Hamas übergibt Leichen von vier Geiseln an Israel

In einer TV-Liveübetragung der Vorgänge in Khan Younis waren auf einem Podest vier schwarze Särge zu sehen. Israel will in der Folge die Identität der Leichen prüfen, bei denen es sich laut der Hamas um tote Geiseln handeln soll.
"Die Leichen der Geiseln wurden an Vertreter der IDF und der ISA im Gazastreifen übergeben", erklärte ein Militärsprecher am Donnerstag mit Verweis auf die israelischen Streitkräfte und den israelischen Inlandsgeheimdienst. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu erklärte, Israel habe "die Särge von vier gefallenen Geiseln erhalten".
Untersuchung der Leichen
Die Hamas hatte zuvor in Khan Younis vier Särge an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz übergeben. Vertreter des Roten Kreuzes luden diese zunächst in ihre Fahrzeuge und fuhren dann ab, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Die israelische Armee bestätigte wenig später, dass das Rote Kreuz die Entgegennahme von vier Särgen mit toten Geiseln gemeldet habe. Es wird erwartet, dass Israel die Leichen forensisch untersuchen wird, um die Identitäten zweifelsfrei festzustellen.
Angeblicher Tod bei israelischem Luftangriff
Übergeben werden sollten unter anderem die Leichen einer jungen Frau und ihrer beiden kleinen Kinder. Sie werden vom Team des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zum israelischen Militär und dann nach Israel gebracht. Im November 2023 teilte die Hamas mit, die Buben und ihre Mutter seien bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Die israelischen Behörden haben deren Tod jedoch nie bestätigt.
Kfir und Ariel Bibas waren offenbar die letzten Kinder, die noch von der Hamas als Geiseln im Gazastreifen festgehalten wurden. Die Hamas hatte die Kleinkinder sowie deren Eltern Shiri und Yarden vor mehr als 16 Monaten aus dem Kibbuz Nir Oz verschleppt. Kfir war damals gerade einmal neun Monate alt, sein Bruder Ariel vier Jahre. Der getrennt von seiner Familie festgehaltene Yarden Bibas war am 1. Februar lebend freigelassen worden.
Zweifelsfrei geklärt ist das Schicksal der Mutter und ihrer beiden kleinen Kinder allerdings noch immer nicht. Videoaufnahmen der verängstigen Mutter und ihrer beiden rothaarigen Söhne, die bei der Entführung nach dem Massaker der Hamas-Terroristen im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 entstanden, gingen um die Welt. Die forensische Untersuchung könnte israelischen Berichten zufolge einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Dauer des Identifizierungsprozesses hänge auch vom Zustand der Leichen ab, meldeten mehrere Medien unter Berufung auf Gesundheitsminister Uriel Busso am Mittwoch. Busso betonte demnach, dass Israel auch die Todesursachen ermitteln wolle. Die Hamas hatte noch während des Krieges im Herbst 2023 mitgeteilt, die drei seien bei israelischen Bombardements getötet worden. Aus israelischer Sicht gibt es bisher jedoch für ihren Tod keine abschließende Bestätigung. Es gebe aber große Sorge um das Schicksal der drei, hieß es von offizieller Seite.
Der kürzlich freigelassene Vater der Kinder teilte nach seiner Rückkehr nach Israel mit: "Unglücklicherweise ist meine Familie nicht zu mir zurückgekehrt. Mein Licht ist immer noch dort (im Gazastreifen), und solange sie dort sind, ist hier alles düster." Der Jüngste war bei seiner Entführung noch ein Baby. Er habe zum Zeitpunkt seiner Entführung noch nicht alleine gehen und "Mama" sagen können, sagte der Cousin seiner Mutter kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Sein älterer Bruder habe damals noch an Superhelden geglaubt, so Jimmy Miller.
Vier weitere Leichen sollen laut Hamas kommende Woche übergeben werden. Zudem sollen am Samstag sechs weitere Geiseln im Rahmen des Abkommens zwischen Israel und der Islamistenorganisation freikommen, darunter der Austro-Israeli Tal Shoham.
Israel lässt Frauen und Minderjährigen frei
Im Zuge einer Vereinbarung mit der Hamas wird Israel nun Berichten zufolge alle Frauen und Minderjährigen freilassen, die seit Beginn des Gaza-Kriegs nach den verheerenden Hamas-Massakern ab Oktober 2023 festgenommen wurden und die nicht am bewaffneten Kampf gegen Israel beteiligt gewesen sein sollen.
Übergabe einmal mehr provokativ und propagandistisch inszeniert
Die Hamas inszenierte die Übergabe in Khan Younis martialisch. Auf einer Bühne hatte sie die vier Särge neben Geschoßhülsen aufgereiht, daneben standen vermummte und bewaffnete Hamas-Kämpfer. Zahlreiche jubelnde Schaulustige versammelten sich zu lauter Musik. An jedem Sarg war ein Foto der jeweiligen mutmaßlichen Geisel, die die Hamas nach eigenen Angaben übergeben wollte, zu sehen. Neben der Mutter Shiri Bibas und ihren Kindern sollte am Donnerstag auch die Leiche des 84-jährigen Oded Lifshitz übergeben werden. Im Hintergrund der Bühne war ein großes Plakat mit Fotos der Geiseln zu sehen, auf dem der israelische Ministerpräsident Netanyahu als Vampir dargestellt war.
Bevor die schwarzen Särge in Fahrzeuge des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) geladen wurden, stellten die Mitarbeiter des Roten Kreuzes weiße Sichtblenden auf. Sie überdeckten Hamas-Propaganda auf den Särgen mit weißen Tüchern. Das IKRK hatte zuvor mehr Menschenwürde bei der Übergabe von Geiseln gefordert. Bei der Übergabe an die israelische Armee im Beisein eines Militärrabbiners sollten die Särge in blau-weiße israelische Flaggen gehüllt werden. Am Rande des Gazastreifens warteten Dutzende Israelis im strömenden Regen auf den Transport mit den Särgen.
Fortsetzung der Waffenruhe bleibt ungewiss
Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Jänner hatten Islamisten im Gazastreifen in mehreren Runden bisher 19 Geiseln freigelassen. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig von der Vereinbarung frei. Das mehrstufige Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass während einer ersten, sechswöchigen Phase nach und nach insgesamt 33 Geiseln, darunter acht Tote, im Austausch gegen 1.904 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen.
Die erste Phase des Deals soll in eineinhalb Wochen enden. Berichten zufolge haben beide Kriegsparteien bisher - entgegen der Vereinbarung - noch keine ernsthaften Verhandlungen über die zweite Phase des Deals geführt. Sie soll zu einem endgültigen Ende des Krieges sowie zur Freilassung der noch verbliebenen Geiseln führen. Israelische Medien berichteten unter Berufung auf Außenminister Gideon Saar, dass die Gespräche noch "in dieser Woche" beginnen sollen.
Auslöser des Krieges war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen fast als 48.300 Menschen getötet, darunter auch viele Frauen und Minderjährige.
(APA/AFP/dpa)
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