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Griechen raus aus Eurozone? Berliner Drohkulisse für Neuwahl in Griechenland

Hitzige Debatte über Euro-Aus Griechenlands
Hitzige Debatte über Euro-Aus Griechenlands ©AP
Der Euro ohne Griechenland? Für Berlin scheint das von einem Schreckensszenario zu einer echten Option geworden zu sein. Die öffentliche Diskussion darüber kommt im Krisenland nicht besonders gut an.

Drei Wochen vor der Neuwahl in Griechenland ist die Debatte über einen Austritt des Krisenlandes aus der Eurozone wieder voll entbrannt. Auslöser ist ein “Spiegel”-Bericht, nach dem die deutsche Bundesregierung ein Ausscheiden des hoch verschuldeten Landes aus der Währungsgemeinschaft inzwischen für verkraftbar hält.

Kanzleramt und Finanzministerium wollten das am Wochenende weder dementieren noch bestätigen. Der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter trat aber dem Eindruck entgegen, dass es einen Bruch in der Haltung der Bundesregierung gebe. “Es gibt keine Kursänderung”, sagte er. “Die Bundesregierung geht davon aus, dass Griechenland auch weiterhin seinen Verpflichtungen nachkommen wird.”

Linke wirft Merkel Erpressung vor

Die Linke warf der Regierung Erpressung und gezielte Destabilisierung Griechenlands vor. “Die Bundesregierung lanciert mit dieser gezielten Indiskretion eine Bombe, die in Griechenland die Krise eskaliert”, sagte Parteichef Bernd Riexinger dem “Handelsblatt” (Online-Ausgabe).

Auch aus der SPD kamen skeptische Reaktionen. Die eurokritische AfD begrüßte dagegen die “späte Einsicht” der Regierung. Die Grünen halten eine solche Debatte vor der Wahl am 25. Januar für unangebracht.

In den Umfragen führt die Linkspartei Syriza von Aleksis Tsipras, die Griechenlands Sparpolitik beenden und einen Schuldenerlass verlangen will. Dies käme einer Aufkündigung der Vereinbarungen mit den Geberländern gleich, die Hilfspakete im Umfang von 240 Milliarden Euro für das Krisenland aufgelegt haben.

Euro-Austritt Athens für Berlin verkraftbar

Der “Spiegel” berichtet, sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) wollten Griechenland nicht mehr um jeden Preis im Euro halten. Grund für die neue Einschätzung seien Fortschritte, die die Eurozone seit dem Krisenhöhepunkt 2012 gemacht habe. Dazu zähle der Europäische Stabilitäts-Mechanismus (ESM), über den Staaten im Notfall mit bis zu 500 Milliarden Euro gerettet werden können. Auch sei die Ansteckungsgefahr für andere, ehemals gefährdete Länder wie Irland oder Portugal nicht mehr so groß.

Die Bundesregierung halte ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro für nahezu unausweichlich, wenn das Land nach der vorgezogenen Parlamentswahl seinen Sparkurs aufgebe, heißt es in dem Bericht weiter. Das Finanzministerium wollte das nicht kommentieren und verwies auf eine Äußerung Schäubles vor einer Woche. “Wenn Griechenland einen anderen Weg einschlägt, wird es schwierig”, hatte er als Reaktion auf die Neuwahlen gesagt.

Hohe Risiken für Stabilität des Euro-Raums

Der Ökonom Peter Bofinger warnte vor einem Euro-Austritt Griechenlands. “Ein solcher Schritt wäre mit sehr hohen Risiken für die Stabilität des Euro-Raums verbunden”, sagte er der “Welt am Sonntag”. Damit würde womöglich “ein Geist aus der Flasche gelassen, der nur schwer beherrschbar wäre”.

Wer Spekulationen über ein solch heikles Thema aufhalten will, agiert anders. Die Bundesregierung scheint sich an der öffentlichen Diskussion also zumindest nicht zu stören – oder sie als Warnsignal Richtung Athen sogar zu wollen.

Verglichen mit der Situation vor zwei Jahren, als Rösler mit seiner Äußerung noch für einen Aufschrei sorgte, sind die Bedingungen für einen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro heute andere. Die Eurozone hat sich stabilisiert. Der Europäische Stabilitäts-Mechanismus (ESM) kann Staaten im Notfall mit bis zu 500 Milliarden Euro beispringen. Und neben Griechenland gibt es heute keine weiteren Sorgenkinder mehr, auf die die Krise überspringen könnte.

“Grexit”: Erneuter Banken-Run in Griechenland

Trotzdem ist die Diskussion über “Grexit” riskant. In Griechenland ist die Nervosität schon jetzt groß, die Leute haben Angst um ihr Geld. Bereits im Dezember haben die Griechen 2,5 Milliarden Euro von den Banken abgehoben – 500 Millionen mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. “Nun fällt auch das Wort “Grexit”. Das könnte Panik auslösen”, sagt der Prokurist Nikos Wrousis.

Griechische Banken alarmiert

Auch die Banken sind alarmiert. “Wir sorgen dafür, dass unsere Geldautomaten gut bestückt sind”, sagt ein Direktor einer Bank in Athen. Schon ein paar defekte oder leere Geldautomaten könnten einen sogenannten “Bank-Run”, einen Ansturm auf die Banken, auslösen.

Tsipras nach Umfragen vor Samaras

Der mit harten Bandagen geführte Wahlkampf zwischen dem konservativen Regierungschef Antonis Samaras und dem Chef der linken Oppositionspartei Syriza, Alexis Tsipras, vergrößert die Unsicherheit. Tsipras liegt in den Umfragen vorne. Er sieht in “Grexit” ein Schreckgespenst seiner Gegner zur Wählerverunsicherung. Samaras wirft Tsipras vor, eine Rückkehr zur alten Währung, der Drachme, provozieren zu wollen.

Griechen leiden schwer unter Sparkurs

Dass sich jetzt auch noch die Deutschen wieder einmal einzumischen scheinen, könnte zumindest bei einem großen Teil der Griechen zu einer Trotzreaktion führen. Mehr als die Hälfte von ihnen leidet schwer unter dem Sparkurs. Jeder Vierte ist ohne Job. Ganze Familien leben von der Rente der Oma. Ärzte und andere hochqualifizierte Menschen wandern aus.

“Mit dem “Grexit” kann man nur einem Teil der Wählerschaft drohen”, sagt Giorgos Tagaris, ein Arzt aus der Hafenstadt Patras. Die anderen stecken tief im Treibsand der Armut. An diesen Menschen gingen die Warnungen vorbei.

Die Diskussion ist für Merkel aber auch innenpolitisch nicht ohne Risiko. Der erste Applaus dafür kam erwartungsgemäß ausgerechnet von der AfD, die sich in ihrer eurokritischen Politik bestätigt fühlt. “Ich begrüße die späte Einsicht von Frau Merkel und Schäuble, dass ein Austritt Griechenlands aus dem Euro verkraftbar wäre”, sagte der Vorsitzende der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke. (dpa/red)

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