Die Dörfer Kolontar und Devecser wurden von einer zwei Meter hohen, Hunderte Meter breiten und 35 km/h schnellen, extrem giftigen Schlammwalze weitgehend ausgelöscht. Zehn Menschen starben, Hunderte wurden verletzt, tausende obdachlos. Ein Jahr danach erhalten die betroffenen Gemeinden zwar Geld aus einem Entschädigungsfonds, doch die Umwelt ist auf viele Jahre zerstört.
Landschaft blutrot gefärbt
Zehn Millionen Quadratmeter Land wurden vernichtet, und das in einer Gegend, die ohnehin nicht mit Reichtum und Wohlstand gesegnet ist. Flüsse, Hausmauern, Straßen und Bäume färbten sich blutrot, die Felder waren meterhoch mit einer Schicht bedeckt, die sich aus 38 Giftstoffen zusammensetzte, darunter auch besonders schädliche wie Arsen, Quecksilber, Cadmium, Antimon und Nickel. In den Tagen nach dem 4. Oktober glich der Landstrich einem Katastrophengebiet. Tag und Nacht standen Hunderte Lkw und Bagger im Einsatz, um das Erdreich abzutragen.
Keine Naturkatastrophe, sondern von Menschen verursacht
Ein Schuldiger war rasch ausgemacht: die MAL AG. Das Bauxit fördernde Unternehmen geriet auch unter politischen Beschuss. Ministerpräsident Viktor Orban setzte den Kommandanten des ungarischen Katastrophenschutzes als Regierungskommissar an die Spitze des Aluminiumwerks. Das Ziel: Die MAL AG soll verstaatlicht werden. “Da dies nicht eine Naturkatastrophe, sondern ein von Menschen verursachter Schaden ist, muss der Schadenersatz an erster Stelle nicht von den Steuerzahlern, sondern den Verursachern gezahlt werden”, erklärte der Regierungschef.
MAL AG: 466 Mio. Euro Strafe
Am 14. September 2011 wurde die MAL AG laut einer Meldung der ungarischen Nachrichtenagentur MTI zur Zahlung einer Verwaltungsstrafe von umgerechnet 466 Millionen Euro verdonnert. Tags darauf legte man dagegen Berufung ein, während zur selben Zeit gut zwei Dutzend Verantwortliche des Unternehmens von den Behörden einvernommen wurden.
Die Bewohner der schwer in Mitleidenschaft gezogenen Dörfer dürfen nun endlich mit Entschädigungen rechnen, wenngleich mit ziemlich dürftigen. In einem Hilfsfonds befinden sich nach MTI-Angaben bereits mehr als zwei Milliarden Forint (6,91 Millionen Euro), 534 Millionen Forint (1,85 Millionen Euro) dürften bald zur Auszahlung gelangen. Devecser soll 352 Millionen Forint (1,216 Millionen Euro) erhalten, Kolontar 155 Millionen Forint (535.554 Euro) und Somlovasarhely 27 Millionen Forint (93.290 Euro).
Langzeitschäden nicht absehbar
Für Umweltschützer wie Bernd Schaudinnus von Greenpeace ist die größte Umweltkatastrophe Ungarns nach wie vor präsent: “Man sieht zwar fast nichts mehr, aber die Langzeitschäden sind nicht absehbar. Wir haben erst kürzlich Proben gezogen – und das Wasser ist nach wie vor sehr stark belastet, in den Flüssen lebt weiterhin nichts. Auch die Böden sind noch kontaminiert, aber nicht mehr so stark, weil ja viel abgetragen worden ist.”
Der 4. Oktober 2010 markierte in der Region aber auch eine wirtschaftliche Zäsur. Denn viele Einwohner wollten gar nicht mehr warten, bis ihnen jemand hilft – sie wollten einfach nur weg. Zahlreiche Betriebe sperrten zu, Geschäfte ließen die Rollbalken für immer herunter, Häuser standen verwaist im rostbraunen Gras. Teile von Devecser und Kolontar wurden mittlerweile eingestampft, Straßen errichtet, Brücken gebaut, Dämme aufgeschüttet. Man hat viel unternommen, um die Spuren der Giftschlammwalze zu beseitigen. Doch sie ist weiterhin allgegenwärtig, im Wasser, in der Atemluft, in den Köpfen der Opfer. Und sie wird es noch lange bleiben. (APA)
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