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Humanitäre Katastrophe im Gazastreifen nach Hamas-Angriff

©APA
Im dicht besiedelten Gazastreifen hat sich die humanitäre Lage angesichts massiver israelischer Luftangriffe als Reaktion auf die Hamas-Gräuel extrem verschärft.
Flug aus Israel auf dem Weg nach Österreich
Israels Armee bereitet Bodenoffensive vor

Die Schläge kämen aus der Luft, vom Meer und vom Land, berichtete das UN-Nothilfebüro (OCHA) am Donnerstag. Bisher seien fast 340.000 Menschen aus ihren Wohnungen geflüchtet. Israel forderte die Freilassung der israelischen Geiseln und verbat sich angesichts des blutigen Überfalls vom Samstag "Moralpredigten".

Flüchtende Menschen haben nach OCHA-Angaben kaum sichere Zufluchtsorte. Wegen der Abriegelung könnten sie sich nur auf dem kleinen, nur 40 Kilometer langen und zwischen sechs und zwölf Kilometer breiten Territorium bewegen. Sie fliehen OCHA zufolge vor den Angriffen in andere Viertel zu Verwandten, Freunden oder in Schulen des UNO-Hilfswerks für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Mit 360 Quadratkilometern ist der von über 2 Millionen Menschen bewohnte Gazastreifen kleiner als Wien.

UNHCR steht bereit

Das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) steht bereit, sollten Menschen aus dem Gazastreifen Richtung Ägypten fliehen und Hilfe brauchen. Das teilte das UNHCR auf Anfrage mit. "Wir beobachten die sich ständig verändernde Situation sehr genau", sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. "Wir stehen immer bereit, bei Bedarf im Rahmen einer größeren Hilfsaktion durch die Vereinten Nationen und Regierungsbehörden zu reagieren."

Das Rote Kreuz teilte unterdessen mit, dass mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Israel und dem Gazastreifen in den vergangenen Tagen ums Leben gekommen seien. Es handle sich um Helfer der Schwesterngesellschaften Magen David Adom und Palästinensischer Roter Halbmond. "Ich bin zutiefst erschüttert über den Tod der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Israel und im Gazastreifen. Sie haben sich beispielhaft für Zivilistinnen und Zivilisten eingesetzt, die von den Kampfhandlungen betroffen und dringend auf Hilfe angewiesen sind. Dabei mussten sie ihr Leben lassen. Die Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung ist wie eine Familie - wir arbeiten alle nach den gleichen Grundsätzen der Neutralität und Unparteilichkeit. Mein herzliches Beileid gilt den Familien und Angehörigen der Verstorbenen", so Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes, in einer Aussendung.

1.350 Todesopfer in Gaza

Seit dem Beginn der Luftangriffe am Samstag starben nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza mehr als 1.350 Menschen, mehr als 6.000 wurden verletzt. Das größte Krankenhaus von Gaza, das Shifa-Krankenhaus, nimmt keine Patienten mehr auf, teilte das Gaza-Gesundheitsministerium am Donnerstag mit. Die Klinik verfügt über rund 500 Betten. Bereits am Vortag hieß es, die Spitäler in dem Küstenstreifen seien voll belegt.

Die Zerstörungen in dem Gebiet sind weitaus größer als bei früheren Konflikten. Eine Bodenoffensive der israelischen Armee, die nach der Bildung einer Notstandsregierung in Jerusalem möglicherweise kurz bevorsteht, könnte die humanitäre Katastrophe noch einmal verschärfen.

Israel fordert Freilassung von Geiseln

Israels Energieminister Israel Katz hat die Wiederaufnahme der seit Tagen unterbrochenen Grundversorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen an die Freilassung der israelischen Geiseln in Hand der islamistischen Hamas geknüpft. "Kein Stromschalter wird umgelegt, kein Wasserhahn geöffnet und kein Treibstofflaster fährt rein, bis die israelischen Geiseln nach Hause zurückgekehrt sind", schrieb Katz am Donnerstag auf der Plattform X (vormals Twitter). Humanitäre Gesten werde es nur im Gegenzug für humanitäre Gesten geben. "Und dass uns keiner Moral predigt", schrieb Katz. Die Armee verwies zudem darauf, dass die Hamas die Übergänge in das Küstengebiet selbst zerstört habe. Ägypten schloss wegen israelischem Beschuss kurz darauf seinen einzigen Grenzübergang zum Gazastreifen, betonte aber, ihn wieder öffnen zu wollen.

Gespräche über Grenzöffnung

Die US-Regierung führt mit Israel und Ägypten Gespräche über die Öffnung eines Grenzübergangs für Zivilisten zur Ausreise aus dem Gazastreifen. Ägypten hatte zuvor eine begrenzte Waffenruhe als Voraussetzung dafür genannt. "Wir wollen nach bestem Wissen und Gewissen sicherstellen - und ich weiß, dass Israel nach bestem Wissen und Gewissen sicherstellen will -, dass Zivilisten nicht zu Schaden kommen", sagte US-Außenminister Antony Blinken vor seiner Abreise nach Israel, wo er am Donnerstag Ministerpräsident Benjamin Netanyahu traf.

Israel beklagt, dass noch nie seit dem Holocaust so viele Juden an einem Tag getötet wurden, wie bei den am Wochenende von der Hamas angerichteten Massakern. Dabei brachten Terroristen in Israel mindestens 1.300 Menschen, überwiegend Zivilisten, um, darunter 260 Besucher eines Musikfestivals. Etwa 3.000 Menschen wurden verletzt. Die EU, den USA und Israel stufen die Hamas als Terrororganisation ein.

Arabische Liga fordert Stopp der Gegenangriffe

Angesichts der Eskalation der Gewalt zwischen Israel und der Hamas haben Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga einen sofortigen Stopp der israelischen Gegenangriffe auf den Gazastreifen gefordert. Die Außenminister der 22 Mitgliedsländer warnten bei einem Dringlichkeitstreffen am Mittwoch in Kairo außerdem vor "katastrophalen" humanitären und sicherheitsrelevanten Folgen durch eine Verschärfung des Konflikts.

In der Abschlusserklärung hieß es, es sei notwendig, den Friedensprozess wiederzubeleben und "ernsthafte Verhandlungen zwischen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) als dem einzigen und legitimen Vertreter der Palästinenser und Israel aufzunehmen, um einen fairen und umfassenden Frieden zu erreichen". Die Mitgliedsstaaten verurteilten auch das Töten und Angreifen von Zivilisten auf beiden Seiten. Humanitäre Hilfe, Nahrungsmittel und Treibstoff müssten umgehend im Gazastreifen zugelassen werden.

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(APA/dpa/Reuters)

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