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"Gio" geht nach Brüssel

Johannes "Gio" Hahn (V) wird Österreichs dritter EU-Kommissar. Nach langem Gezerre haben sich die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP am Dienstag auf den 51-jährigen Wissenschaftsminister und Wiener ÖVP-Chef als Kompromisskandidaten geeinigt. Bundeskanzler Werner Faymann (S) verkündete nach dem Ministerrat die "gute Wahl für Österreich". Vizekanzler Josef Pröll (V) lobte den Kandidaten "aus dem Herzen der ÖVP". Hahn freute sich über das Vertrauen. Welches Dossier er bekommen soll, ist ebenso offen, wie die Nachbesetzung im Ministerium und an der Spitze der Wiener Volkspartei.

Die Regierungsparteien hatten sich in den vergangenen Wochen ein zähes Tauziehen in der Kommissarsfrage geliefert. Die ÖVP hatte das Vorschlagsrecht, ihren Wunschkandidat, Ex-ÖVP-Chef und Vizekanzler Wilhelm Molterer, lehnte die SPÖ allerdings ab. Die Roten versuchten im Gegenzug, die noch amtierende Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner (V) zu forcieren. Hahn hatte sich bei diesem Patt bereits vor dem Wochenende als Kompromisskandidat abgezeichnet. Ein letztes Gespräch führten Kanzler und Vizekanzler am Dienstag vor dem Ministerrat.

“Die Regierung steht geschlossen hinter dem Vorschlag, ‘Gio’ Hahn zu nominieren”, so Faymann dann nach der Regierungssitzung. Er lobte ihn als Person mit “breitem Wissen und guter Erfahrungen”. Der Vorschlag sei von Pröll gekommen, man habe “rechtzeitig und zu guter Zeit” dieses politische Ergebnis erreicht. Der Vizekanzler gab sich “sehr froh”. Mit seiner Vergangenheit in Wirtschaft und Politik könne Hahn beim Portfolio ein sehr weites Feld abdecken.

Wofür Österreichs künftiger Kommissar tatsächlich zuständig sein wird, ist nach Angaben beider noch offen. Von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso gebe es diesbezüglich keine Festlegung. Pröll wünscht sich ein “Zukunftsdossier”, Faymann ein Ressort mit Forschung und Entwicklung in Bereichen wie Umwelt oder Energie. Außenminister Michael Spindelegger (V) erwartet für Hahn das Forschungsressort, auch die Bildung sei möglich.

Die SP-Ablehnung Molterers begründete Faymann mit dem “Vertrauensbruch” durch die von diesem herbeigeführte Neuwahl. Ferrero-Waldner wiederum sei “nicht Vorschlag des Koalitionspartners” gewesen. Pröll verwies darauf, dass es Ferrero-Waldner Ressort künftig nicht mehr in dieser Form geben werde.

Mit der Nachfolge Hahns in der Wiener ÖVP und im Wissenschaftsministerium will sich Pröll Zeit lassen. Faymann plant im Zuge der Entsendung keine Regierungsumbildung auf SPÖ-Seite. Hahns Nominierung wird kommende Woche im Ministerrat offiziell abgesegnet. Danach ist im Hauptausschuss des Nationalrates eine Aussprache und der Beschluss der Entsendung vorgesehen. Dann folgt die Information an den Kommissionspräsidenten.

Hahn stellte sich nach der Bekanntgabe nicht den Journalisten. Stattdessen ließ er über einen Sprecher ausrichten, er freue sich über das “Vertrauen von Bundeskanzler und Vizekanzler”. Das wichtigste Ziel sei nun ein Zukunftsressort für Österreich.

Seitens der ÖVP lobte ihn EU-Delegationsleiter Ernst Strasser als “innovativ und professionell”. Zustimmung kam auch von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. Der nicht zum Zug gekommene Molterer nahm die Entscheidung merkbar enttäuscht zur Kenntnis: “Bundeskanzler Faymann hat meine Nominierung verhindert, aus welchen Gründen auch immer.”

Von der Opposition setzte es heftige Kritik. Für FPÖ-Obmann Heinz Christian Strache kommt die Entscheidung “einer Bankrotterklärung der Bundesregierung” gleich. BZÖ-Chef Josef Bucher meinte, Hahn werde von seiner Verantwortung für das Uni-Desaster abgezogen. Auch die Grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig kritisierte, dass Hahn als Wissenschaftsminister “zu 100 Prozent versagt” habe.

Aus der SPÖ kamen hingegen Lobeshymnen auf den künftigen EU-Kommissar. Sowohl Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter als auch Klubobmann Josef Cap und Europa-Sprecherin Christine Muttonen unterstützten nun die Entscheidung für Hahn, nachdem sich die SPÖ zuvor lautstark für die bisherige Kommissarin Ferrero-Waldner ausgesprochen hatte.

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