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Grass feierte 80. Geburtstag privat

Der deutsche Literaturnobelpreisträger Günter Grass hat am Dienstag in privatem Rahmen seinen 80. Geburtstag gefeiert. Überraschend sei Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu Besuch gekommen und habe gratuliert, teilte Grass’ Sekretariat in Lübeck mit.

Der Schriftsteller und Bildhauer wohnt in Behlendorf (Schleswig-Holstein). Größere Feiern in der Öffentlichkeit sind in den nächsten Tagen in Hamburg (18.10.), Göttingen (20.10.) und als Höhepunkt am 27. Oktober in Lübeck mit einer Rede des Bundespräsidenten geplant. Am selben Tag will Grass mit seiner Großfamilie feiern und – wie er es bei runden Geburtstagen früher gemacht hat – einen Kopfstand wagen.

Die in Berlin erscheinende „tageszeitung“ (taz) „verzierte“ Grass zu Ehren am Dienstag viele Persönlichkeiten auf Fotos mit Schnurrbärten, darunter den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) – sogar Eisbär Knut wurde „verziert“.

Der Regisseur der oscarprämierten „Blechtrommel“-Verfilmung, Volker Schlöndorff, würdigte Grass als einen „sehr sensiblen und sehr treuen Freund über 30 Jahre“. Im „Morgenmagazin“ des ZDF äußerte sich der 68-jährige Schlöndorff über seine Zusammenarbeit und Freundschaft mit dem Literaturnobelpreisträger. Grass habe auf der ganzen Welt viele Freunde und sei auch „eine ganz andere Person, als die, die er so polternd in der Öffentlichkeit gibt“.

Grass sei „manchmal nicht leicht im Umgang“ und mit seiner Künstlernatur verstehe er es auch, „sich zu verschanzen und abzusichern“. Das erkläre auch, „warum er gewisse Geheimnisse – und ich weiß ja nicht, welche noch – für sich behalten hat“. Auf die für viele überraschende Entdeckung der früheren Zugehörigkeit zur Waffen-SS des 17-jährigen Grass am Ende des Krieges angesprochen meinte Schlöndorff: „Natürlich war ich von den Socken, als ich das gelesen habe…Ich habe gedacht, hier ist dieses Denkmal Günter Grass und in diesem Denkmal ist der kleine Oskar Matzerath und der hat jetzt einen Sprengsatz gelegt, damit das Monument explodiert oder endlich runter vom Sockel ist und wieder als normaler Mensch auftreten kann.“

Der US-Schriftsteller John Irving, mit dem Grass seit Jahren befreundet ist, würdigte den deutschen Literaturnobelpreisträger als „Held“ und „Vorbild“. In der „Frankfurter Rundschau“ (Dienstag) meinte der 65-jährige Irving, der die Geburtstagsfeiern in Lübeck und Göttingen besuchen will, die Lektüre der „Blechtrommel“ im Alter von 19 oder 20 Jahren habe ihm gezeigt, wie er Schriftsteller werden könne. Die Autobiografie „Beim Häuten der Zwiebel“ mit dem überraschenden Bekenntnis von Grass, am Ende des Krieges als 17- Jähriger noch bei der Waffen-SS gewesen zu sein, bezeichnete Irving als „ein schmerzliches Bekenntnis“.

Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, mit dem Grass 2006 ein Streitgespräch geführt hatte, schrieb im „Hamburger Abendblatt“ (Dienstag): „Gerade das Ambivalente macht diesen Künstler aus, der, wie kein anderer zum Sinnbild nachkriegsdeutscher Widersprüche geworden ist.“ Seine Gedichte werden nach Ansicht Döpfners „erst erkannt werden, wenn der Schlagschatten der Tagesrhetorik sie nicht mehr verdeckt“.

Der Vorsitzende des Bundestagskulturausschusses, Hans-Joachim Otto (FDP), würdigte Grass als einen „großartigen kulturellen Botschafter unseres Landes“. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth nannte Grass am Dienstag „eine der prägenden Gestalten des Landes“ seit einem halben Jahrhundert. Grass scheue auch vor harten Konflikten nicht zurück – „Auseinandersetzungen, in denen er oft wenig fair behandelt wurde und wo ihm auch Feindschaft entgegen schlug“.

Die österreichische Literaturkritikerin Sigrid Löffler sagte im Deutschlandfunk, „Grass ist seit einem halben Jahrhundert von Bedeutung für die politische und moralische Selbstverständigung des Landes“. Allerdings seien die politischen Interventionen des Autors nicht mehr so wirksam wie früher.

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