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Identität durch Gestaltung

Mutige Architektur und pragmatische Funktionalität sind die Grundlage für eine jahrzehntelange Partnerschaft.
Mutige Architektur und pragmatische Funktionalität sind die Grundlage für eine jahrzehntelange Partnerschaft. ©Darko Todorovic | Blum
Höchst - Über zehn Jahre hinweg gewachsen, mit Lässigkeit gebaut, in der Fachliteratur fast unerwähnt und bei der Bevölkerung einfach nur „der Blum“.
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Handelsreisende in Vorarlberg sind gewohnt , dass sie an unerwarteter Stelle und in den kleinsten Gemeinden auf Bauten internationaler Firmenzentralen in minimalistischen Stahl/Glaskonstruktionen oder gar Holzbau treffen. Doch in Höchst erwartet sie gleich im Dreierpack eine kleine Architekturgalerie, die auch für hiesige Verhältnisse besonders kräftig ausgefallen ist.
Der Bauherr ist Weltmarktführer im Bereich Möbelbeschläge und beeindruckt durch das ungebrochene Bekenntnis zum Standort Vorarlberg und zur Architektur. Nicht irgendeine Architektur, sondern eine lebendige und robuste Gestaltung, die sich exponiert, doch dabei eigenwillig und sehr pragmatisch bleibt.
In Vorarlberg sind an sieben Standorten 4150 Mitarbeiter beschäftigt. Die flachen Hierarchien und das handwerkliche Arbeitsethos – der Firmengründer war gelernter Huf- und Wagenschmied – sind bis in die Architektur der Werksbauten spürbar. Verwaltung und Produktion sind eng miteinander verflochten und gleichwertig in ihrem Erscheinungsbild. Offene, kommunikative Großraumbüros sind Programm. Die architektonische Gestaltung soll allen zugutekommen.

Das Unternehmen unterhält eine eigene Bauabteilung, mit der stattlichen Anzahl von elf Bautechnikern und Fachplanern, welche die Erfahrungen im Umgang mit den firmeneigenen Produktionsabläufen und Standards bündelt. Die Produktion ist gewissermaßen mit einem sorgsam gepflegten Mantel aus Hallen und Gebäuden umgeben. Die Ausstattung neuer Niederlassungen, produktionsbedingte Anpassungen und die laufende Betreuung des Gebäudebestandes in Vorarlberg und an den internationalen Standorten erzeugen eine kontinuierliche Bautätigkeit. Eine Ausnahme bilden nur die Büro- und Verwaltungsgebäude als architektonische Schnittstellen zur Außenwelt. Hier wird empfangen, begrüßt, verhandelt und geschult.

Mehr als 20 Jahre ist es her, als man erkannte, dass die Anforderungen deutlich über das Technische hinausgingen. Man beschloss einen Architektenwettbewerb für ein neues Bürogebäude im Werk 2 auszuschreiben, den Arno Bereiter, damals noch mit seinem Vater Herbert Bereiter, gewinnen konnte. Herbert Bereiter war eigentlich Maschinenbauer, als Architekt Autodidakt und hatte in den 1960erund 1970er-ahren mit großer Präzision und einer besonderen Eigenständigkeit innovative und hochfunktionelle Bauten geschaff en, wie etwa die Terrassenhaussiedlung in Schwarzach oder das pyramidenartige Wohnhaus in der Dornbirner Goethestraße, mit denen er technisch und architektonisch bemerkenswerte Beiträge zur frühen Vorarlberger Architekturentwicklung leistete.

Dieser eigenständige und unkonventionelle Zugang zeichnet auch Arno Bereiter aus, der sehr bald seine eigenen Wege ging und eine für Vorarlberg ungewöhnlich freie Architektursprache praktiziert. Er nutzt sie jedoch nicht für formale Extreme, sondern ganz pragmatisch zur Lösung architektonischer Aufgabenstellungen. Diese Kombination aus Nutzerorientierung, technischem Verständnis und gestalterischer Individualität wurde zur Basis einer langjährigen Zusammenarbeit mit dem nehmen. Insbesondere mit Wolfgang Marlin, dem ebenfalls langjährigen Leiter der Bauabteilung, der konstatiert, dass die „Chemie einfach immer gestimmt hat“.

1992 folgte ein aufgeständertes Forschungsgebäude für das Werk 3 mit etwa 2000 m2 Nutzfläche. Doch vor allem der Standort Werk 2 in Höchst zeigt die kontinuierliche Entwicklung einer Bauaufgabe und auch einer Planerpersönlichkeit. Folgte der erste Bürobau noch einer zurückhaltenden konstruktiven Ästhetik, zeigten sich 1998 starke architektonische Gesten mit jenem einprägsamen Verwaltungsgebäude, das mit seiner schräg geneigten und technoiden Fassadenkonstruktion an die Bruggerstraße zu preschen scheint. Die offenen Büros werden durch frei eingestellte Raumkuben in Rot, Gelb und Blau begrenzt. Aluminiumgrau und die lebhafte Maserung von Kiefernsperrholz setzen dazu Akzente. Doch die Form ist innen wie außen nichts anderes als die spielerische Bewältigung von Bauvorschriften und komplexer technischer Vorgaben, die die Gestaltung an der Gebäudehülle und an den festen Erschließungskernen verdichten.

Bauteil nochmals aufgestockt und mit einer durchgehenden Fassadenkonstruktion überzogen. Den vorläufigen Abschluss bildete 2008 ein Verwaltungsbau mit Rechenzentrum, der mit einer weit gespannten Brücke im 1. Obergeschoss verbunden ist. Die Geometrie besticht durch Proportionen und die Farbigkeit im Inneren ist erdiger. Sie bildet mit der natürlichen Materialität von Holzlamellen und Sichtbetonträgern ein stilvolles Umfeld. Auch hier mischt sich Bewährtes und Besonderes. Die Fassadenkonstruktion birgt ein Leitungssystem, das zur Kühlung und Heizung verwendet wird und eine von mehreren nachhaltigen Haustechniksystemen darstellt. Über die hohen Deckenkonstruktionen werden Lüftung und Elektroinstallationen verteilt und die Großraumbüros von technischen Einrichtungen frei gehalten. Im Erdgeschoss gruppieren sich wieder frei positionierte Kuben um ein zweigeschossiges Foyer, das von schlanken Brücken, Stiegen und Trägern aus hochwertigem Sichtbeton durchzogen wird. Material und Form vermitteln eine Ruhe und Reife, die immer noch die Freude an der Gestaltung und die Freude an der Arbeit spüren lassen.

 

DATEN & FAKTEN

Betriebsbauten für Julius Blum, Höchst

Bauherr: Julius Blum

Werk 2 Verwaltung / Lager: Neubau 1991; Architekt Arno Bereiter

Werk 3 Bürogebäude Entwicklung: Neubau 1992; Architekt Arno Bereiter

Werk 2 Verwaltung / Haupteingang: Neubau 1998; Architekt Arno Bereiter

Werk 2 Aufstockung Verwaltung: Umbau 2001; Architekt Arno Bereiter

Werk 3 Forschungsgebäude: Neubau 2003; Architekt Thomas Hämmerle für Huber Planungsgesellschaft

Werk 2 Verwaltung / Rechenzentrum: Neubau 2008; Architekt Arno Bereiter

Kontakt:
Ansprechpartner Fa. Blum, Wolfgang Marlin
Architekt: Arno Bereiter, Pestalozziweg 7, 6890 Lustenau, office@arnobereiter.at

(Leben & Wohnen/ Robert Fabach)

Die Coverstory „Leben & Wohnen“ präsentiert wöchentlich exemplarische architektonische Leistungen in Vorarlberg. Neben Wohnbauten, öff entlichen Einrichtungen und Tourismusbauten soll dabei auch das baukulturelle Engagement Vorarlberger Industriebetriebe einmal monatlich gewürdigt werden. Mit dieser Ausgabe beginnt diese Serie.

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Formgestaltung in Vorarlberg, Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öff entliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architekturvorORT auf www.v-a-i.at

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