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Guantànamo: Neue Enthüllungen

Was sich hinter dem Stacheldraht im Gefangenenlager Guantànamo abspielt, versucht das US-Militär seit Jahren geheimzuhalten. Kein Wunder, sagen Anwälte.

Sie bringen immer mehr erschreckende Details ans Licht. Auch US-Richter betrachten die Regierungsabsicht, die Gefangenen in einem rechtsfreien Raum ohne öffentliche Aufsicht weiter festzuhalten, immer argwöhnischer.

In Washington zeigte sich eine Richterin entsetzt über den Methoden zur Zwangsernährung. In New York ordnete ein Richter die Veröffentlichung von 5.000 Seiten mit Vernehmungsprotokollen an, in denen die Gefangenen erstmals auch mit Namen genannt wurden.

Von „abscheulichen Behandlungsmethoden“ sprach Richterin Gladys Kessler vergangene Woche, als Anwälte ihr die Zwangsernährung von Mohamed Bawasir schilderten. Danach war der Mann im Jänner zwei Stunden in einem Stuhl festgeschnallt worden. Ein Arzt führte ihm einen besonders dicken Schlauch durch die Nase in den Magen und pumpte ihn voll. Bawasir habe nicht zur Toilette gehen können und musste in die Hosen machen, sagte sein Anwalt Richar Murphy.

Das verstoße, falls erwiesen, gegen internationale Anti-Folter-Verträge, sagte Kessler, und versprach weitere Ermittlungen. Die Regierungsanwälte gingen auf die Vorwürfe gar nicht ein. Sie argumentierten, Bawasir habe kein Recht, sich vor US-Gerichten über seine Behandlung zu beschweren.

Als „verabscheuungswürdige Folter“, beschrieb der juristische Direktor des Zentrums für Verfassungsrechte in New York, Bill Goodman, die Behandlung von Mohamed al Katani in Guantànamo, im Rundfunksender NPR. Katani hatte vor den Terroranschlägen 2001 vergeblich versucht, in Florida einzureisen und wird als 20. Entführer verdächtigt. Die Zeitschrift „Time“ veröffentlichte auf ihrer Webseite ein geheimes Militär-Logbuch über den „Gefangenen 063“, das ihr nach eigenen Angaben zugespielt worden war. Es dokumentiert die Tortur des Mannes über fast zwei Monate.

Katani wurde rund um die Uhr verhört, mit lauter Musik beschallt, durfte nur selten und unter grellem Licht schlafen und wurde gedemütigt und beleidigt. 25. November 2002, 1000 Uhr: „Gefangener macht in die Hose“, steht darin, nachdem ihm der Gang zur Toilette verweigert worden war. 30. November, 0830 Uhr: „Gefangener muss Schild tragen mit der Aufschrift: Ich komme in die Hölle, weil ich voller Hass bin.“ 20. Dezember, 0001 Uhr: „Gefangenem wird Hefter mit Bildern von Models um den Hals gehängt.“ „Es ist völlig klar, dass alle unter diesen Umständen erpressten Angaben völlig wertlos sind“, sagt Goodman.

Die USA sehen in den Gefangenen Terroristen. Weil gegen die meisten kaum Beweismaterial vorliegt, sollen sie unbegrenzt interniert werden. 490 Männern sind noch in Guantànamo, Dutzende wurden in ihre Heimatländer abgeschoben. Sie durften sich einmal vor so genannten Militärkommissionen äußern. Wie es dort zuging, geht aus den jetzt veröffentlichten Vernehmungsprotokollen hervor.

Der Vorwurf gegen Oibek aus Usbekistan lautete etwa: „Gefangener unterstützte Taliban“. „Wo sind die Beweise für die Behauptungen?“ fragte er. „Das wissen wir auch nicht, vieles unterliegt der Geheimhaltung“ erwiderte die Vorsitzende der Kommission. „Sie bestimmen, ob ich feindlicher Kämpfer bin oder sonst feindlich gesinnt. Gibt es keine Kategorie unschuldig?“ fragte ein anderer. „Wir sind objektiv und bestimmen, ob sie korrekt als feindlicher Kämpfer eingestuft sind“, bekam er zur Antwort.

Die US-Regierung hat sich bisher allen Forderungen widersetzt, das Lager zu schließen. Seit der oberste US-Gerichtshof den Gefangenen vor knapp zwei Jahren gewisse Verteidigungsrechte einräumte, werden keine Gefangenen mehr nach Kuba gebracht. Sie landen stattdessen in noch obskureren Geheimgefängnissen etwa auf den US-Stützpunkt Bagram in Afghanistan.

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