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Guantanamo: Regeln überprüfen

Nach den drei Häftlings-Selbstmorden in Guantanamo wollen die US-Streitkräfte die Regeln für den Umgang und die Überwachung der Gefangenen dort überprüfen.

Unter anderem werde der Frage nachgegangen, ob die Regeln befolgt worden seien und ob sie möglicherweise geändert werden müssten, sagte Flottillenadmiral Robert Durand, ein Sprecher des US-Lagers auf Kuba. Diese Überprüfung finde unabhängig von strafrechtlichen Ermittlungen der Marine statt, erklärte er.

Anwälte der Gefangenen in Guantanamo forderten die Regierung von US-Präsident George W. Bush auf, unabhängigen Medizinern die Untersuchung der Häftlinge zu gestatten. „Guantanamo muss geschlossen werden“, fügte Anwalt Gitanjali Gutierrez vom Zentrum für Verfassungsrechte hinzu. Das Zentrum vertritt Hunderte Guantanamo-Insassen. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) rief die US-Regierung auf, unabhängige zivile Ermittlungen zu den Selbstmorden zuzulassen. Darüber hinaus müssten UNO-Experten sofort ungehinderten Zugang zu dem Lager erhalten.

Die drei Häftlinge wurden nach US-Angaben am Samstag kurz nach Mitternacht erhängt in ihren Zellen aufgefunden. Die zwei Saudiaraber und der Jemenit waren den Angaben zufolge die ersten Insassen in Guantanamo, die sich das Leben nahmen.

Pressestimmen zu Guantanamo

Das berüchtigte US-Sondergefangenenlager Guantanamo steht am Dienstag im Mittelpunkt internationaler Pressekommentare:

„Berliner Zeitung“:

„Wenn Folter nicht Folter ist, sondern eine legitime Form staatlicher Selbstverteidigung, wenn die systematische Verletzung des Völkerrechts kein Rechtsbruch ist, sondern die Anpassung an veränderte Realitäten, wenn die Negation der Menschenwürde kein Angriff auf die Menschenwürde ist, sondern ihre wirksamste Verteidigung, dann ist naturgemäß der Selbstmord von Kriegsgefangenen, die keine Kriegsgefangenen sind, sondern eingesperrte Selbstmordattentäter, kein Selbstmord mehr, sondern ein Selbstmordattentat. (…) Die US-Regierung ließ seit den Anschlägen vom 11. September 2001 kaum etwas unversucht, die Autorität des Völkerrechts der Macht des durch den ’Anti-Terror-Krieg’ geschaffenen Faktischen zu unterstellen, sie zu suspendieren, sofern sie sich störend, also disziplinierend, bemerkbar machte, sie zu desavouieren, wo sie sich im Namen der Demokratie und Menschenrechte dem Kreuzzug für Demokratie und Menschenrechte in den Weg zu stellen versuchte. (…) Ein Staat kann Gefangenen alle Rechte verweigern, er kann sie ohne Angabe von Gründen, unbefristet und ohne juristische Kontrolle in ein Lager sperren – aber er kann das nicht als Rechtsstaat tun. Ein Staat kann, sofern er die militärischen Mittel hat, das Völkerrecht torpedieren, er kann Unverdächtige zu Verdächtigen, Verdächtige zu Terroristen und Terroristen zu Vogelfreien erklären – das kann er, aber er kann es nicht im Namen der Demokratie und der Menschenrechte…“

„Frankfurter Rundschau“:

„Guantànamo ist nicht allein eine US-Exklave der Rechtlosigkeit auf Kuba. Guantànamo wirkt zurück, verdirbt die Sitten in normalen Strafprozessen. Für jene, die unter Terrorverdacht vor zivilen US-Gerichten stehen, gilt die Unschuldsvermutung nur bedingt. (…) Absprachen über die Schuldfrage und das Strafmaß sind üblich in US-Verfahren, nicht mit einem Makel behaftet wie bei uns der ’Deal’, im deutschen Recht eher ein Fremdkörper. Dabei darf auch Druck ausgeübt werden, indem etwa den Beschuldigten vorgehalten wird, dass die Strafe ohne Geständnis höher ausfallen dürfte. Ein Strafverfahrensrecht, das angeklagte Terrorverdächtige effektiv schützte, existiere in den USA nicht mehr, nicht allein, weil Geständnisse unter dem Guantànamo-Druck erpresst würden. Sondern auch, weil vage Straftatbestände wie ’Verschwörung’ sich weit auslegen ließen…“

„Handelsblatt“ (Düsseldorf):

„Amerikas Kampf gegen den Terror offenbart fundamentale Unterschiede zwischen der US-Regierung und den europäischen Partnern. Sicher ist es normal, dass auch enge Verbündete immer wieder Meinungsverschiedenheiten haben. Das Problem des Gefängnisses in Guantanamo ist aber, dass es sich dabei nicht um einen ’Fehler’ oder einen ’Übergriff’ handelt. Die Bush-Administration ist vielmehr zutiefst davon überzeugt, dass sie hier tun darf, was sie glaubt tun zu müssen. Dabei ist das Gefängnis die Ausgeburt des absurden Denkens in Washington, dass für Amerikaner im Kampf gegen den Terror andere Regeln gelten könnten als für alle anderen. Bis heute hat die Bush-Regierung nicht verstanden, dass ihr niemand mehr den Einsatz für universell geltende Menschenrechte abnimmt, wenn sie selbst schamlos dagegen verstößt…“

„Le Monde“ (Paris):

„Guantànamo sollte geschlossen werden, doch stellen sich die USA bei allen Argumenten weiterhin taub. Das Mindeste, was die führenden europäischen Politiker jetzt noch machen können, ist dieses: Sie gehen in kein hochrangiges Treffen mit den Amerikanern mehr, ohne die Schließung des Gefangenenlagers zu verlangen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist da mit gutem Beispiel vorangegangen. Die Franzosen sollten ihr folgen.“

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