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Großbritannien will keinen Pfund verlieren

Offiziell wird Finanzminister Gordon Brown am Pfingstmontag die Entscheidung der britischen Regierung über die Einführung des Euro im Königreich bekanntgeben.

Für politische Beobachter ist es längst ausgemachte Sache, wie das Ergebnis der umfangreichen wirtschaftlichen und finanzpolitischen Prüfung ausfallen wird: Nein.

Offen ist nur noch, wie sehr Brown und vor allem Premierminister Tony Blair den Zusatz „jetzt noch nicht“ betonen werden. Denn trotz der heftigen Abneigung der Briten gegen die Gemeinschaftswährung will Blair den seiner Ansicht nach „wichtigsten Beschluss dieser Generation“ noch in seiner Amtszeit fällen – und zwar positiv.

Doch für diesmal muss sich der Premier wohl den Euro-Gegnern und seinem rivalisierenden Schatzkanzler Brown geschlagen geben. Der Finanzminister fährt mächtig auf, um seine Position zu untermauern. In 18 Studien und auf insgesamt mehr als 2.000 Seiten haben er und seine Experten dargelegt, warum der Euro Großbritannien derzeit mehr schaden als nützen würde. Eine lesefreundlichere Zusammenfassung von 300 Seiten wurde den entscheidungsbefugten 23 Kabinettsmitgliedern vor einigen Tagen per Spezialboten zugestellt: Gesichert mit zwei Vorhängeschlössern und der roten Schachtel, die hoch geheimen Regierungsdokumenten vorbehalten ist. Viel Aufwand für ein Nein.

Die fünf ökonomischen Prüfsteine, die die Regierung untersuchen ließ, sollen dem Regierungsbeschluss einen objektiven Anstrich geben. Die Tests untersuchen, wie sich der Euro auf die Investitionen in Großbritannien, auf die Flexibilität der britischen Wirtschaft, auf die Arbeitsmarktlage sowie die Finanzbranche auswirkt, und ob die Wirtschaftszyklen in Großbritannien und der Euro-Zone genügend übereinstimmen.

Doch ob sich ein Beschluss von derart historischer Tragweite einzig auf fünf wirtschaftliche Kriterien herunterbrechen lässt, wird von vielen Experten bezweifelt. Spötter kolportieren das Gerücht, dass die nun alles entscheidenden Kriterien aus dem Jahr 1997 von einem Berater Browns während einer Taxifahrt entworfen und auf ein Papier gekritzelt wurden.

Doch politisch ist ein Beitritt zur Euro-Zone in Großbritannien derzeit wohl kaum durchsetzbar. Die Bewohner des Königreichs wollen auf ihr über 1.200 Jahre altes Pfund nicht verzichten. 60 Prozent der Briten würden in einem Referendum gegen die Einführung des Euro stimmen, besagen Umfragen: Die Euro-Skepsis habe den höchsten Wert seit eineinhalb Jahren erreicht.

Euro-Freunde machen dafür auch die beispiellose Kampagne der britischen Boulevard-Blätter verantwortlich. Drei Viertel der britischen Schriftpresse sind in den Händen konservativer Medienmogule wie Rupert Murdoch. Gegen deren fette Schlagzeilen haben die Euro-freundlichen Kommentare der „Financial Times“ oder des „Independent“ kaum eine Chance. Die derzeit laufenden Verhandlungen über eine europäische Verfassung befeuern das latente britische Misstrauen gegenüber einem „europäischen Superstaat“ zusätzlich.

Kritiker werfen Blair, der während des Irak-Kriegs seine Linie auch gegen anfangs massive Proteste in der Bevölkerung durchzog, in Sachen Euro nun Feigheit vor dem Feind vor. Würde Blair sich offen bekennen und eine überzeugte Kampagne für die Gemeinschaftswährung starten, ließen sich die Briten überzeugen, glauben die Euro-Liebhaber. Denn die Skepsis sei eher oberflächlich. Zudem habe der Irak-Krieg gezeigt, dass sich die Menschen von der Haltung der Regierung durchaus überzeugen ließen.

Frühere britische Minister und Manager wie der hoch angesehende Vodafone-Chef Chris Gent haben Blair bereits aufgefordert, eine Volksabstimmung über den Euro anzusetzen, selbst wenn Brown vor dem Unterhaus am Montag auf Ablehnung plädieren sollte. Blair aber scheint die Strategie „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ verfolgen zu wollen. Die Legislaturperiode reicht noch bis Mitte 2006 – Zeit genug für einen zweiten Anlauf.

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