Wie groß das Förderdefizit in österreichischen Schulen ist, ergibt sich für Gabriele Schmid, Leiterin der Abteilung Bildungspolitik in der Arbeiterkammer Wien, aus einem Vergleich: Jugendliche, die im Ausland in ihrer Muttersprache lesen gelernt haben und dann nach Österreich gekommen sind, können am Ende besser Deutsch lesen, als Migrantenkinder, die in Österreich eingeschult wurden und in der “Fremdsprache” Deutsch lesen gelernt haben. Sie plädiert für muttersprachlichen Unterricht für Migrantenkinder und dafür, Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt in den Lehrberuf zu bringen.
Judy sieht auch nicht Desinteresse an Bildung bei Migranten-Eltern als Ursache für die Probleme am Bildungsweg: “In relativ vielen Migrantenfamilien ist die Wertschätzung für Bildung sehr hoch, aber die Möglichkeit für Förderung gering”, sagt sie. Ob Bildung hoch wertgeschätzt wird, hänge nicht am Migrationshintergrund.
In die gleiche Kerbe schlägt August Gächter vom Zentrum für Soziale Innovation: “Die Eltern sind nicht das Problem”, sagt er. Unter den Migranten hätten 70 bis 95 Prozent der Elterngeneration Pflichtschulabschluss, bei den Kindern seien es um 30 bis 40 Prozentpunkte weniger. “Das ist ein enormer Bildungsfortschritt, mehr konnten die Eltern von sich aus nicht leisten”, sagte Gächter. Die Differenz zu einheimischen Familien – wo Kinder von Eltern mit Pflichtschulabschluss häufiger einen besseren Abschluss schaffen – hätte das Bildungssystem leisten müssen.
Migrationssprachen seien zu unterrichten, wünscht sich auch Schmid. Sie kritisiert, dass zum Beispiel Türkisch in österreichischen Oberstufen nicht als Zweitsprache anerkannt, eine Matura nicht möglich sei. Und ganz abgesehen von der Integration der Jugendlichen wäre es auch volkswirtschaftlich sinnvoll, wenn zahlreiche Österreicher auf höchstem Niveau türkisch oder serbisch/kroatisch könnten, schließlich hat Österreich mit diesen Ländern intensive Wirtschaftsbeziehungen, ergänzt Josef Wallner von der Abteilung Arbeitsmarkt der Arbeiterkammer Wien.
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