgetretenen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) schlägt Wellen auf der ganzen Welt.

Weltweit wird im Moment hitzig über den ehemaligen Vizekanzler und seine “Ibiza-Affäre” diskutiert. Hier eine Sammlung der internationalen Pressestimmen zum Strache-Skandal.

“Sme” (Bratislava):

“Wir wissen nicht, wer die Frau ist, die vortäuschte, in die FPÖ investieren zu wollen und sich dann zum Beispiel über Bauaufträge belohnen zu lassen. Das wussten auch die Politiker nicht, die sich in so einen Geschäftsvorschlag hineinlocken ließen. Dafür glänzten sie mit Vorschlägen, wie sie das Gesetz umgehen könnte. Die Entscheidung von Bundeskanzler Kurz für vorgezogene Neuwahlen ist zu begrüßen. Aber wer ein bisschen aufgepasst hatte, brauchte doch kein solches kompromittierendes Video aus Ibiza, um sich ein Bild von dieser Freiheitlichen Partei zu machen.”

“L’Humanité” (Paris):

“Der Sturz von Heinz-Christian Strache in Österreich erinnert daran, dass Rechtschaffenheit und rechtsextreme Gesinnung nichts gemein haben; dass diejenigen, die diese Fremdenfeinde befördern, selbst reine Brandstifter sind. Und dass der Aufstieg nationalistischer Populisten in Europa nicht unaufhaltsam ist. Es ist auch ein Fingerzeig an (Frankreichs Präsidenten) Emmanuel Macron. Er hat als erster im Elysée-Palast den konservativen österreichischen Kanzler Sebastian Kurz empfangen, als dieser gerade sein Bündnis mit diesen Leuten (der FPÖ, Anm.) geschlossen hatte.”

“Aftonbladet” (Stockholm):

“Die Regierungskrise in Österreich sollte Folgen in der gesamten EU haben. Der Skandal zeigt mit aller wünschenswerter Deutlichkeit, mit welchen Kräften Kurz gespielt hat und wie unfähig er war, diese zu bändigen. Das sollte Nachwirkungen auf den ganzen Kontinent haben, weil die ungezwungene Haltung von Kurz gegenüber der FPÖ als Vorbild angeführt worden ist. Finnlands früherer Ministerpräsident Alexander Stubb hat ihn als den Erlöser der konventionellen Rechten beschrieben. Die europäischen Mitte-Rechts-Politiker, die mit dem Gedanken spielen, ‘einen Kurz zu machen’, sollten beachten, dass die FPÖ nicht die einzige Partei am rechten Rand ist, die warme Gefühle für Putins autoritären Staat hegt.”

“Adevarul” (Bukarest):

“In Mailand hätte die große Wahlkampfkundgebung der extrem rechten Parteien in Europa die Botschaft vermitteln sollen, dass alle ihre Führer auf der gleichen Wellenlänge sind (…) Es war eine europäische Kundgebung, die diesmal sehr offensichtlich und unleugbar die Peinlichkeit des großen Skandals überwinden musste, der das politische System in Österreich erschüttert hat – nämlich das Auftauchen eines Video-Bekenntnisses zur Beteiligung des österreichischen Vizekanzlers und Vorsitzenden der mitregierenden Partei FPÖ an einem Gespräch, in dem als Gegenleistung für die Schaffung von Vorteilen in Beziehungsgeflechten und Politik in Österreich russisches Geld angenommen wurde.

Das ist äußerst unangenehm (…) Aber es bedeutet nicht etwa, dass wir die politische Kraft der zwölf Parteien unterschätzen sollen, die sich in Mailand versammelt haben und die nächste Woche offiziell bekanntgeben werden, dass sie sich zu einer neuen nationalistischen Fraktion im EU-Parlament vereinigen wollen. Aus Brüssel ist jetzt zu hören, dass diese etwa ein Drittel der (EU-)Parlamentarier stellen werde.”

“Rzeczpospolita” (Warschau):

“Eine Woche vor der Wahl des Europaparlaments, die als großer Test für die Zukunft der EU gilt, haben wir plötzlich ein politisches Erdbeben in Österreich. (…) Viel weist darauf hin, dass die Aufdeckung des Falls zu gerade diesem Zeitpunkt nur indirekt darauf abzielte, den Chef der FPÖ (Heinz-Christian Strache, Anm.) in die Krise zu stürzen (…). Das eigentliche Ziel ist aber der ehrgeizige junge Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP, Anm.). Die Tatsache, dass er fast unmittelbar nach Aufdeckung des Skandals Neuwahlen ankündigte, zeugt davon, dass er sich dessen bewusst ist, wer das Hauptziel der gerade begonnenen Jagd sein kann. (…)

Die Aufdeckung des Strache-Skandals durch zwei der wichtigsten deutschen linksgerichteten Pressetitel ist also Teil des politischen Kampfes, der heute in Europa stattfindet. Darüber hinaus wird auch die bekannte Schwäche der konservativen Populisten entblößt: ihr Verhältnis zu Russland, dessen Sinnbild der berühmte Tanz (Wladimir) Putins (russischer Präsident, Anm.) mit der österreichischen Außenministerin (Karin Kneissl, FPÖ, Anm.) geworden ist. Interessant ist jedoch, dass für die beiden deutschen Zeitungen die Beziehungen des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder zu Putin vor 15 Jahren noch keinen Grund zur Sorge darstellten.”

(APA/AFP/dpa)

“Mlada fronta Dnes” (Prag):

“Der Skandal um ein versteckt gedrehten Video, auf dem sich (FPÖ-Chef Heinz-Christian) Strache wie ein skrupelloser Dieb verhält, der die Beute verteilt, bevor er sie überhaupt erlangt hat, hat Österreich zumindest so erschüttert, wie der Vorwurf, dass der (frühere Bundes-)Präsident dieses Landes, Kurt Waldheim, ein Kriegsverbrecher sei (…) Es ist wunderlich, dass es (das Video) zwei Jahre alt ist und erst jetzt vor der EU-Wahl, in der die ‘Nicht-System-Parteien’ Gewinne verzeichnen sollten, veröffentlicht wurde. Außerdem haben es nicht österreichische Medien, sondern die deutsche Tageszeitung ‘Süddeutsche Zeitung’ und das Wochenmagazin ‘Der Spiegel’ bekommen.”

(APA)

“Corriere della Sera” (Rom):

“Die Wiener sind “verstrahlt”, besser, man bleibt ihnen fern. Die Strafe könnte als übertrieben bezeichnet werden. Und vielleicht war sie das auch. Doch Vize-Kanzler Strache hat den saftigen Köder der mysteriösen Aljona Makarowa gegessen.

Sie gibt vor, Nichte eines russischen Oligarchen (…) zu sein, verspricht Geld, Kontakte. Er fantasiert, lässt sich gehen (…). Er fühlt sich wohl, da das Gespräch von seiner rechten Hand, Johann Gudenus (…), organisiert wurde. (…) Wir wissen nicht, wer den Hinterhalt gelegt hat, wir wissen aber, was derjenige zeigen wollte und dass er mit Sicherheit die Straches “Leidenschaften” kannte. (…) Die Honigfalle hat, wenige Tage vor der Europawahl, funktioniert. Ziemlich gut.”

“de Volkskrant” (Amsterdam):

Bundeskanzler Sebastian “Kurz hoffte, durch die Zusammenarbeit mit der FPÖ populistischen Wählern den Wechsel zu seiner ÖVP schmackhaft zu machen. Seine Devise lautete: Isoliere die rechten Nationalisten nicht, sondern umarme sie und versuche sie so zu ersticken. Das hat bis zu einem gewissen Grad funktioniert. Bei Umfragen zur Europawahl lag die ÖVP rund 6 bis 7 Prozent vor der FPÖ. (…)

Der Ibiza-Skandal zwingt Kurz nun dazu, sein Experiment zu beenden. In den letzten 18 Monaten gab es häufiger Spannungen wegen des Auftretens der FPÖ. Die Strache-Affäre hat jedoch zwei Komponenten, die giftig sind und auf die Europa sehr empfindlich reagiert: Gemeinsame Sache mit den Russen zu machen und den Wunsch, Zeitungen zu kontrollieren, wie Ungarns Ministerpräsident Orbán. So hatte Kurz diesmal keine andere Wahl, als sich schleunigst von der FPÖ zu trennen.”

“De Tijd” (Brüssel):

“Eine beklemmende Frage ist, wie stark die Rechtspopulisten im neuen Europaparlament werden. Italiens Vize-Premier und Lega-Chef Matteo Salvini träumt von einer großen Fraktion. Der Rechtspopulismus ist in den vergangenen Jahren infolge der Flüchtlingskrise erstarkt und er bedient sich euroskeptischer Gefühle. Wenn dann noch eine stümperhafte Abwicklung des Brexits hinzukommt, stehen die Zeichen für Populisten auf Sieg, wie die Brexit Party von Nigel Farage in Großbritannien zeigt.

Allerdings bekam Salvinis Traum in der vergangenen Woche einen starken Dämpfer durch den “Ibiza-Skandal” rings um den österreichischen Vize-Kanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. (…) Sicher ist aber, dass die zwei traditionellen Machtblöcke schwächer werden. Sowohl die Christdemokraten als auch die Sozialdemokraten verlieren in fast allen Ländern an Boden. Wie viel das sein wird, ist die Frage.”

(dpa)

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