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Griechenland ersucht EU und IWF um Finanzhilfe

Wegen einer drohenden Staatspleite flüchtet sich Griechenland in die Arme der Europartner und des IWF: Erstmals in der Geschichte der Währungsunion soll damit ein Mitgliedsland mit Milliardenhilfen vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt werden.
Österreich hilft mit einem Darlehen von bis zu 858 Mio. Euro aus. Dem Steuerzahler entstünden keine Kosten, versicherte Finanzminister Josef Pröll (V).

“Es ist zwingend, dass wir um die Aktivierung des Rettungsmechanismus bitten”, sagte Regierungschef Giorgos Papandreou am Freitag in einem dringenden Hilfsappell an die Partner in Brüssel und Washington. EU und IWF sagten zu, schnell auf den Hilferuf zu reagieren. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die Höhe der Hilfszahlungen an Griechenland sei noch nicht klar.

Wegen explodierender Kosten für die Schuldenaufnahme war die Regierung in Athen unter Druck geraten, rasch die Reißleine zu ziehen. Das Rettungspaket könnte mit einem Volumen von 45 Mrd. Euro allein im ersten Jahr mittelfristig die bisher größte derartige internationale Stützungsaktion werden. Nach dem offiziellen Hilfsgesuch Griechenlands atmeten die Finanzmärkte zunächst auf. Der Euro und die Aktienmärkte legten zu. Ein Sprecher der Brüsseler EU-Kommission sagte, das Hilfsgesuch werde nun schnellstmöglich geprüft. Auch IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn sagte zu, rasch auf den Ruf aus Griechenland zu reagieren.

Nach Angaben des griechischen Finanzministers Giorgos Papakonstantinou kann die erste Tranche aus dem Hilfspaket bereits vor dem 19. Mai fließen. Dann benötigt die Regierung rund 8,5 Mrd. Euro an frischem Geld, um eine fällige Staatsanleihe zurückzuzahlen. Insgesamt summiert sich der Refinanzierungsbedarf des klammen EU-Staats innerhalb der nächsten zwölf Monate auf schätzungsweise 39 Mrd. Euro. Merkel betonte, vor einer Auszahlung der Hilfen müsse die Regierung in Athen eine Einigung mit dem IWF) und der EU-Kommission über sein Sparprogramm erzielt haben. “Ich habe heute mit dem griechischen Premierminister telefoniert und er sagte, dass diese Gespräche noch einige Zeit dauern werden”, sagte Merkel in Berlin.

Der Deutsche-Bundesbank-Präsident Axel Weber sieht im Fall Griechenlands keine ernsthafte Gefahr für die Gemeinschaftswährung. “Der Euro hat kein Problem”, sagte Weber vor Beginn der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Es gebe jedoch das Risiko, dass die Schwierigkeiten Griechenlands seine Verschuldung in den Griff zu bekommen, auf andere Länder der Währungsunion übergriffen, warnte Weber.

Ohne ein fertiges Sanierungskonzept des Internationalen Währungsfonds (IWF) kann Griechenland nach Angaben der deutschen Regierung allerdings nicht mit finanziellen Hilfen der Euro-Partner rechnen. “Ein IWF-Paket ist Voraussetzung für die Aktivierung eines Hilfspakets”, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Auch das Finanzministerium wies darauf hin, dass die Regierung in Athen bisher noch keine Einigung mit dem IWF über die konkreten Sanierungsschritte der Staatsfinanzen für die Jahre 2011 und 2012 getroffen habe. Bisher seien nur die Maßnahmen für 2010 konkretisiert.

Die Finanzminister der Euro-Zone hatten sich darauf verständigt, Griechenland bei Bedarf im ersten Jahr eines auf drei Jahre angelegten Hilfsprogramms maximal 30 Mrd. Euro zur Verfügung zu stellen. Weitere bis zu 15 Mrd. Euro könnte der IWF beisteuern. Um jeden Automatismus bei möglichen Hilfen zu vermeiden, hat die Bundesregierung auch auf ein mehrstufiges Zustimmungsverfahren gedrungen: Nach einem griechischen Antrag müssen zunächst die EZB, IWF und die EU-Kommission Hilfen für Griechenland befürworten. Dann müssen die 16 Regierungen der Eurostaaten einen einstimmigen Beschluss fassen – Deutschland hat also ein Vetorecht. Erst dann ginge es um die Umsetzung innerhalb Deutschlands.

Mit dem Hilfeersuchen hat sich Griechenland nur eine kleine Atempause verschafft: Die Risikoaufschläge, die Investoren beim Kauf griechischer Anleihen verlangen, gingen zurück, blieben allerdings auf hohem Niveau. “Das ist auf jeden Fall eine kluge Entscheidung Athens”, kommentierte UniCredit-Volkswirt Andreas Rees. “Das Thema ist allerdings nicht vom Tisch. Griechenland hat jetzt wertvolle Zeit gewonnen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.”

Analysten rechnen nun jedoch damit, dass der spekulative Druck auf das hoch verschuldete südeuropäische Land etwas nachlässt. Davon geht auch Papandreou aus: “Die Zeit, die uns die Märkte nicht gewähren wollten, wird uns nun die Unterstützung der Euro-Zone verleihen”, sagte Papandreou. Er äußerte sich in einer Fernsehansprache optimistisch, dass das Land die Krise meistern werde: “Wir sind auf einer neuen Odyssee für Griechenland und die Nation. Aber wir kennen den Weg nach Ithaka.” Die Insel gilt als Heimat des antiken Sagenhelden Odysseus, der nach dem Trojanischen Krieg und einer langen Irrfahrt dorthin zurückkehrte.

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