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Ins Offene

Viel Lebensraum für Bewegung
Viel Lebensraum für Bewegung ©Anna Ritsch
Zwei Seelen, ach! Die Erinnerung an besondere Orte schenkt uns Momente entspannten Durchatmens, doch sogleich holen wir tief Luft, um uns in den Trubel, die Lust des Lebens zu stürzen – um Gas zu geben.
Haus Fink in Schwarzach

Dieser Pendelschlag ist im Haus Fink stark zu spüren. Einst von der Oma bewohnt, war es damals Ziel mancher Ferien-Reise aus dem beschaulichen Bezau ins aufregende Rheintal – ein bisschen Stadtluft. Die unmittelbare Nachbarschaft einer großen Holzfabrik, die Lage am Rande der Ortschaft tat das ihre. Rund 150 Jahre alt, gemauertes Erdgeschoß mit aufgesetztem Strickbau, verschindelt, Klebedächer, großes Dach: Ein Rheintalhaus bescheidenen Zuschnitts, Heim von Nebenerwerbsbauern, lange Zeit, doch die ist vorbei.

In die Jahre gekommen, seiner Bestimmung verlustig – das ist nichts Ungewöhnliches. Doch ein Haus ist eben nicht bloß Sach‘, und die Entscheidung des jungen Erben, wie damit umgehen, macht zu aller erst deutlich, dass Liebe zu dem alten Haus im Spiel gewesen sein muss. Mit welcher Sorgfalt die Haut geliftet wurde! Neu die Biberschwänze, die Schindeln, die Fenster, der Putz des Sockels – unter Beibehaltung der typischen, handwerklich anspruchsvollen Details. Dass damit alle Bauteile nach neuesten Standards energetisch vergütet wurden, versteht sich hier von selbst.

Dabei stoßen unsere heutigen Ansprüche an die Grenzen der Konstruktion solch alter Häuser. Logisch also die Entscheidung des Architekten, an dieser Stelle einen scharfen Schnitt anzusetzen. Dem Strickbau wurde innenseitig eine neue Konstruktion eingefügt, die Dämmung und Installation birgt und die eine deutlich neue Oberfläche der Wand bildet. Umgekehrt wurde dem Sparrendach eine statische mitwirkende Konstruktion aufgesetzt, die Wand, Dämmung und Dachdeckung stellt. So kommt es, dass lediglich der alte Dachstuhl den ansonsten komplett neuen Allraum durchdringt – ein Gespinst aus anderen Zeiten.

Dieser Schnitt wird mit dem Innenausbau radikalisiert: Ist die Innenseite des alten Hauses noch in gewohnter Massivholzschalung, so setzt sich das eigentliche „Innen“ entschieden ab: Einbauten aus Holzwerkstoff, geschliffene OSB-Platten, weiß gekalkt. Ein Baustoff, der üblicherweise beim Endausbau verschwindet, da „minderwertig“ – doch er ist preiswert und robust. Und schaut aus, als trage er ein wildes Ornament. Diese eigentlich grobe Anmutung ist wohl gewählt, steht in Kontrast zu der sanften Oberfläche der Schalung, wird demgegenüber aber nobilitiert durch anspruchsvolle, feine Verarbeitung – so die Fügung der Tafeln auf Gehrung, was den Einbauten eine monolithische Anmutung verleiht. Die wiederum in Kontrast zur Linearität von Wand und Dachstuhl steht.

Nimmt man den geschliffenen Estrich (mit Bodenheizung) über dem Erdgeschoß, die zugehörigen Treppenbrüstungen aus massiven Stahlplatten und die Beleuchtung durch offenliegende Leuchtstoffröhren hinzu, so entsteht ein komplexes Raumgebilde, das seine feine Ruppigkeit selbstbewusst zur Schau stellt. Man meint den Bauherrn zu hören: Bei aller Liebe, Oma – heute will ich anders wohnen!

Ein solcher Raum fordert zu seiner Entfaltung geradezu Offenheit, fließende Übergänge – was wiederum mit dem neuen Leben des jetzigen Bewohners mit Freundin zusammenstimmt. Auf mehreren Ebenen entfalten sich Kochen, Essen, Wohnen – Grenzen unbestimmt. Logisch, dass Schlafzimmer und Bad in diesem Monolith verschwinden. Ein Familienleben in geordneten Bahnen ist in diesen Räumen kaum denkbar, doch wäre ein herkömmliches Haus mit Zimmern und Stuben ein Korsett für ein Leben, das im großen Freundeskreis mit viel Begegnung gelebt wird. Anderswo würde man zu so etwas wohl sagen: ein Loft – aber hier? Was soll‘s: „It‘s all right now / it‘s a gas / jumpin‘ jack flash / it‘s a gas! gas! gas!“

 

DATEN & FAKTEN

Objekt: Haus Fink, Schwarzach

Wohnfläche: 140 m²
 

Bauherr: Thomas Fink, Nr. 2 UTC Egg

Planung: Markus Innauer, Dornbirn www.markusinnauer.com

Ausführung:
Rohbau/Holzbau: Michael Kaufmann Zimmerei, Reuthe
Fenster: Timo Spezial Holz Fenster Türen, Bezau
Dachdecker: Roman Moosbrugger, Bezau
Innenausbau: Michael Kaufmann Zimmerei, Reuthe und Martin Greußing, Bezau
Schlosser: Alexander Dür, Lingenau
Schindeln: Hermann Moll, Mellau
Heizung/Sanitär: Martin Fink, Bezau

(Leben & Wohnen/Florian Aicher)