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Große Mehrheit für Asylpaket im Deutschen Bundestag

Bundestag stimmte für Verschärfung des Asylrechtes
Bundestag stimmte für Verschärfung des Asylrechtes
Trotz scharfer Kritik aus der Opposition und von Menschenrechtsorganisationen hat der Deutsche Bundestag am Donnerstag Verschärfungen im Asylrecht verabschiedet. Mit dem Gesetzespaket ist unter anderem vorgesehen, drei weitere Balkan-Länder - Albanien, das Kosovo und Montenegro - als "sichere Herkunftsstaaten" einzustufen, um Asylbewerber von dort schneller in ihre Heimat zurückzuschicken.
"Historische Bewährungsprobe"
Merkel-Kritik aus eigenen Reihen

In Deutschland sollen Schutzsuchende künftig generell deutlich länger als bisher in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben und dort möglichst nur Sachleistungen bekommen. Die Auszahlung von Geld soll nur einen Monat im Voraus möglich sein. In bestimmten Fällen sind auch deutliche Leistungskürzungen vorgesehen.

Auf der anderen Seite soll durch den Abbau bürokratischer Hürden die Einrichtung neuer Asylunterkünfte einfacher werden. Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive sollen Zugang zu Integrationskursen bekommen.

Asylpaket im Eiltempo durchgebracht

Die deutsche Regierung hatte die Pläne im Eiltempo durch das parlamentarische Verfahren gebracht. Der Bundesrat soll bereits an diesem Freitag abschließend darüber beraten.

Kritik von Flüchtlings- und Sozialverbänden

Flüchtlings- und Sozialverbände kritisierten die Verschärfungen im Asylrecht kritisiert. “Die Kasernierung von Flüchtlingen in Erstaufnahmeeinrichtungen bis zu sechs Monaten, die Ausdehnung des Arbeitsverbotes und die Ausweitung der Residenzpflicht werden die Unterbringungsproblematik verschärfen und Integration verhindern”, erklärte Pro Asyl. Kritisch sieht die Organisation auch die Leistungskürzungen für bestimmte Asylbewerber. Auch Juristen, Migrationsforscher und Menschenrechtsverbände hatten massive Einwände vorgebracht.

Mehr Geld für internationale Flüchtlingshilfe

Der Haushaltsausschuss des Bundestags beschloss auch, die Mittel für internationale Flüchtlingshilfe im kommenden Jahr um rund 400 Millionen Euro aufzustocken. Das Geld soll für Krisenbewältigung und die Bekämpfung von Fluchtursachen in Entwicklungsländern ausgegeben werden. “Ziel ist es, kurzfristig die Lebensbedingungen für Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern in der Türkei, im Libanon und in Jordanien zu verbessern”, erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete Volkmar Klein, der Mitglied des Haushaltsausschusses ist. “Es muss verhindert werden, dass sich aus diesen Flüchtlingslagern noch mehr Menschen auf den Weg nach Europa und Deutschland machen.”

Merkel: “Historische Bewährungsprobe”

Vor der Verabschiedung des Asylpakets bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die hohe Zahl der nach Europa kommenden Flüchtlinge als “historische Bewährungsprobe” für die Europäische Union. Es müsse eine gemeinsame europäische Antwort darauf gefunden werden, wie Europa auf Herausforderungen wie Krieg und Nachbarschaft reagiert, sagte Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag.

Mit “aller Entschiedenheit” wolle sie sich im Kreis der EU-Länder für ein “gesamteuropäisches Vorgehen” zur Bewältigung des hohen Flüchtlingsaufkommens einsetzen. Merkel sprach anlässlich des EU-Gipfels in Brüssel, wo sich am Nachmittag zum zweiten Mal innerhalb von drei Wochen die EU-Staats- und Regierungschefs mit der Flüchtlingskrise befassen. Europa erlebe “so direkt wie nie”, dass in der globalisierten Welt Kriege, Konflikte und Perspektivlosigkeit der Menschen in anderen Erdteilen “bis vor unsere Haustür gelangen”, sagte Merkel.

Lösung für Konflikt in Syrien nötig

Um Fluchtursachen zu bekämpfen, müsse eine Lösung für den Konflikt in Syrien gefunden werden, hob die Kanzlerin hervor. Dazu dienten ihre Reise am Sonntag in die Türkei sowie der am Wochenende beginnende Besuch vom deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in den kommenden Tagen im Iran, in Saudi-Arabien und in Jordanien.

Auf der Tagesordnung des Treffens in Brüssel stehen die Unterstützung von Transit- und Herkunftsländern und die Zusammenarbeit mit der Türkei. “Wir werden die Flüchtlingsbewegungen nicht ordnen und eindämmen können, ohne mit der Türkei zusammenzuarbeiten”, sagte Merkel. Zudem geht es in Brüssel um die stärkere Sicherung der EU-Außengrenzen sowie die schnellere Abschiebung von Flüchtlingen, die nicht asyl- oder schutzberechtigt sind.

In der Türkei wolle Merkel mit Präsident Recep Tayyip Erdogan auch strittige Punkte ansprechen. Sie verstehe, dass manche besorgt seien, ob es Europa gelinge, mit der Türkei nicht nur aktuelle Interessen in der Flüchtlingskrise zu thematisieren, sondern “immer auch unsere Werte zu behaupten”, sagte Merkel. Für die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU gelte, dass die Gespräche ergebnisoffen geführt würden, betonte sie.

Deutsches Asylpaket im Detail

Mehr Abschiebungen, bessere Integration

In Deutschland hat die Koalition im Eiltempo ihr Gesetzespaket zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms durch den Deutschen Bundestag gebracht. Nach einer langen Debatte stimmte am Donnerstag eine breite Mehrheit der Abgeordneten zu. Auch die Annahme im Bundesrats am Freitag gilt als sicher, da die Grünen in mehreren Landesregierungen trotz Bedenken ein Ja angekündigt haben.

Nachfolgend ein Überblick über die geplanten Regelungen:

LEISTUNGEN

In den Erstaufnahmeeinrichtungen sollen Bargeldzahlungen wie das Taschengeld durch Sachleistungen ersetzt werden. Wird doch Geld ausgezahlt, soll dies nur noch für maximal einen Monat im Voraus möglich sein. Rechtskräftig abgelehnten und ausreisepflichtigen Personen, die einen Termin zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden die Leistungen gekürzt. Sie erhalten dann bis zur Ausreise oder Abschiebung nur noch das Notwendige, um Ernährung und Unterkunft sowie die Körper- und Gesundheitspflege sicherzustellen. Dies soll alles als Sachleistungen gewährt werden. Die Regelung gilt auch für Personen, die im Zuge eines künftigen Verteilsystems in der EU in einen anderen Mitgliedstaat umgesiedelt wurden.

ABSCHIEBUNGEN

Wer aus wirtschaftlichen Gründen, aber nicht wegen politischer Verfolgung oder Krieg einreist, soll schneller abgeschoben werden. Auch sollen Abschiebungen durch die Länder nur noch für drei Monate ausgesetzt werden dürfen. Flüchtlingen, die ihre Ausreise haben verstreichen lassen, wird der Termin der Abschiebung nicht mehr vorher angekündigt, um ein Untertauchen zu verhindern.

UNTERKÜNFTE

Um die Schaffung von Flüchtlingsunterkünften zu beschleunigen, soll das Bauplanungsrecht vorübergehend gelockert werden. Auch werden Abweichungen bei den Vorgaben zu erneuerbaren Energien möglich gemacht. Ergänzend können die Länder Vorschriften lockern, die in ihre Zuständigkeit fallen.

WESTBALKAN-STAATEN

Nach Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina werden auch Albanien, Kosovo und Montenegro asylrechtlich als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, um die Asylverfahren zu beschleunigen. Migranten von dort werden schon jetzt zu fast 100 Prozent nicht als schutzwürdig anerkannt. Künftig sollen sie bis zu sechs Monate in den Erstaufnahmezentren bleiben und damit bis zum Ende des Asylverfahrens. Personen aus den sechs Westbalkan-Staaten sollen aber legal einreisen dürfen, wenn sie einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag für Deutschland vorlegen und die Einreise in ihrem Heimatland beantragen.

INTEGRATION

Menschen, die in Deutschland bleiben dürfen, sollen möglichst schnell in Gesellschaft und Arbeitswelt integriert werden. Die Integrationskurse werden daher für Asylbewerber sowie Geduldete mit guter Bleibeperspektive geöffnet. Nach drei Monaten dürfen Asylbewerber und Geduldete als Leiharbeiter eingesetzt werden, wenn es sich um Fachkräfte handelt.

GESUNDHEIT

Die Krankenkassen können in den Ländern verpflichtet werden, die Kosten für die medizinische Behandlung von Flüchtlingen zunächst zu übernehmen. Sie erhalten das Geld später von den Kommunen zurück, auch der Verwaltungsaufwand wird ausgeglichen. In diesem Rahmen kann die Einführung einer Gesundheitskarte auf Länderebene vereinbart werden, was aber flächendeckend erwartet wird. Damit lässt sich vor allem der Verwaltungsaufwand verringern, denn bisher müssen sich Asylbewerber für fast jeden Arztbesuch vom Amt eine Bescheinigung holen.

FINANZ-VERTEILUNG

Die meisten Kosten für Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung fallen bei Ländern und Kommunen an. Der Bund will sich daran strukturell, dauerhaft und dynamisch beteiligen. Für das laufende Jahr verdoppelt der Bund seine Hilfe auf zwei Milliarden Euro. Ab 2016 zahlt er den Ländern eine Pauschale von 670 Euro monatlich pro Flüchtling, und zwar von der Registrierung bis zum Abschluss des Verfahrens. Insgesamt erhalten die Länder für 2016 im Voraus 2,68 Milliarden Euro. Die Summe orientiert sich an 800.000 Flüchtlingen pro Jahr und einer Verfahrensdauer von fünf Monaten. Kommen mehr Menschen oder dauern die Verfahren länger, muss der Bund tiefer in die Tasche greifen, denn am Ende des Jahres gibt es eine “personenscharfe Spitzabrechnung”. Zudem erhöht der Bund für die Jahre 2016 bis 2019 seine Zahlungen für den sozialen Wohnungsbau um jeweils 500 Millionen Euro. Für die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger zahlt der Bund 350 Millionen Euro pro Jahr.

(APA)

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