"Ich bin oft in Belgrad – so bedrückend war es noch nie": Vorarlbergerin erzählt über Lokalaugenschein

Das Vorarlberger Model Maria Maksimovic war vergangenes Wochenende in Belgrad – zu einer Zeit, in der die Proteste gegen die serbische Regierung ihren Höhepunkt erreichten. Obwohl sie selbst nicht direkt an den Demonstrationen teilnahm, bekam sie vor Ort einen intensiven Einblick in die politische Stimmung der Stadt. In einem Interview mit VOL.AT erzählt sie von ihren Eindrücken, der bedrückenden Atmosphäre und der gespaltenen Gesellschaft.
"Die Stadt wirkte bedrückend"
Maria Maksimovic musste aus beruflichen Gründen nach Belgrad reisen, um dort ein Produkt unter den Leuten auf den Straßen zu vermarkten und Reaktionen auf Kamera festzuhalten. Doch schnell merkte sie, dass die Stimmung in der Stadt alles andere als unbeschwert war.
"Ich bin oft in Belgrad, und normalerweise ist es dort überfüllt – viele Touristen, Partys, lebendige Straßen. Diesmal war es komplett anders: Es waren kaum Touristen da, und die Stadt wirkte so bedrückend, wie noch nie", schildert sie ihre ersten Eindrücke. "Vor allem tagsüber waren viele Kinder auf der Straße – ich habe dann erfahren, dass sie seit Monaten nicht mehr zur Schule gehen."

Schulen geschlossen, Universitäten blockiert
Was Maksimovic anfangs nicht wusste: Ab der Mittelschule aufwärts gehen Schüler und Studierende seit Monaten nicht mehr in den Unterricht. "Die Unis sind blockiert, die Professoren streiken – das hat mich echt schockiert", erzählt sie.
Diese Bildungsstreiks sind Teil der massiven Protestbewegung in Serbien, die durch den Einsturz eines Vordachs in Novi Sad ausgelöst wurde. Dabei kamen 15 Menschen ums Leben, was als Symbol für Korruption und Misswirtschaft der Regierung wahrgenommen wird. Die Proteste haben sich seither auf viele gesellschaftliche Bereiche ausgeweitet.
"Die ältere Generation ist eher pro Vučić
Maria Maksimovic kam in engen Kontakt mit den Menschen auf der Straße – doch nicht jeder wollte mit ihr sprechen. "Ich musste Leute für Instagram interviewen und filmen – aber am ersten Tag war das frustrierend. Niemand wollte vor die Kamera, die Leute wussten nicht, was ich von ihnen will", erzählt sie. "Die Stimmung war so angespannt, dass sich viele einfach nicht trauten."
Besonders bemerkenswert fand sie die Kluft zwischen den Generationen: "Die ältere Generation ist eher pro Vučić (Präsident Aleksandar Vučić), während die jüngeren Leute sich enthalten oder gegen ihn sind", beobachtete sie. "Aber viele machen einfach mit, weil alle mitmachen. Ob sie wirklich wissen, worum es geht, ist die andere Frage."

"In Serbien wirst du sofort in ein politisches Gespräch verwickelt"
Während ihrer Gespräche hörte sie viele Verschwörungstheorien – von beiden Seiten: "Es gibt Vučić-Anhänger, die behaupten, dass ausländische Regierungen Studenten bezahlen, um Unruhen zu stiften. Gleichzeitig gibt es Demonstranten, die glauben, dass die Regierung Provokateure einsetzt, um friedliche Proteste in ein schlechtes Licht zu rücken", sagt sie. "Vermutlich steckt auf beiden Seiten ein Fünkchen Wahrheit dahinter."
Besonders auffällig fand sie die direkte Art, mit der Serben über Politik sprechen: "In Österreich hält man sich oft zurück, hört zu und bildet sich dann eine Meinung. In Serbien hingegen wirst du sofort in ein politisches Gespräch verwickelt, ob du willst oder nicht."
"Diese Einheit zu spüren war beeindruckend"
Am Tag der großen Demonstration verließ Maria Maksimovic die Stadt. "Ich hatte Angst, nicht rechtzeitig zum Flughafen zu kommen, weil ich dachte, dass die Straßen gesperrt sind. Aber es war ganz normal – wenn man nicht direkt in den Protestgebieten war, hat man kaum etwas gemerkt", erzählt sie. "Erst am Vorabend habe ich gesehen, dass sich an einem zentralen Platz Menschen versammelten, aber es war ruhig. Sie standen einfach nur da und pfiffen."
Trotz der Proteste und der politischen Spannungen fühlt sie sich Serbien weiterhin verbunden. "Es ist ein kompliziertes Thema", sagt sie abschließend. "Aber ich bin irgendwie stolz auf die Studenten, dass sie es geschafft haben, so viele Menschen zu vereinen. Diese Einheit zu spüren, das war schon beeindruckend."

"Es muss sich was ändern"
Die zentrale Forderung der Protestbewegung in Serbien ist es, endlich einen Verantwortlichen für den Einsturz des Dachs in Novi Sad zu benennen. Doch laut Maria Maksimovic hält sich die Regierung bedeckt: "Den Schuldigen gibt es ja immer noch nicht, weil die Regierung nicht ausrücken will, wer den Zuschlag für das Dach bekommen hat." Für viele Demonstranten ist das ein weiteres Beispiel für Korruption und mangelnde Transparenz.
Ob die Proteste tatsächlich etwas verändern werden, bleibt für Maksimovic unklar. "Es muss sich was ändern, weil langfristig kommst du gegen die Menschenmengen nicht an." Dennoch glaubt sie nicht an eine sofortige Ablösung von Präsident Vučić. "Die Leute haben sich bei den letzten Wahlen für ihn entschieden. Und auch wenn aktuell so viel auf der Straße protestiert wird, gibt es immer noch eine Mehrheit, die ihn gewählt hat", so Maksimovic abschließend.
(VOL.AT)
Du hast einen Hinweis für uns? Oder einen Insider-Tipp, was bei dir in der Gegend gerade passiert? Dann melde dich bei uns, damit wir darüber berichten können.
Wir gehen allen Hinweisen nach, die wir erhalten. Und damit wir schon einen Vorgeschmack und einen guten Überblick bekommen, freuen wir uns über Fotos, Videos oder Texte. Einfach das Formular unten ausfüllen und schon landet dein Tipp bei uns in der Redaktion.
Alternativ kannst du uns direkt über WhatsApp kontaktieren: Zum WhatsApp Chat
Herzlichen Dank für deine Zusendung.