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Im Heim daheim

Die Gestaltung des Hauses, die Architektur bildet den ruhigen, stabilen Hintergrund für das Leben im Heim.
Die Gestaltung des Hauses, die Architektur bildet den ruhigen, stabilen Hintergrund für das Leben im Heim. ©Petra Rainer
Nenzing - Zuhause. Die Wurzeln und ersten Ideen zu diesem Haus reichen mehr als zehn Jahre zurück. Heimleiter Dieter Visintainer hat in Nenzing mit seinem Pflege- und Betreuungsteam über viele Jahre eine fundierte Vision von Altenpflege realisiert.
Sozialzentrum und Pflegeheim mit “Betreutem Wohnen”

Eine Vielzahl von Fachleuten, Verantwortlichen und Mitarbeitern wurden begeistert und haben bei der Umsetzung dieser Pflegepraxis und letztendlich des neuen Heims tatkräftig mitgewirkt. Maßgeblich hat auch die Gemeinde Nenzing selbst diese Vision einhellig getragen, einen soliden Architekturwettbewerb durchgeführt und das Resultat gemeinsam mit der VOGEWOSI zur Realisierung gebracht. Pflegeheime sind heute keine einfachen Senioren- Wohnheime mit Betreuung. Der allergrößte Teil von pflegebedürftigen Menschen in Vorarlberg wird von Angehörigen zu Hause betreut. Auf ein Heim angewiesen sind heute mehr denn je Menschen mit hohem Bedarf an fachlich anspruchsvoller Pflege. Das Phänomen der Demenz steigert zusätzlich die Herausforderung.
Dieses Heim ist weit mehr als ein Gebäude. Vielmehr ein Destillat und eine dynamische Sammlung von Strategien der Pflege, der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens. Es ist eine Summe von funktionellen, architektonischen, technischen und gestalterischen Lösungen, die konsequent die Idee einer bewohnerorientierten Betreuung zum Ziel haben. Im Mittelpunkt der Mensch, nicht als abstrakte Norm, sondern als eine ständig sich verändernde Gruppe von Bewohnern und Betreuern, eine Summe von Biografien und Kompetenzen, auf die das Haus und sein Team individuell reagieren. Hier baut es – bottom up – bewusst auf eigene Erfahrungen und bindet sich nicht an zwar wissenschaftlich argumentierte, aber doch fast modisch wechselnde Pflegekonzepte. Der Weg dorthin war nicht immer einfach und auch das Bauen mit einem selbstbewussten Nutzer für Planer und Errichter eine Herausforderung.

Architekt Dietger Wissounig, der bereits zahlreiche Pflegeheime geplant hat, hat zwei Baukörper mit je zwei Pflegegeschoßen ineinander gesteckt und so einen gut gegliederten Baukörper geschaffen, der eine Reihe von Außenräumen mit dem Gelände bildet. Die relativ geschlossenen Fassaden aus unbehandelten Fichtenholzlatten ruhen über einem Erdgeschoß mit Räumen für Versammlungen, für die Tagesbetreuung und einem Speisesaal, umgeben von gedeckten Arkaden, die den vertrauten Bestand an Obstbäumen und einen alten Holzpavillon begleiten. Räume für Küche, Mitarbeiter und Verwaltung sind zum Parkplatz und zur Anlieferung angeordnet. Oben, in jeder Wohngruppe, ist ein zweigeschoßiges Atrium als interner „Garten“ dem zentralen Wohnbereich vorgelagert. Diese temperierten Höfe verbinden die Geschoße und bilden einen ganzjährig nutzbaren „Außenraum“, in dem Blumen und hochwachsende Pflanzen gedeihen. Dort lässt sich famos gärtnern, basteln oder auch die Aussicht genießen. Durch eine Reihe von Fenstern, mit Vorhängen bewehrt, blickt man auf den Wohnbereich, um den sich 8–10 Pflegewohnungen gruppieren. Neben der Zimmertür mit Klingel und Türschild gewährt ein schlankes Innenfenster Einblick. Die architektonischen Motive vermitteln den Eindruck eines kleinen Dorfs und vor dem „Haus“ steht auch mal eine Bank oder ein Sofa, auf dem man ein Schläfchen machen kann. Drinnen überrascht eine Besonderheit, die Dieter Visintainer bereits in der Vorbereitung des Architekturwettbewerbs konkretisieren konnte. Aus dem vertrauten Vorbild einer Kleinwohnung mit Stube und Schlafzimmer, entstand eine Pflegewohnung, gegliedert in ein „Stüble“, ein Bad und ein Schlafzimmer. Durch das Innenfenster und eine große Schiebetür wirken die Räume wohnlich, nicht beengt und verbrauchen kaum mehr Platz als ein standardisiertes Pflegezimmer.

Die Anordnung um den Wohnbereich hält die Wege für die Bewohner und das Personal so kurz wie möglich. Das bedeutet Lebensqualität und Mobilität für Gehbehinderte. Im Verein mit einer individuellen Betreuung gelang es dem Team nach dem Umzug drei der 24 Bewohner aus dem Rollstuhl zu mobilisieren. Natürliche Materialien und viel Licht von oben schaffen abwechslungsreiche und zugleich fast gangfreie Aufenthaltsbereiche mit guter Orientierung. Die Anordnung der Wohngruppen erlaubt zugleich einen kontinuierlichen Rundgang für motorisch überaktive. „Wir kommen sehr gern in das neue Haus“, bekräftigen auch die Betreuer ihre Zufriedenheit mit dem neuen Raumkonzept, das ihnen mehr Ruhe und Zeit für die Pflege lässt. „Auch die Bewohner sind nochmals ruhiger als im alten Heim. Das ist für uns ein Zeichen, dass es den Bewohnern gut geht“, bestätigt die Pflegeleiterin.

Die Gestaltung des Hauses, die Architektur bildet den ruhigen, stabilen Hintergrund für das Leben im Heim. Abgestimmt auf die Biografien der Bewohner werden die Innenräume eingerichtet. Eine Trennwand aus sonnenverbrannten Scheunenbrettern, alte Fensterflügel oder auch eine Reihe von Erinnerungsstücken bilden eine Kulisse von hoher Identifizierungskraft, die von Zeit zu Zeit erneuert und angepasst wird. Hinter dieser flexiblen Schicht an Raumgestaltung und dem stabilen Hintergrund der Architektur verbirgt sich ein hochfunktionelles Bauwerk mit Passivhausstandard und aktuellen Technologien. „Im Heim daheim“ bedeutet die sympathische Verbindung von Zuhause und zeitgenössischer Architektur.

Daten & Fakten

Objekt: Sozialzentrum und Pflegeheim mit “Betreutem Wohnen”, Nenzing
Eigentümer/ Bauherr: VOGEWOSI, Vbg. gemeinnützige Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft
Architektur Neubau: Dietger Wissounig Architekten, Graz
Außenanlagen: Gruber+Haumer, Bürs
Statik: Ferdi Heeb, Schaan
Bauphysik: Spektrum, Dornbirn
Planung/ Ausführung: 2009-2013 (Wettbewerb-Fertigstellung)
Grundstücksgröße: 8240 m²
Nutzfläche:
Betreutes Wohnen ca. 780 m²
Sozialzentrum ca. 4580 m²Bauweise: Mischbauweise, Stahlbeton-Tragwerk und -decken; Außenwände: Holzriegelwand mit Steinwolldämmung; Fußböden: Parkett, Fliesen, Kautschuk; Heizung: Solar und Erdwärme; Fenster aus geölter Weißtanne

Ausführung: Baumeister: Rhomberg Bau, Bregenz; Zimmerer: Dobler Holzbau, Röthis; Fenster: Hartmannfenster, Nenzing; Glasfassade: Lignum, Götzis; Estrich: Burtscher, Nüziders; Parkett, Linolböden: Bal, Bregenz; Trockenbau: Bohn, Dornbirn; Maler: Paul Bianchini, Göfis; Lüftung: Ender, Altach; Heizung, Sanitär: Dorfinstallateur Bludenz; Elektro: Stolz, Bludenz; Gartenanlage: Rasen-Matt, Göfis; Fliesenleger: Fliesenpool, Nenzing; Großküche: FHE Franke, Dornbirn

Energiekennwert: 8 kWh/m² im Jahr
Baukosten: ca. 6 Mill. Euro

Quelle: Leben&Wohnen – die Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

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