Herminator nimmt Funktionäre in die Pflicht

“Denn im Grunde genommen spiegeln ihre Vorstellungen lediglich die bisherige Saison und die Realität wider”, begründete Maier. “Wenn wir uns ehrlich sind, haben wir außer Anna Fenninger, die zweifellos und vor allem sich selbst enttäuschte, und Marcel Hirscher derzeit keine zwingenden Medaillenkandidaten.”
Maier hatte schon vor der WM auf die Schwierigkeiten einer Heim-WM hingewiesen. “Allem Anschein nach ist es der österreichischen Mannschaft bisher nicht gelungen, dieser einzigartigen Situation Herr zu werden und zum entscheidenden Zeitpunkt die beste Leistung abzurufen.”
Zu seiner aktiven Zeit habe Maier selbst dafür gesorgt, dass sich seine Teamkollegen in Ruhe auf die Großereignisse vorbereiten konnten. “Ich erinnere mich sehr gut, dass seinerzeit ich es war, der gerade bei Großveranstaltungen im Fokus stand und den Kollegen die Arbeit erleichterte. Sie konnten tun und lassen, was sie wollten. Jetzt müssten diese Aufgabe eigentlich die Herren Funktionäre und Trainer übernehmen, von denen ich im Verlauf dieser WM allerdings noch nicht viel gesehen und gehört habe, geschweige denn auch nur einen Anflug von Selbstkritik.”
Die Funktionäre bekamen von Maier weiter ordentlich ihr Fett ab: “Meiner Meinung nach gehört nun die Vorbereitung und das Training, das ja mit einem ungeheuren Aufwand betrieben wird, genau beleuchtet. Ich würde mir da mehr Kreativität wünschen, dass man sich der Grundlagen des Skifahrens besinnt und – Druck hin oder her – die Freude daran wieder mehr in den Vordergrund stellt. Stattdessen versteckt man sich hinter den Sportlern, im beruhigenden Bewusstsein, dass man im Falle des Scheiterns gleich wieder in einer anderen Funktion auftaucht. Das hat in Österreich Tradition.”
Olympiasieger Reiter: Keine Abrechnung zur Halbzeit
Mit Mario Reiter hat ein anderer Nagano-Olympiasieger die Stellungnahme von Hermann Maier zur mageren Ausbeute des ÖSV in der ersten WM-Woche in Schladming kommentiert. “Es zeugt auch von der Qualität des Verbandes, ruhig zu bleiben. Wir können noch sehr viel daraus machen”, sagte der Vorarlberger, der im Österreichischen Skiverband für das Marketing zuständig ist, im ORF-Fernsehen.Maier hatte in seinem täglichen WM-Blog u.a. angeregt, Trainer, Umfeld und Funktionäre zu hinterfragen. “Das ist die Meinung des Hermann… Wenn ich an die WM 1982 denke, hatten wir auch gar nichts bis dahin und geblieben ist am Ende dieser großartige Titel von Harti Weirather”, erinnert Reiter.
Reiter verwies deshalb darauf, dass immer noch sehr viel Positives (in Schladming/Anm.) kommen könne. “Es ist daher nicht notwendig, in der Mitte dieser wunderbaren WM eine Abrechnung zu machen. Abgerechnet wird zum Schluss.” Sollte es dann notwendig sein, so Reiter, werde es entsprechende Analysen und Konsequenzen geben.
Pressestimmen über medaillenloses ÖSV-Speedteam
“Süddeutsche Zeitung”: “Richtig Herzweh. Österreich leidet nach dem Abfahrts-Wochenende. Die Österreicher haben sehr tapfer sein müssen am heiligen Abfahrts-Wochenende. Wäre dieses Wochenende eine TV-Serie, wären die Österreicher vielleicht stolz auf sie gewesen, so viel Sinn fürs Groteske hat keine andere Nation. Andererseits hätte der Regisseur die Serie vielleicht noch mal in den Schneideraum zurückgerufen, es war alles doch arg dick aufgetragen. So a deppertes Wochenende gibt’s ja höchstens in einer sehr grotesken Groteske. Oder halt in Schladming, bei der Ski-WM.”
“Frankfurter Allgemeine Zeitung”: “Und der Präsident spielt sein Wunschkonzert. Bei der Ski-WM in Schladming ist alles ein bis zwei Nummern zu groß – vor allem die Erwartungshaltung der Österreicher. (…) Die einzige Medaillengewinnerin für den ÖSV bleibt damit die Kombinations-Dritte Nicole Hosp. Eine enttäuschende Bilanz – und das bei den Titelkämpfen, die das Image Österreichs als Ski-Nation und als Ski-Destination Nummer eins festigen sollten. So wollte es der Präsident, denn: “Die Leute”, so Schröcksnadel, “gehen dorthin, wo die Sieger sind. (…). Die hohen Erwartungen bekamen und bekommen die Athleten täglich zu spüren, und nicht alle scheinen damit gut zurechtzukommen.”
“Neue Zürcher Zeitung” (Sonntag-Ausgabe): “Vorteil wir. Österreich, wir sind da. Es tut euch zwar weh, wenn wir euch darauf hinweisen. Aber ihr braucht nur den Medaillenspiegel anzuschauen, um euch unserer Präsenz bewusst zu werden: Wir sind dort nämlich weiter oben klassiert als ihr. Jetzt könntet ihr einwenden, dass wir uns auf tiefem Niveau brüsten. 1982 hatten wir das Gold-Gold-Gold-Schätzli Erika Hess, jetzt haben wir nur die Silber-Lara. Aber mehr braucht es ja anscheinend nicht, um euch auf Distanz zu halten.”
“Neue Zürcher Zeitung” (Montag-Ausgabe): “Schon nach zwei Tagen verkündete die ‘Kronen-Zeitung’, die als Sponsor mit dem Österreichischen Skiverband verbunden ist: ‘Wir haben die beste Ski-WM aller Zeiten.’ Nun ist die erste Woche vorbei, und die Gastgeber sind vor allem damit beschäftigt, sich über verpasste Medaillen zu ärgern. Denn das Ski-euphorische Alpenland hatte sich auf einen Goldrausch eingestellt. Dass dieser bisher ausgeblieben ist, schmerzt die Einheimischen. Für den Skisport aber ist es besser so. Acht Verbände erscheinen nach fünf Entscheidungen im Medaillenspiegel, was dem Anlass Internationalität verleiht und damit gut für dessen Image ist. (…). Was die Österreicher betrifft, ist die Basis so stark, dass ein Fehlstart keine Katastrophe ist. Der nächste Goldrausch ist nur eine Frage der Zeit.”
(APA)
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