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Herr und Dame sangen zwei Schubert-Liederzyklen

Christine Schäfer als weiblicher Wanderer der „Winterreise“.
Christine Schäfer als weiblicher Wanderer der „Winterreise“. ©Schubertiade
Interessanter Schlusspunkt der heurigen Herbst-Schubertiade mit Debütant und Weltstar.

Schwarzenberg (sch) Die Herbst-Schubertiade ist zu Ende. Am Samstag Nachmittag und Abend erklangen im Angelika-Kauffmann-Saal die beiden bedeutenden Liederzyklen Franz Schuberts, „Die schöne Müllerin“ nach Gedichten von Wilhelm Müller, D 795, op. 25 (1823), und „Winterreise“, nach Gedichten von Wilhelm Müller, D 911, op. 89 (1827). Den unglücklichen Müllerburschen mit letalem Ausgang verkörperte der 1982 geborene deutsche Bariton Benjamin Appl (er sang schon einmal am 28. April 2013 bei der Schubertiade, debütierte aber aktuell mit der „Schönen Müllerin“); die deutsche Sopranistin von Weltruf, Opernstar und vielseitige Konzertsängerin, Christine Schäfer, ist in unseren Breiten nach Christa Ludwig und Brigitte Fassbaender die dritte Dame, welche dem ruhelosen Wanderer ein weibliches Profil verleiht.

Benjamin Appl statt Markus Werba

Geplant für die „Schöne Müllerin“ war der Wiener Bariton Markus Werba, Papageno vom Dienst oder heuer erstklassiger Beckmesser bei den Salzburger Festspielen. Leider war er erkrankt, und so sprang Appl für den Kollegen ein. Am Steinway war die Besetzung mit dem Schubertiade-Liebling Martin Stadtfeld dieselbe geblieben. Appl, ein ehemaliger „Regensburger Domspatz“, studierte später u. a. in München erfolgreich weiter. Dietrich Fischer-Dieskau war für Appl auch sehr prägend. Verschiedene Opern-und Operettenengagements und große Erfolge als Liedinterpret waren wohl die Voraussetzung für Schwarzenberg. Appl, ein imponierender jugendlicher Mann, der über einen voluminösen Bariton verfügt und in der Textbehandlung ein wenig an „FiDi“s wohllautende Vokale erinnert, interpretierte den Müllerburschen mit gekränktem Emotionsspektrum, der aber doch fast unvermutet und gelassen in den Freitod im Bächlein hineinschlittert. Bewegend etwa seine zynische Abrechnung mit der Farbe Grün, mit inwendiger Poesie versenkte sich der Sänger in die zarten „Trocknen Blumen“. Martin Stadtfeld, der anerkannte Bach-Interpret, begleitete hier ziemlich cool-emotionslos und reichte an die einschlägigen Großmeister wie Deutsch, András Schiff oder Rieger nicht heran.

Der Wanderer Christine

Zwei Stunden nach Appls „Schöner Müllerin“ betrat Christine Schäfer, die in Frankfurt geborene berühmte Sopranistin, das Podium, an ihrer Seite Eric Schneider am Steinway. Und sie sang als eine der wenigen Damen im Konzertbetrieb Schuberts Meisterwerk der „Winterreise“. Nun, der bis heute immer noch total unterschätzte deutsche Dichter Wilhelm Müller, dessen 24 Gedichte Schubert in seinem Zyklus vertonte, wollte dezidiert, dass das unmissverständliche Schicksal des unglücklich liebenden Wanderers jenes eines Mannes und nicht einer Frau ist; ja, Schuberts musikalische Diktion passt gewiss nicht zum vor allem in der Höhe nicht gerade dezent auftrumpfenden Sopran Christine Schäfers. Christa Ludwigs oder Brigitte Fassbaenders samten-dunkles Mezzo-Timbre hatte eher eine Affinität zum „männlichen“ Wanderer. Eric Schneider war für die Sängerin ein sensibler Mitgestalter. Viel Jubel für die neuerliche Begegnung mit Schäfer (bei der Schubertiade seit 15 Jahren) – doch eine solche „Winterreise“ ist nicht authentisch, weder im Geiste Wilhelm Müllers noch Franz Schuberts.

 

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