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Güterverkehr: "Studie des Landes ist längst überholt"

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Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Heftige Kritik und Hilferuf vonseiten der Industriellenvereinigung: Das Land Vorarlberg plane den Güterverkehr auf Basis falscher Annahmen.

IV-Vize-Präsident Hubert Rhomberg und Geschäftsführer Christian Zoll richten einen dringlichen Appell an die Verantwortlichen des Landes und der ÖBB.

Bei der Pressekonferenz nahm die IV das Land in die Pflicht. ©Sams

Christian Zoll, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Vorarlberg, begrüßt zwar die Auseinandersetzung mit dem Thema, gibt sich aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden: "Das Güterverkehrskonzept des Landes und die darin enthaltende Studie zur Flächensicherung ist ein wichtiger Schritt zur langfristigen Planung der Infrastruktur im Land. Als Grundlage der Prognose zum Ausbau der Schieneninfrastruktur für den Güterverkehr dienten jedoch Zahlen aus der Vergangenheit. Die Betriebe im Land hingegen wurden nicht befragt, wie viel sie künftig über die Schiene abtransportieren müssten. Das hat zur Folge, dass sowohl das Land als auch die ÖBB den Bedarf massiv unterschätzen. Es wird hier also von falschen Annahmen ausgegangen, die Rechnung zur Verlagerung auf die Schiene wird so nicht aufgehen."

Am 15. September 2022 präsentiert die Landesräte Zadra und Tittler das Güterverkehrskonzept.

Eigene Studie der Industriellen
widerlegt Zahlen des Landes

Eine eigens in Auftrag gegebenen Studie von Dr. Ralf Chaumet, Experte für Verkehrswirtschaft und Eisenbahnwesen, zeichnet ein völlig anderes Bild der aktuellen Güterverkehrssituation auf den Vorarlberger Gleisen, als die vor wenigen Wochen präsentierten Zahlen der Regierung. Während das Land von sechs Zügen täglich spricht, würden jetzt bereits 27 Güterzüge die untersuchte Strecke im Bereich Dornbirn Wallenmahd nutzen. Eine Zahl, die in der Landesstudie für 2040 prognostiziert wurde.

Hubert Rhomberg sparte nicht mit Kritik. ©Sams

Vorarlberger Industrie sieht
akuten Handlungsbedarf

Hubert Rhomberg, Vizepräsident der IV-Vorarlberg, zieht daraus folgenden Schluss: "Alle Beteiligten haben dasselbe Ziel: nämlich den Gütertransport mehr und mehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, unsere Straßen zu entlasten und den Klimaschutz ernst zu nehmen. Dafür reicht unsere gegenwärtige Infrastruktur aber nicht aus, wie unsere Studie eindrücklich verdeutlicht. Es muss also investiert und ausgebaut werden. Wenn man aber den Bedarf dermaßen unterschätzt, kann dieser Plan nicht funktionieren."

Heimische Unternehmen müssen
vermehrt miteinbezogen werden

Rhomberg wünscht sich daher ein Umdenken des Landes und eine fundierte Analyse des Bedarfs, nämlich unter Einbeziehung der Vorarlberger Unternehmen und deren Anforderungen: "Die von uns erhobenen Zahlen zeigen auf, wie viel Bedarf es im Industriegebiet Wallenmahd gibt. Wir wissen allerdings auch von anderen Bereichen im Land, in denen der Bedarf signifikant höher ist als die tatsächlichen Möglichkeiten es zulassen. Bereits jetzt wollen Unternehmen mehr Güter von der Straße auf die Schiene verlagern, können es aber nicht. Unsere Betriebe wissen am besten, wie hoch der Transportbedarf derzeit ist und wie er sich weiterentwickeln wird. Daher braucht es eine neuerliche Analyse, gemeinsam mit den Vorarlberger Betrieben, um den künftigen Infrastrukturausbau an den tatsächlichen Bedarf anzupassen und die erforderliche Qualität im Güterverkehr zu erreichen."

Die Pressekonferenz im Wallenmahd. ©Sams

Gleisausbau muss schleunigts vorangetrieben werden

Sicher sei jedenfalls die Notwendigkeit eines Gleisausbaus. Rhomberg dazu: „Wir wissen schon jetzt, dass wir so schnell wie möglich die durchgehende Dreigleisigkeit von Bregenz bis Feldkirch für einen qualitativ hochwertigen Güterverkehr brauchen. Einige Ausbauten müssen deshalb in einem Stufenplan vorgezogen werden, um einen funktionierenden Güterverkehr zu gewährleisten. Mittelfristig muss auch ein viertes Gleis im Rheintal folgen, nur so gelingt die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene."

Flächenwidmung gefordert
und dringend notwendig

Sei der tatsächlich höhere Bedarf vom Land erkannt, gehe es um die schnellstmögliche Sicherung von Flächen, so Rhomberg: "Um der tatsächlichen Nachfrage nach Schieneninfrastruktur gerecht zu werden, müssen vor allem die notwendigen Flächen für den Ausbau von Gleisen rasch ausgewiesen und gesichert werden. Nur so kann das Land zügig mit den für den Güterverkehr notwendigen Maßnahmen beginnen. Die Vorlaufzeit für den Gleisbau ist sehr hoch, deshalb braucht es hier auch zügiges und entschlossenes Handeln seitens der Landesregierung."

Passende Kulisse für den Hilferuf der Industriellen. ©Mangard

Personenverkehr in Relation zu Güterverkehr neu überdenken

Rhomberg erwarte sich jedenfalls auch, dass sich die Landesregierung dafür einsetze, dass die Bevorzugung des Personenverkehrs im Bund hinterfragt werde: "Derzeit muss ein Güterzug stehen bleiben, wenn ein Personenzug verspätet ist und die vorhandenen Gleise benötigt. Unter anderem das hat zur Folge, dass ein Personenzug nach Wien weniger als sieben Stunden benötigt, ein Güterzug jedoch mehr als zwei Tage! Ein LKW schafft die Strecke übrigens in weniger als acht Stunden. Es ist für Unternehmen also sehr unattraktiv, ihren Gütertransport von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Unter den Konsequenzen leiden aber nicht nur die Betriebe, sondern wir alle: Einerseits schadet das dem Klima, andererseits verstopft es unsere Straßen. Wir müssen den Mut haben, diese Regelung, dass der Personenverkehr gegenüber dem Güterverkehr immer Vorrang hat, zu hinterfragen, wenn wir es mit der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ernst meinen."

(VOL.AT)

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