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Die Nr. 1 und 2 der NEOS
Die Nr. 1 und 2 der NEOS ©APA - Robert Jäger

Helmut Brandstätter - Medienmacher wechselt in die Politik

Nun ist es also offiziell: Der frühere "Kurier"-Herausgeber Helmut Brandstätter verlässt den Journalismus, um bei den NEOS anzudocken.
Brandstätter erhält NEOS-Wildcard
Brandstätter rechnet mit "Kurz und Kickl" ab

Die NEOS haben Donnerstagvormittag nun auch offiziell den langjährigen TV- und Print-Journalisten Helmut Brandstätter als Kandidaten für ihre Nationalratswahl-Bundesliste präsentiert. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich von ihrem Fang begeistert: "Helmut Brandstätter ist für mich der ideale Partner von A bis Z, von Anstand bis Zukunft."

Kein Parteimitglied, sondern Bündnispartner

Tatsächlich ist der bisherige "Kurier"-Herausgeber in der Tradition von Irmgard Griss kein Parteimitglied auf pinkem Ticket sondern Bündnis-Partner. Er werde den NEOS auch nicht beitreten, erklärte Brandstätter bei der Pressekonferenz in einem von der Caritas etablierten Hotel, das sich stark der Ausbildung und Beschäftigung von Flüchtlingen verschreibt.

Dass man gerade diesen Ort für die Präsentation gewählt hat, nannte Meinl-Reisinger dann auch ein bewusstes politisches Zeichen, wolle man doch nicht in einem Land leben, wo die Caritas diffamiert werde. Brandstätter schloss sich dem wenig später fast wortgleich an, ebenfalls noch einmal ÖVP und FPÖ mit Kritik wegen deren Angriffen gegen Hilfsorganisationen bedeckend.

Buch als Eintrittskarte für die NEOS

Brandstätter hatte sich in einem Buch, das diese Woche präsentiert wurde, besonders an VP-Obmann Sebastian Kurz und dem geschäftsführenden FPÖ-Klubchef Herbert Kickl abgearbeitet. Dass er dieses Werk quasi als Eintrittskarte zu den NEOS genutzt habe, wurde vom Quereinsteiger wiederholt zurückgewiesen. Fragen, ob er mit Kurz koalieren könnte, wich er aus. Sein Ziel ist in erster Linie, dass die NEOS stärker werden und die FPÖ nicht mehr in der Regierung vertreten ist.

Kümmern will sich Brandstätter im Nationalrat vor allem um Wissenschaft und Forschung. Die Medienagenden wird Meinl-Reisinger selbst behalten, wie sie betonte. Unterstrichen wurde von Brandstätter,dass er die volle Legislaturperiode das Hohe Haus beehren will, sollte dem persönlich nichts entgegenstehen. Jetzt habe er jedenfalls einmal eine Gesundenuntersuchung gemacht "und Werte wie ein junger Bursch".

Was Brandstätter an den NEOS gefällt

Das Programm der NEOS hat Brandstätter erst in den vergangenen Tagen gelesen. Gefallen hat ihm an der Politik der bisher zweit kleinsten Nationalratsfraktion aber schon bisher einiges. Dazu zählt das bedingungslose Europa-Bekenntnis ebenso wie deren Einsatz gegen das Projekt Sicherungshaft. Mit Wohlwollen betrachtet Brandstätter auch, dass es bei den NEOS keinen Klubzwang gibt.

Dass die NEOS überhaupt auf einen Quereinsteiger zurückgreifen, begründete Meinl-Reisinger damit, dass sich die Partei immer als Bürger-Bewegung verstanden habe. Deshalb unterstütze man es, wenn sich jemand zum Verlassen der Zuseher-Ränge entscheide und politisch engagieren wolle.

Ziemlich unwirsch reagierte Meinl-Reisinger auf eine Frage zu einer Aussage vom Vortag, wonach sie nicht von lauter kinderlosen Karrieristen regiert werden wolle. Die NEOS-Chefin fühlt sich bewusst missverstanden, ihr gehe es nur darum, dass die Arbeitswelt nach den Bedürfnissen von Familien gestaltet werde.

Vom Report im ORF zum Chefredakteur von n-tv

Der 64-Jährige war zuletzt acht Jahre lang Chefredakteur des "Kurier". Im vergangenen Herbst löste ihn Martina Salomon als Chefredakteurin ab, Brandstätter blieb Herausgeber. Dass er aus dieser Funktion ausscheidet, ist seit Dienstag bekannt - nun machten die NEOS auch seine Kandidatur offiziell: über eine "Wildcard", wie sie 2017 auch Irmgard Griss hatte, soll Brandstätter auf Platz 2 der Bundesliste kandidieren.

Brandstätter wurde am 24. April 1955 in Wien geboren. Seine journalistische Karriere startete - nach einem Studium der Rechtswissenschaften und dem Besuch der John-Hopkins-Universität in Bologna - 1982 in der Auslandsredaktion des ORF-Fernsehens. Zwischen 1984 und 1991 berichtete er als Korrespondent aus Bonn und Brüssel. Größte Bekanntheit erzielte er bei der tödlich verlaufenen Entführung vor Gladbeck, bei der ihm wie anderen Medienvertretern vorgeworfen worden war, zu nah an den Entführern dran gewesen zu sein und diesen so unnötige mediale Präsenz gegeben zu haben. 1991 übernahm Brandstätter im ORF die Leitung der Hauptabteilung Dokumentation. ORF-Sehern ist er auch als Präsentator des Polit-Magazins "Report" in Erinnerung.

1997 verließ der Journalist den öffentlich-rechtlichen Sender, um in Berlin als Trouble Shooter die Geschäftsführung des Nachrichtensenders n-tv zu übernehmen. Dem heimischen TV-Publikum erschien er zwischenzeitlich auch als Hauptdarsteller eines TV-Spots für einen japanischen Autohersteller in den 1990er Jahren. Bis zum Einstieg des Privatsenders RTL im Jahr 2003 war Brandstätter auch n-tv-Chefredakteur. Nach der Übernahme kehrte er nach Österreich zurück, dockte kurz beim damals neu gestarteten Wiener Privatsender Puls TV an und machte sich 2005 als Kommunikations- und Medienberater selbstständig.

Brandstätter wollte ORF-Generaldirektor werden

2006 bewarb sich Brandstätter, der mit der ORF-Journalistin Patricia Pawlicki verheiratet und Vater von drei Kindern ist, für den Posten des ORF-Generaldirektors. Im Hearing vor dem ORF-Stiftungsrat hinterließ der für sein großes Selbstbewusstsein bekannte Medienmacher einen guten Eindruck, die politischen Entscheidungen im Hintergrund waren jedoch längst für Alexander Wrabetz gefallen. Brandstätter widmete sich seiner Kommunikationsagentur BBC (Brandstätter Business Communications). Anlässlich der Bestellung zum "Kurier"-Chefredakteur 2010 verkaufte er seine Anteile an der Agentur.

Acht Jahre Kurier-Chefredakteur

Acht Jahre lenkte Brandstätter die Geschicke der Wiener Tageszeitung, bis er 2018 als Chefredakteur durch Salomon ersetzt wurde. Brandstätter sei wegen seiner kritischen Kommentare auf Regierungswunsch via Eigentümer Raiffeisen abgelöst wurden, wurde darauf in der Branche gemunkelt.

Konflikt mit der ÖVP

Von der ÖVP hat sich Brandstätter seither sichtlich entfremdet. Dem Druck der Mannschaft um Ex-Kanzler Sebastian Kurz auf die Medien im Allgemeinen und auf den "Kurier" im Besonderen widmet er in seinem aktuellen Buch "Kurz & Kickl - Ihr Spiel mit Macht und Angst" breiten Raum. Brandstätter warnt darin vor einem schleichenden Umbau Österreichs in einen autoritären Staat nach ungarischem Vorbild, sollte Türkis-Blau im Herbst eine Neuauflage feiern.

Dabei wurde Brandstätter eigentlich in einem bürgerlichen Umfeld sozialisiert: sein Vater war über ein Vierteljahrhundert Generalsekretär der Landwirtschaftskammern, Brandstätter selbst war als Vertreter der ÖVP-nahen Studentenunion zwei Jahre lang Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH). Seine eigenen Überzeugungen hätten sich seither nicht geändert, hat Brandstätter zuletzt betont: "Ich fühle mich als Bürgerlicher mit christlich-sozialem Hintergrund." Die Auseinandersetzung mit der ÖVP kann er nun im Wahlkampf weiter führen.

(APA)

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