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Gute Lügen, schlechte Lügen: "Peking Opel" im Akademietheater

Marc Hosemann, Catrin Striebeck und Martin Wuttke brillierten.
Marc Hosemann, Catrin Striebeck und Martin Wuttke brillierten. ©APA
Mit zwei Tagen Verspätung begeisterte der Regisseur René Pollesch sein Publikum mit einer turbulenten, philosophischen Inszenierung, die Antworten jedoch schuldig blieb.
Bilder von "Peking Opel"

Was tun, wenn man einander zwar versteht, aber nicht hört? Nachrichten so vortragen, dass man sie hört, aber nicht versteht, etwa. Oder eine Stunde lang Pantomime im Radio. Da gibt es weder etwas zu hören, noch zu verstehen. Denn das wahre Problem ist doch, dass wir alle mehr verstehen, als wir tatsächlich hören. Einen Lösungsansatz für dieses Kommunikationsproblem sucht René Pollesch in seinem neuen Werk “Peking Opel”, das gestern, Sonntag, mit zwei Tagen Verspätung im Akademietheater uraufgeführt wurde. Wenn schon keine Antwort, fand das Publikum allemal Unterhaltung.

René Pollesch brauche mehr Probenzeit, hieß es wenige Stunden vor der geplanten Premiere am Freitag seitens des Burgtheaters. Dass perfekt inszeniertes Chaos System braucht, macht der Regisseur mit seiner dritten Regie-Arbeit am Akademietheater nach “Das purpurne Muttermal” und “Fantasma” deutlich. Die rhythmische Abfolge der Szenen, die zahlreichen Stimmungs- und Ortswechsel ohne textbedingten Auslöser müssen wie am Schnürchen laufen, sonst gerät das Werkel ins Stocken. Wie bei Pollesch üblich steht eine Souffleuse mit Textbuch auf der Bühne, auch diesmal kommt ein guter Teil des Stücks wieder via Videozuspielung von hinter der Bühne. Fad wird dem Zuschauer allein deshalb nicht, weil er ständig am Laufenden bleiben muss.

Auf der Suche nach Musen

Die Story selbst ist schnell erzählt: Zwei abgehalfterte Radiomacher (Martin Wuttke und Stefan Wieland), die ihre besten Zeiten mit Ideen wie der “Pantomime-Stunde” bereits hinter sich haben, sind auf der verzweifelten Suche nach ihrer Muse. Zufällig sind nämlich beide Musen – die hübsche, resolute Catrin Striebeck und der in sich ruhende, aber textlich sehr unsichere Volker Spengler – miteinander durchgebrannt. Nun gilt es, sie zurückzugewinnen.

Doch vom ungleichen Liebespaar kommt lediglich der Rat, “dazu überzugehen, sich mit dem zu beschäftigen, womit man sich sowieso gerade beschäftigt. Dann bräuchte man auch keine Muse. Oder so etwas Bürgerliches wie Inspiration”, wie es im Laufe des Abends gleich mehrmals heißt. Auch das Problem der Lüge nagt am irgendwie doch naiven Radiomacher, den Wuttke mit überschäumender Energie und doch Tiefgang anlegt. Bittet ihn seine Ex-Freundin/Muse doch, ihre Lügen in gute und schlechte Lügen zu unterscheiden, anstatt sich immer nur über das Lügen selbst zu beschweren.

Fragen ohne Antworten

In “Peking Opel” greift Pollesch temporeich und oft wirklich witzig ernste Themen auf, deren Hinterfragung allerdings durch die reine Wiederholung noch keine Antworten bietet. So bleibt dem Zuschauer, sich an den zahlreichen Effekten (etwa einem zehn Meter langen Bett, das plötzlich aus der Wand wächst) und den couragierten Leistungen des Ensembles zu ergötzen. Die Dialoge rattern oft wie aus dem Maschinengewehr aus den Mündern der Darsteller, sodass man bei den doch zahlreichen äußerst gelungenen Pollesch-Sprach-Pirouetten froh ist, sie mehrmals hören zu dürfen.

So beobachtet man knapp 90 kurzweilige Minuten das hektische, philosophische Treiben einer auseinanderfallenden Gemeinschaft, die einmal nach Höherem gestrebt hat und nun die Niederungen möglichst actionreich ausfüllen will. “Fame on you”, steht in großen Neon-Lettern über der Bühne. Der Ruhm bleibt ein Wunschtraum, aber das ist der Produktion ohnehin immanent. Das Publikum war jedenfalls begeistert und spendete langanhaltenden Jubel.

“Peking Opel” von René Pollesch im Akademietheater. Bühne: Janina Audick, Kostüme: Nina Kroschinske, Video: Kathrin Krottenthaler. Weiterer Termin in dieser Spielzeit: 6. Juni, 19 Uhr. http://www.burgtheater.at

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