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Griechischer Flirt mit Putin: Was Moskau Athen bieten kann - und umgekehrt

Kritik vor Moskau-Reise von griechischem Premier Tsipras
Kritik vor Moskau-Reise von griechischem Premier Tsipras ©AP
Wenn Kremlchef Putin in Moskau den griechischen Ministerpräsidenten Tsipras trifft, geht es für beide um viel. Und Putin ist bekannt für seine politischen Coups. Nur politisches Theater - oder ein Aufbruch in den russisch-griechischen Beziehungen? Bereits einen Tag vor dem geplanten Treffen kommt massive Kritik auf.

Es kann viel passieren, wenn Kremlchef Wladimir Putin an diesem Mittwoch den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in Moskau trifft. Die Russen stehen mit der EU auf Kriegsfuß – und eine engere Zusammenarbeit mit den Griechen käme ihnen da mehr als gelegen.

Brüssel und Berlin betrachten Treffen mit Argwohn

Der zweitägige Besuch von Ministerpräsident Alexis Tsipras in Moskau ist nach Darstellung der Regierung in Athen nichts anderes als ein ganz normaler politischer Vorgang. Zugleich lässt Athen aber bewusst offen, ob angesichts der Spannungen mit den EU-Partnern nicht doch eine Annäherung an Russland gewünscht ist, mit dem Griechenland traditionell gute Beziehungen pflegt. In Brüssel und Berlin wird die am Mittwoch beginnende Visite in einer Zeit, da sich das Verhältnis zu Moskau wegen des Ukraine-Konflikts auf einem Tiefpunkt befindet, argwöhnisch beobachtet.

Athen: Ein ganz normaler Staatsbesuch

Tsipras will in Moskau Präsident Wladimir Putin und Ministerpräsident Dmitri Medwedew treffen, um über “die wirtschaftliche und kommerzielle Zusammenarbeit bei Investitionen, Energie, Tourismus und Kultur” zu sprechen. Finanzminister Yanis Varoufakis betonte am Montag in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung “Naftemboriki”, Griechenland suche keine Finanzhilfen außerhalb der EU, pflege aber wie jedes andere Land auch bilaterale Beziehungen. Ein ganz normaler Staatsbesuch eben.

Russlandfreundliches EU-Mitglied Griechenland

Nur sind zweitägige Staatsbesuche europäischer Regierungschefs in Russland seit Beginn des Konflikts in der Ukraine nicht eben häufig. Allerdings nimmt Athen in diesem Konflikt eine russlandfreundlichere Haltung ein. Griechenland gehört zu den EU-Staaten, welche die wegen Russlands Unterstützung für die Separatisten im Donbass verhängten EU-Sanktionen kritisch sehen. Erst vergangene Woche sagte Tsipras, diese würden “nirgendwohin führen”.

Kritik vor Russland-Reise Tsipras’

Von den EU-Partnern wird der griechische Flirt mit Putin trotz aller Bekenntnisse Athens, keine Finanzhilfen und auch keine grundlegende Politikänderung anzustreben, mit Sorge gesehen. So warnte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz Tsipras in der “Hannoverschen Allgemeinen Zeitung”, seine europäischen Partner nicht “zu verprellen”. Es sei “nicht akzeptabel”, wenn er damit spekuliere, dass als Gegenleistung für russische Hilfe “die einheitliche Haltung Europas etwa in der Russland-Politik aufs Spiel gesetzt wird”.

Brüssel warnt Griechen

Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, warnte Tsipras vor einer zu starken Nähe zu Russland. Es wäre eine riskante Strategie, wenn Tsipras in der angespannten Lage sein Heil in einer Annäherung an das autokratische System suche, sagte der deutsche Politiker Weber dem “Tagesspiegel” (Dienstag). Der für Mittwoch geplante Besuch komme “zur Unzeit”.

“Russland ist keine Alternative für Griechenland”

Bereits zuvor hatte EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici erklärt, es spreche zwar nichts gegen gute Beziehungen zwischen Tsipras und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. “Aber Russland ist keine Alternative für Griechenland. Griechenland hat seinen Platz in der Eurozone”, sagte der EU-Kommissar.

Der Russland-Beauftragte der deutschen Regierung, Gernot Erler warnte, Russland könnte vor dem Auslaufen der Sanktionen im Juli versuchen, “einen Keil in die westliche Konsensfindung zu treiben”. Die griechische Führung müsse sich aber die Frage stellen, ob es klug wäre, die Russland-Sanktionen mit ihrem Disput mit der EU in Zusammenhang zu bringen, sagte Erler der Nachrichtenagentur AFP. “Das Ausspielen dieser Karte wird die Zahl der Freunde Griechenlands sicher nicht erhöhen.”

Deutschlands Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte aber der “Rheinischen Post”, er könne sich “beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendjemand in Athen wirklich ernsthaft mit dem Gedanken spielt, Europa den Rücken zuzukehren und sich Moskau in die Arme zu werfen”. Der Experte Constantinos Filis vom Institut für Internationale Beziehungen in Athen sieht auch statt einer diplomatischen Neuausrichtung eher eine Taktik, durch eine bewusst ambivalente Haltung den EU-Partnern zu vermitteln, “nichts ist jemals sicher”.

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Athens “komplementäre Karte” im diplomatischen Spiel

Statt einer Alternative zu Europa sehe Tsipras in Russland eher eine “komplementäre Karte” in seinem diplomatischen Spiel, die zu zeigen erlaube, dass Athen noch weitere Verbündete habe, sagte Filis. Auch sonst bemüht sich Athen derzeit, mit Besuchen in den USA und China Beziehungen jenseits von Europa zu knüpfen.

Thanos Veremis von der Forschungseinrichtung Eliamep sieht darin auch noch einen weiteren Zweck: Die Besuche sollten die Wirtschaftsbeziehungen voranbringen und den Wählern plakativ vor Augen führen, dass die Regierung bemüht sei, Griechenland aus der Krise zu führen.

Was die Russen den Griechen bieten können und umgekehrt

Einige Fragen und Antworten zu dem ungewöhnlichen Spitzentreffen:

Worüber will Putin mit dem griechischen Ministerpräsidenten Tsipras sprechen?

Es geht um ein breites Spektrum an Fragen der Zusammenarbeit, wie Kremlsprecher Dmitri Peskow sagt. Dabei dürften besonders die schweren Finanzprobleme der chronisch klammen Griechen zur Sprache kommen. Allerdings gibt es bisher keinen offiziellen Antrag Athens für einen Kredit, wie Moskaus Finanzminister Anton Siluanow sagt. Bei möglichen Finanzhilfen soll es ohnehin nicht bleiben. Russen und Griechen haben zuletzt immer wieder betont, dass sie ihre wirtschaftlichen Beziehungen ausbauen wollen. Und Kremlchef Wladimir Putin ist bekannt für Überraschungen.

Russland steckt selbst in einer Wirtschaftskrise – Wie kann es Griechenland helfen?

Das Finanzpolster der Russen ist trotz des niedrigen Ölpreises und der Kapitalflucht noch immer solide mit mehr als 300 Milliarden Euro allein an Währungsreserven. Russland ist also in der Lage, trotz eigener Haushaltseinsparungen einen Kredit zu gewähren – vor allem, wenn dies politisch von Vorteil ist. Griechenland hofft darauf, dass Russland seinen Lebensmittelboykott beendet. Putin hatte die Einfuhr verboten, nachdem die EU im Ukraine-Konflikt Sanktionen gegen Russland verhängt hatte. Die Griechen könnten bald wieder Pfirsiche, Apfelsinen und Erdbeeren, aber auch Meeres- und Milchprodukte sowie Fleisch liefern.

Was erwarten die Russen von den Griechen?

Dass der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras bei der EU Stimmung macht gegen die Sanktionen, gefällt den Russen. Sie hoffen, dass die Griechen die bisher feste Front der Europäer gegen ihr Land aufbrechen. Dafür sind sie bereit, etwas zu tun. Es könnte zum Beispiel Rabatte für russische Gaslieferungen geben, wie aus Regierungskreisen verlautet. Russland braucht Griechenland für sein neues Pipelineprojekt Turkish Stream durch das Schwarze Meer in die Türkei. Die Leitung soll an der griechischen Grenze enden. Von dort aus will Russland Gas in die EU verkaufen.

Also geht es nur um Projekte und nicht um direkte Finanzhilfe?

Russland ist zu direkten Finanzhilfen bereit, dürfte diese aber nur gegen konkrete Sicherheiten gewähren. Es gibt außerdem einiges, was die Russen interessiert in Griechenland: Die russische Staatsbahn RZD etwa hat ein Auge auf griechische Häfen und die staatliche Bahngesellschaft TrainOSE geworfen.

Mit welchen Ergebnissen ist nach dem Treffen in Moskau zu rechnen?

Es wird seit Tagen gerätselt, ob das Treffen von Kremlchef Putin und dem griechischen Ministerpräsidenten Tsipras möglicherweise nur politisches Theater ist. Auch die EU schaut mit Spannung auf die Gespräche und mögliche Abmachungen der beiden. Immerhin präsentiert Putin selbst Ergebnisse statt nur Absichtserklärungen. Die Russen haben ein Interesse, sich wieder einfacher mit Lebensmitteln aus der EU zu versorgen. Die Griechen erhielten neben Öl und Gas in der Vergangenheit auch Metall und chemische Produkte aus Russland.

Auf Ministerebene gibt es Medien zufolge schon seit Wochen Vorbereitungen für intensivere Handelsbeziehungen. Insgesamt sind die Sympathien der Russen für die Griechen groß. Mehr als eine Million Russen machen jedes Jahr in Griechenland Urlaub. Tsipras will in Moskau auch Patriarch Kirill treffen, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, die sich mit der griechischen Orthodoxie eng verbunden sieht. (APA/dpa/red)

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