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Howl

Tastversuche an einem poetischen Dokument: Zwischen Fake-Doku, Animation und Gerichtsdrama setzen Rob Epstein und Jeffrey Friedman dem wichtigsten Werk von Allen Ginsberg ein sehenswertes Denkmal. Ab 18. März im Kino.
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Es wurde zum Aufreger für die US-Prüderie der 1950er Jahre, zum Meilenstein in der publizistischen Rechtsprechung und zur Hymne der Beat Generation: “Howl”, dem ersten und wichtigsten Gedicht von Allen Ginsberg, haben die US-Filmemacher Rob Epstein und Jeffrey Friedman nun ein filmisches Denkmal gesetzt. Zwischen Fake-Doku, Animationskunst und Gerichtsdrama versammelt “Howl” Tastversuche an einem poetischem Dokument und überzeugt vor allem durch James Franco (“127 Hours”) in der Rolle des jungen Dichters. Am Freitag (18. März) läuft der Literaturfilm in den heimischen Kinos an.

“Howl” erschien 1955, im selben Jahr wie Jack Kerouacs “On the Road”. Ein leidenschaftliches Luftmachen der Geschlagenen (“Beat”), die zwischen Substanzmissbrauch, Schocktherapie, Sex und Suizid verzweifelt auf der Suche nach einem authentischen Ausdruck in der gefühlten Sinnleere des Nachkriegsamerikas sind. Ihr Geheul (“Howl”) machte Ginsberg zu seiner literarischen Stimme: “I saw the best minds of my generation destroyed by / madness, starving hysterical naked, / dragging themselves through the negro streets at dawn / looking for an angry fix, / angelheaded hipsters burning for the ancient heavenly / connection to the starry dynamo in the machinery of night (…).”

So schreiben, wie man ist, lautet Ginsbergs Credo, mit dem er sich von Vorbildern befreit, seine Angst vor Andersartigkeit abstreift – und es direkt vor Gericht schafft. Vorwurf: Obszönität. Für die unverblümten Beschreibungen von schwulem Sex musste sich sein Verleger vor einem Richter verantworten. Im Film wird der Prozess samt teils völlig abstrusen Expertenaussagen und der überraschend vehementen Entscheidung des Richters mit ziemlich gewöhnlichen Mitteln amerikanischen Gerichtsfabulierens dargestellt.

Sonst ist wenig Gewöhnliches an “Howl”. Eine Doku scheint dieser in 14 Tagen gedrehte Film sein zu wollen, und rekonstruiert ein Interview mit Ginsberg aus dem Jahr 1957, schneidet schwarz-weiße Reminiszenen zwischen die Schauplätze, vermischt sie mit seinem ersten Vortrag des Gedichts in einem winzigen Cafe und driftet dann immer wieder völlig unvermutet in Animationskino ab.

Die Skizzen dafür stammen vom Ginsberg-Mitarbeiter Eric Drooker, als Ausflug in das Innere des Dichters beschwören sie in expressiven Bildern Monster und Fixer, Liebespaare und Wolkenkratzer, gestrandete Figuren und ihre ewige Jagd durch Großstadt und Krieg herauf. James Franco liest dazu in eindringlichem Tonfall das lange, drastische Poem. Vielleicht ist die Animationskunst ja die moderne Lyrik des Kinos. Als ihre Illustration läuft sie aber Gefahr, das subjektive, suggestive Verstehen der Textkunst zu bevormunden – oder im Vergleich durchzufallen.

Das Gedicht optisch aufarbeiten und gleichzeitig seine Umstände dokumentieren – da hat sich “Howl” wahrscheinlich ein bisschen viel vorgenommen. Sehenswert ist der Film aber nicht nur, weil auch abwegige oder fragmentarische Schlaglichter auf ein literarisches Schlüsselwerk erhellend wirken. Mit Franco, der Ginsberg als ebenso mutigen wie verunsicherten jungen Mann am Beginn seiner Selbstdefinition als Dichter, Homosexueller und Kämpfer für das offene Fühlen porträtiert, haben die Macher vor allem einen Besetzungscoup gelandet. Ein kurzes Wiedersehen gibt es außerdem mit Mary-Louise Parker (“Weeds”) und Treat Williams (“Everwood”). Nach Stars, Story oder Szene sollten sich Kinobesucher bei “Howl” allerdings lieber nicht sehnen. (APA/Maria Handler)