Unter österreichischem Vorsitz im ersten Halbjahr 2006 könnte das Feilschen um die Eröffnung erster konkreter Verhandlungskapitel fallen.
Vor vier Monaten hatte der türkische Außenminister Abdullah Gül optimistisch erklärt, er gehe davon aus, dass wenigstens eines der 35 Verhandlungskapitel noch unter britischer EU-Präsidentschaft bis Ende des Jahres abgeschlossen sein würde. Doch dies gilt in Brüssel als unwahrscheinlich.
Nach dem 3. Oktober soll vorerst die EU-Kommission damit beginnen, den für die EU relevanten türkischen Rechtsbestand zu durchleuchten. Dieses Screening dauert im Durchschnitt zwischen einem und zwei Jahren, parallel dazu kann aber schon über bereits durchleuchtete Kapitel verhandelt werden. So gilt etwa Bildung und Kultur als relativ einfaches Kapitel, während etwa in der Landwirtschaft langwierige Verhandlungen zu erwarten sind.
Viel von dem weiteren Prozedere wird davon abhängen, wie schnell das türkische Parlament das Protokoll zum EU-Zollabkommen ratifiziere und damit Zypern indirekt anerkenne, betonen EU-Diplomaten. Das Europaparlament will am Mittwoch in einer von allen großen politischen Gruppen eingebrachten Resolution dazu auffordern, dass die Zollunion zu den ersten Verhandlungskapiteln gehört. Die EU hatte Ankara aufgefordert, die Verpflichtungen aus der Zollunion voll umzusetzen. Bisher weigert sich die Türkei aber, Schiffe und Flugzeuge aus Zypern ins Land zu lassen, was aus Sicht der EU dem Abkommen widerspricht.
2006 will die EU die türkische Umsetzung des Zollabkommens überprüfen, ebenso Fortschritte auf dem Weg zur Anerkennung Zyperns. Das Datum für diese Überprüfung ist bisher nicht präzisiert. Überlegungen dazu werden aber in jedem Fall eine Rolle spielen bei der Eröffnung von Verhandlungskapiteln. Jedes der 35 Kapitel kann nur einstimmig von den 25 EU-Staaten eröffnet und abgeschlossen werden.
Beim Thema Türkei kann die Bundesregierung, die als EU-Ratspräsidentschaft traditionell um einen Ausgleich zwischen den EU-Partnern bemüht sein muss, auch kaum innenpolitisch punkten. Laut der jüngsten Eurobarometer-Umfrage vom Juli lehnen 80 Prozent der Österreicher eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ab – dies ist gemeinsam mit Zypern die höchste Ablehnung in der EU. Dass Österreich durch seine bisherige harte Haltung gegenüber der Türkei besondere Probleme als EU-Ratspräsidentschaft in dieser Frage hat, glaubt etwa der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses und deutsche CDU-Abgeordnete, Elmar Brok, nicht. Vielmehr werde Österreich von türkischer Seite Respekt entgegen gebracht werden , meint er.
Österreich sollte bei der gesamten Debatte auch zwei Aspekte genauer beachten, mahnt der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda ein. Österreichische Investoren haben es zunehmend schwerer in der Türkei, auf Akzeptanz zu stoßen, warnte er. Grund dafür sei Österreichs harte Haltung vor Eröffnung der Beitrittsgespräche. Außerdem fühle sich die türkische Bevölkerung in Österreich dadurch zunehmend zurückgestoßen, fügte Swoboda hinzu.
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