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Heftige Debatte im EU-Parlament, Kritik an Farage

Juncker geht hart mit Farage ins Gericht.
Juncker geht hart mit Farage ins Gericht. ©AFP
Im EU-Parlament hat am Dienstag vor Beginn des EU-Gipfels eine heftige Debatte zum Ausgang des Referendums in Großbritannien stattgefunden. Die Entscheidung des Volkes sei zu akzeptieren, so der Tenor. Die Austrittsverhandlungen müssten aber rasch beginnen. Zum Teil scharfe Kritik musste der ebenfalls anwesende britische Rechtspopulist Nigel Farage einstecken.
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“Herr Farage, wenn Sie Anstand hätten, müssten Sie sich heute schämen für das, was Sie angekündigt haben”, sagte etwa der Chef der EVP-Fraktion, Manfred Weber. Farage hat sich kurz nach dem Referendum von einem zentralen Versprechen der Brexit-Kampagne distanziert. Er könne nicht garantieren, dass wie von den Brexit-Befürwortern angekündigt 350 Millionen Pfund pro Woche statt an die EU nun an das Gesundheitssystem NHS gingen, sagte der Politiker der UK Independence Party.

“Klima und Stimmung der Angst”

Der Austritt habe ein “Schlachtfeld hinterlassen”, ein politisches Chaos und den Zusammenbruch des Pfund, so Sozialistenchef Gianni Pittella. Ähnlich äußerte sich der liberale Politiker Guy Verhofstadt: Jedes Mal, wenn Farage oder Boris Johnson sprechen, würden an den Börsen die Aktien fallen. Es sei ein Klima und eine Stimmung der Angst geschaffen worden, kritisierte Verhofstadt.

Ins selbe Horn stieß die Linken-Politikerin Gabriele Zimmer. Richtung Farage meinte sie, er habe in seiner Kampagne die Angst vor Migranten geschürt. Das werde von ihm übrig bleiben.

“Rosinenpickerei ist zu Ende”

Die EU-Parlamentarier haben sich für rasche Austrittsverhandlungen ausgesprochen. “Wir brauchen einen kühlen Kopf und einen klaren Zeitplan für die Verhandlungen”, so der britischen Vorsitzende der Konservativen und Reformer, Syed Kamall. Es komme aber mehr auf das Ergebnis an als auf das Tempo. “Wir erwarten einen Antrag nach Artikel 50”, sagte Weber. Die “Rosinenpickerei” sei zu Ende.

“Hoffnungen der jungen Briten zerschmettert”

Weber und Pittella bedauerten in ihren Reden das Ergebnis des Referendums vor allem im Hinblick auf junge Briten. “Die Jungen wollten Europäer bleiben. Ihre Hoffnungen sind zerschmettert worden”, so Weber. “Wir stehen auf eurer Seite”, sagte Pittella. Großbritannien bleibe ein Teil Europas. Kein Referendum könne das Band zerschneiden.

Juncker wirft Farage Lügen vor

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat dem Führer der Brexit-Kampagne und britischen Europaparlamentarier Nigel Farage Lügen vorgeworfen. Bei der Sondersitzung des EU-Parlaments zu den Brexit-Folgen sagte Juncker unter Hinweis auf Budgetaussagen von Farage, “Sie haben gelogen.” Überhaupt sagte er an Farage und die EU-Gegner gewandt, er – Juncker – frage sich, warum sie überhaupt hier seien.

Juncker: “Man muss die Nationen respektieren, aber nicht die Nationalisten. Das sind keine Patrioten, das sind Nicht-Europäer.” Die EU werde sicher die richtigen Lehren aus der Brexit-Abstimmung ziehen, aber “man sollte nicht den Eindruck erwecken, dass es ein Europa der Sparpolitik gibt. Die Briten haben nicht über die Sparpolitik abgestimmt, auch nicht über unzureichende Grenzkontrollen. Die Briten haben keinen Euro. Die ganzen Euro-Probleme betreffen die Briten nicht. Großbritannien ist nicht in der Schengenzone und bewacht bereits selbst seine Grenzen. Man sollte nichts durcheinanderwerfen, aber solche Geschichten erzählt Farage”, kritisierte der Kommissionspräsident.

Farage-Rede von Zwischenrufen überschattet

Farage hatte zuvor – unterbrochen von Zwischenrufen anderer EU-Abgeordneter – ebenso wie die französische Abgeordnete der rechtsextremen Front National, Marie Le Pen, über den Patriotismus der Briten gejubelt. Farage prophezeite, Großbritannien werde nicht das letzte Land bleiben, das die EU verlasse. Le Pen sprach sogar von einem “Schrei der Liebe eines Volks für sein Land” und ein “Signal der Freiheit an die gesamte Welt” gesprochen.

Farage forderte als Folge des Brexit “vernünftige” Beziehungen mit der EU und ein “gemeinsames Zollfreiabkommen”. Er selbst sei vor 17 Jahren ins EU-Parlament gekommen und habe damals erklärt, er wolle eine Kampagne leiten, dass Großbritannien aus der EU ausscheidet. “Da haben sie mich alle ausgelacht. Jetzt lachen sie nicht mehr.”

In dem Punkt, dass es rasch Austrittsverhandlungen geben sollte, stimmte Farage mit Juncker überein. Als zu Beginn der Rede des britischen EU-Abgeordneten andere Parlamentarier mit Buhrufen antworteten, schaltete sich Parlamentspräsident Martin Schulz ein: “Bei allem Verständnis für ihre Aufregung – sie benehmen sich gerade wie sich UKIP in diesem Haus benimmt. Also kopieren Sie sie nicht”.

Farage sah sich bestätigt und meinte, früher habe UKIP gegen das Establishment protestiert, “jetzt protestiert das Establishment gegen UKIP”.

Le Pen: Brexit wichtigstes Ereignis seit Fall der Berliner Mauer

Le Pen bezeichnete den Brexit als “das bei weitem wichtigste politische Ereignis seit dem Fall der Berliner Mauer”. Der “Schrei” der Briten sei auf “das Versagen des europäischen Systems, das auf Angst, Erpressungen und Lügen fußt, zurückzuführen”. Sie forderte alle Abgeordnete auf, sich “über die Befreiung der Völker zu freuen. Ein wirklich souveränes Volk, das die Grenzen selbst unter Kontrolle hat, und den wirtschaftlichen Patriotismus. Es ist ganz einfach – Patriotismus ist eine schöne Zukunft für die EU.”

(APA/Red.)

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