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Große Trauer um den großen Christoph von Dohnányi

Der Grandseigneur ist abgetreten: Trauer um Christoph von Dohnáyi
Der Grandseigneur ist abgetreten: Trauer um Christoph von Dohnáyi ©APA/dpa
Der große Christoph von Dohnányi ist tot - und auch die Trauer ist groß. Der charismatische deutsche Dirigent ist am Samstag mit 95 Jahren in München verstorben. Damit hat sich einer der herausragenden Maestri seiner Generation endgültig vom Pult des Lebens verabschiedet. "Der weltoffene, meinungsstarke und charismatische Dirigent hat uns von 1966 bis 2019 in Wien, Salzburg und auf Tournee begleitet", kondolierte etwa Daniel Froschauer als Vorstand der Wiener Philharmoniker.

Man werde sein künstlerisches Wirken mit großer Wertschätzung in Erinnerung behalten. Und auch Markus Hinterhäuser als Intendant der Salzburger Festspiele würdigte den Verstorbenen als prägende Figur des Festivals, der etwa mit der Uraufführungen von Hans Werner Henzes "Die Bassariden" 1966 oder Friedrich Cerhas "Baal" 1981 Festspielgeschichte geschrieben habe. 77 Mal leitete der Maestro Aufführungen bei den Salzburger Festspielen, die deshalb nun die schwarze Fahne am Festspielhaus hissten. "Christoph von Dohnányi war ein Spezialist für Vieles, ein Grandseigneur unter den großen internationalen Dirigenten, denen die Salzburger Festspiele ihren Weltruf verdanken", so Hinterhäuser.

Geboren in eine engagierte Familie

Der am 8. September 1929 in Berlin geborene Dohnányi entstammte einer künstlerisch und politisch hoch engagierten Familie, wurde der Vater Hans doch im KZ Sachsenhausen hingerichtet, während seine Mutter Christine Schwester des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer war. Nachdem der junge Christoph zunächst ein Jusstudium in München begonnen hatte, wechselte er alsbald zur Musik und legte 1951 als bester Absolvent das Kapellmeister-Examen ab, bevor er zum Musikstudium bei seinem Großvater, dem Komponisten Ernst von Dohnányi, in die USA wechselte. 1952 holte ihn Georg Solti als Korrepetitor an die Oper nach Frankfurt. Mit 27 Jahren wurde er in Lübeck jüngster deutscher Generalmusikdirektor.

Dohnányis Stil war dabei stets geprägt durch scharfen analytischen Blick, Sachlichkeit und rigorosen Präzisionswillen. Nach ersten Erfolgsjahren in Frankfurt übernahm er von 1977 bis 1984 die künstlerische Leitung der Hamburgischen Staatsoper und kämpfte mit Leidenschaft und Bravour für ein modernes, zeitgemäßes Musiktheater. "Mit den Füßen auf dem Boden der Tradition, den Kopf frei für die Gegenwart", lautete sein Motto.

Mit einer jungen Garde an Regiekräften wie Luc Bondy, Achim Freyer oder Herbert Wernicke verlieh er Opernklassikern wie der "Zauberflöte" und "Fidelio" oder Meisterwerken der Moderne wie Alban Bergs "Wozzeck" neue Strahlkraft. Getrübt wurde die glänzende künstlerische Bilanz jedoch durch Querelen mit den auf alte Rechte pochenden Philharmonikern und anderen Korporationen des Hauses.

Vorgänger von Franz Welser-Möst

Das Cleveland Orchestra, eines der berühmten "Top Five" der USA, empfing den brillanten Schlagtechniker 1982 dagegen mit offenen Armen, der damit zum unmittelbaren Vorgänger von Franz Welser-Möst an der Spitze des Klangkörpers wurde. Georg Szells fabelhaftes altes Musikcorps wusste Dohnányis europäisch tief verwurzelten Sachverstand und seinen intellektuell wie emotional hoch gespannten Gestaltungswillen zu würdigen. Als letzten großen Posten trat Dohnányi 2004 jenen des Chefdirigenten des heutigen NDR Elbphilharmonie Orchesters an, den er bis 2010 innehatte.

(APA/dpa)

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