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Impfstoffe: Kurz und EU-Kollegen drängen auf "Korrekturmechanismus"

Kanzler Kurz: "So wie es ist, so soll es nicht bleiben."
Kanzler Kurz: "So wie es ist, so soll es nicht bleiben." ©Twitter, APA
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und mehrere EU-Amtskollegen haben auf einen "Korrekturmechanismus" bei der Impfstoffverteilung in der Europäischen Union gefordert.
Kurz: Ungleiche Verteilung in EU
Ministerium widerspricht Kurz

"So wie es ist, so soll es nicht bleiben", sagte Kurz am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Regierungschefs Andrej Babis (Tschechien), Bojko Borissow (Bulgarien) und Janez Jansa (Slowenien) in Wien. Damit sollen die Unterschiede in den Durchimpfungsraten der Mitgliedsstaaten behoben werden.

Keine konkreten Vorschläge

Konkrete Vorschläge blieben die vier Regierungschefs, die zuvor auch mit ihren Kollegen aus Kroatien (Andrej Plenkovic) und Lettland (Krisjanis Karins) per Video beraten hatten, schuldig. "Wenn eine Situation kompliziert ist, dann ist sie auch nicht einfach aufzulösen", sagte der Kanzler. Er deutete an, dass dabei auch die zuvor von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekannt gegebene zusätzliche Lieferung von zehn Millionen Dosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffes für das zweite Quartal eingesetzt werden könnte.

Es könne sein, dass man "technisch durch zusätzliche Dosen versucht, all jene besonders zu unterstützen, die wenig bekommen haben", sagte der Kanzler. Auch Borissow drängte auf eine Beteiligung an dieser Lieferung. Wie die Vertretung der EU-Kommission mitteilte, würden die zusätzlichen Dosen ausreichen, um die von Kurz kritisierte temporäre Abweichung vom Bevölkerungsschlüssel auszugleichen.

Österreich "im Mittelfeld"

Kurz äußerte sich nicht konkret auf eine Frage der APA, ob Österreich zugunsten der benachteiligten Länder verzichten könnte. Er räumte ein, dass Länder "wenig Freude haben, etwas abzugeben". Gerade "als Regierungschef im Herzen Europas" wünsche er sich aber einen Korrekturmechanismus, weil es nichts bringe, wenn Nachbarländer stärker betroffen seien. "Das ist für niemanden positiv, wenn es hier eine große Ungleichheit gibt", betonte er. Zugleich machte er klar, dass er Österreich nicht als erste Adresse für Verzichtsforderungen sieht. Österreich sei bei den Impfungen "im Mittelfeld" und "weder bei den Verlierern noch bei den totalen Profiteuren", sagte er.

Kurz deutete an, dass die Gruppe weitere Unterstützer im EU-Rahmen habe und bestritt eine parteipolitische Färbung der Initiative. "Es gibt eine lange Liste an Staaten, die sich wünschen würden, dass es eine Änderung der Systematik gibt, unabhängig von der Parteizugehörigkeit", betonte der ÖVP-Chef. Er habe über das Thema "mit vielen gesprochen", und "am längsten" mit dem sozialistischen portugiesischen Ministerpräsidenten Antonio Costa, so Kurz, der diesbezüglich dessen aktuelle Funktion als Premier der amtierenden EU-Ratspräsidentschaft unerwähnt ließ.

Babis sagte, er habe "keine Minute gezögert, mich dieser Initiative anzuschließen". Er berichtete, dass die Gruppe "noch heute Abend oder morgen" eine Videokonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel haben werde, "wo wir ihnen unsere Position erklären". Er wies darauf hin, dass die EU-Staaten bewusst ihre Impfkampagnen Ende Dezember gemeinsam gestartet hätten. Nun sehe es aber so aus, als könnte das Ziel einer Durchimpfung von 70 Prozent der EU-Bevölkerung bis Ende Juli nicht erreicht werden, kritisierte er.

Lieferanten können nicht liefern

Borissow kritisierte, dass keiner der Impfstoff-Lieferanten derzeit die vertraglichen Bedingungen erfülle. Dabei habe sein Land auf die EU-Vereinbarungen vertraut. "Uns wurde gesagt, dass wir keine chinesischen und keine russischen Impfstoffe kaufen sollen, uns zurückhalten sollen", beklagte er.

Jansa stellte die Rechtsgültigkeit der auf Beamtenebene getroffenen Vereinbarungen zur Verteilung übrig gebliebener Impfdosen infrage. Die Staats- und Regierungschefs hätten nämlich eine Verteilung nach dem Bevölkerungsschlüssel vereinbart. "Keine technische Vereinbarung, kein technisches Verfahren kann eine Entscheidung verändern, die zum Wohle aller getroffen wurde", betonte er.

Slowenien: "Politische Krise vermeiden"

Der konservative slowenische Regierungschef forderte auch eine Offenlegung der EU-Verträge mit den Impfstoffherstellern, damit "noch rechtzeitig repariert werden kann, wenn mit diesen Verträgen etwas nicht stimmt". Sein Land habe als EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr ein besonderes Interesse an der Lösung des Problems. "Wir möchten eine neue politische Krise vermeiden, die sicher entstünde, wenn im Juli eine Hälfte der Staaten durchgeimpft wäre und die andere Hälfte nicht". Slowenien sei zwar bei der Durchimpfungsrate über dem EU-Durchschnitt, "aber das kann sich schnell ändern".

Die fünf Regierungschefs hatten am Wochenende in einem gemeinsamen Brief auf die Ungleichverteilung hingewiesen und Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs gefordert. In dem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel berichteten die Premiers, sie hätten "in den vergangenen Tagen entdeckt", dass die Lieferungen der Impfstoffdosen durch die Pharmafirmen nicht laut dem Bevölkerungsschlüssel erfolgen. Sie warnten vor "riesigen Ungleichheiten" bei den Durchimpfungsraten.

Noch keine offizielle Stellungnahme

Vom Europäischen Rat war bisher keine offizielle Stellungnahme zu dem Schreiben zu erhalten. EU-Ratspräsident Charles Michel habe den Brief von Kurz und den anderen Regierungschefs erhalten, hieß es am Dienstag aus EU-Kreisen gegenüber der APA. Während des EU-Gipfels werde die Koordination in der Coronavirus-Krise, darunter die epidemiologische Lage sowie die Impfsituation, erneut auf der Tagesordnung der 27 EU-Staats- und Regierungschefs stehen.

(APA)

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